laut.de-Kritik

Mit schwedischem Hip Hop zurück in die Zukunft.

Review von

In Skandinavien fühlen sich nicht nur Wikingerstämme zuhause, auch Hip Hop hat es hier schon länger richtig heimelig. Während Looptroops Conscious Rap Schweden auf dem Hip Hop-Globus neu verortete, setze DJ Noize bereits 1996 bei den World DMC-Meisterschaften neue Maßstäbe (Conscious Battle-DJing) und hisste für Dänemark die Flagge. Die Nordmänner legen schon immer Wert auf Inhalt - intelligent, kritisch und stets hochwertig.

Das Innere von "Movement/Silence" jagt diesem Trend hinterher wie ein Schlitten seinem Hunde-Gespann. Mit Jazz, Funk und klassischem Hip Hop pirscht DJ Devastate durch das musikalische Nordeis und legt dabei in Eisbrecher-Manier die überlagerten Reste der Golden Era wieder frei. Tiefe soulige Akkorde sowie dem Jazz entlehnte Harmonien, kombiniert mit dem treibenden, organischen Sound des Funk und roher, samplebasierter Hip Hop Beat-Programmierung erinnern schnell an Legenden und BBE-Label-Verwandte wie DJ Vadim, "A Touch Of Jazz"-DJ Jazzy Jeff oder DJ Spinna.

Auch das Erbe der britischen Trip Hop-Big Beat-Experten The Wiseguys blitzt hier auf. Während der Easy Listening-Liebhaber das Album mühelos gemütlich im Ohrensessel vor offenem Kamin mit Cognac und Zigarre genießen kann, kommt dem Hip Hop Head aufgrund von druckvollen Beats und wohl dosierten Scratch-Passagen eine Einladung zum Kopfnicken zu.

Der 26-Jährige Produzent und Turntablist aus Helsingborg orientiert sich nicht nur an den akustischen Blaupausen seiner eigenen musikalischen Pubertät, er lässt sie aufleben. Dezente Scratches mit vornehmlich Sprach-Samples aus den Neunzigern
runden die Retroproduktion perfekt ab. So kommen die Wu-Tangs oder Dilated Peoples wie auch Mobb Deep und dergleichen in den Beat-Schablonen zu Wort. Statt unnötiger- aber auch üblicherweise Vokalisten anzuheuern, kümmert sich Devastate auf seiner Gästeliste lieber um die Zusammenarbeit mit von ihm hochgeschätzten Musikern.

Frederik Sergefalk greift dem Schweden für den letzten Feinschliff gelegentlich unter die Arme, spielt Bass oder Piano ein und gewährt Nachhilfe in Sachen Analog-Synthesizer, dafür kümmert sich Zoltan Csörsz JR um Live-Drumming in "Spoken". DJ Create pickt passende Turntablism-Techniken für die Authentizität der angelehnten Neunziger-Nostalgie. Das Resultat dabei ist ein warmer, satter Sound, der getreu dem Motto "Zurück in die Zukunft" erfrischend alt klingt.

Liegen heute Hip Hop Alben zur Qualitätskontrolle vor, stehen sich stets Innovation und der Anschluss an die goldene Zeit gegenüber. Klingt es so gut und authentisch wie damals, bedarf es keiner revolutionären Soundentwicklung. Eine Revolution entfacht "Movement/Silence" mit Sicherheit nicht, allerdings gelingt nur sehr wenigen jungen Künstler eine derart großartige Adaption dieses Zeitabschnitts.

Trackliste

  1. 1. Start Movin'
  2. 2. The Motion ft. Silvia
  3. 3. Dont Stop ft. Segerfalk
  4. 4. A Days Work ft. Segerfalk & Fredrik Rixman
  5. 5. Movement/Silence ft. Segerfalk
  6. 6. Space & Time
  7. 7. Quiet Stream
  8. 8. Takin' It Slow
  9. 9. Uncut Dope
  10. 10. Spinnin' ft. Silvia, Svärd & DJ Create
  11. 11. Some Nights ft. Segerfalk
  12. 12. Spoken ft. Zoltan Csörsz JR
  13. 13. With The Groove ft. Segerfalk
  14. 14. The Sound ft. Segerfalk

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