14. Juni 2017

"Jeder Trottel kann über Musik bloggen"

Interview geführt von

Ihr aktuelles Album "Wild Cat" kam bei Kritikern wie Fans gut an – nichts desto trotz geht Danko Jones bei unserem Gespräch in Berlin schnell in die Defensive, wenn es um's Thema Presse geht.

Darauf angesprochen, was es denn mit der "Leiche Rock'n'Roll" (haben nicht wir uns aus den Fingern gesogen, sondern steht so in der aktuellen Band-Bio) auf sich hat, die es anscheinend zu retten oder wiederzubeleben gilt, beginnt der Sänger ein Gespräch, in dem es mehr um die Themen Musikjournalismus, Reviews und Musiksnobbismus geht, als um das ausgezeichnete neue Album.

Lass mich mit einem Zitat anfangen – „Danko Jones’ neues Album soll der verfallenden Leiche Rock'n'Roll neues Leben einhauchen" ...

Das habe nicht ich gesagt, das steht in unserer Bio. Ich schreibe diese Bios nicht.

Klar, davon bin ich ausgegangen, aber ...

Ein Freund von mir hat die geschrieben.

Ich wollte dich drauf ansprechen, weil ich vor kurzem mit Kasabian geredet habe – und auch deren neue Platte soll laut eigenen Angaben Gitarrenmusik retten. Steht es echt so schlimm um Rockmusik, dass sie jeder retten muss?

(Lacht) Jesus, das haben die echt gesagt? Okay. Wir haben einfach eine Platte veröffentlicht, Mann. Wenn sie dir gefällt, gefällt sie dir. Ich würde nie wagen, uns so etwas anzuheften. Ich denke einfach, es geht in letzter Zeit sehr viel um Clickbait bei Artikeln. Ich erinnere mich da an Gene Simmons' berüchtigte "Rock is dead"-Deklaration. Lächerlich. Ich denke, viele Leute haben sich sowas als Gesprächsausgangspunkt überlegt. Wie wir gerade. Aber Rock'n'Roll geht's gut. Es ist nicht mehr die populärste Musikform und das schon seit einiger Zeit. Früher war es das mal. EDM, Rap, Pop, sogar Heavy Metal ist derzeit viel populärer. Ich möchte die Gitarrenmusik nicht retten, ich bin sogar froh um den Outsider-Status. So lange haben sie uns als Radio-Rock-Band oder Pop-Rock-Band bezeichnet, dabei haben wir unsere Wurzeln in der Garage- und Punkszene der 1990er. Wenn du dir heute Rock anhörst, ist das Underground-Musik. Und ich habe mein ganzes Leben Underground-Musik gehört. Und plötzlich sagte mir jeder, wir spielen Mainstream. Es ist nett, wieder als Underground zu gelten, obwohl wir den Sound nie verändert haben. Es wird plötzlich anders gesehen. Also: ich würde niemals behaupten, Rockmusik retten zu wollen, das ist nicht unser Job. Unser Job ist es, Rock-Alben zu veröffentlichen.

Das Verb "rocken" wird seit langem ja inflationär verwendet, es ist fast ein Unwort geworden. Kontoabschlüsse rocken, Bausparverträge rocken, alles rockt.

Ich habe darüber einen Podcast gemacht. Da sprach ich über das Ganze. Ich habe zehn Rockbands gespielt – nur so einminütige Snippets, über die ich dann den ganzen Podcast gesprochen habe. Der Tenor: Rock lebt und viele neue Bands spielen tolle Varianten davon. Aber: das Wort, die Idee von Rock'n'Roll ist so weit weg davon, was die Musik ist. "Lass uns rocken", "Rock'n'Roll, Mann" – da geh'’s nicht mehr um die Musik, sondern um Party oder einen Wheelie mit deinem Fahrrad zu machen, gute Noten zu bekommen. "Du rockst, Mann". Es geht um alles außer der Musik – deswegen verstehe ich, dass die Leute diesen Begriff satt haben. Ich habe den Podcast gemacht um daran zu erinnern, dass es eigentlich eine Musikform ist, die sehr wohl am Leben ist.

"Wild Cat", so sagen viele, ist Danko Jones in Reinform – eine Besinnung auf die Stärken der Band.

Ach, jedes Album ist ein Danko-Jones-Album in Reinform. Es sind ja nur wir drei. Wir spielen ja nicht mit Orchester. Wir sind ein Trio, die purste Form einer Rockband. Ich weiß aber, was du meinst. Ich lese zwar keine Reviews mehr, weil ich mich dann an Details aufhänge. Ich weiß, was die Leute damit meinen: Es ist ein gutes Album und ich finde es schön, dass es den Leuten gefällt. Aber weißt du, das letzte Album war genau so gut. Unsere Theorie ist, dass das Artwork auf dieser Platte einfach besser ist, deswegen fühlen sich die Leute mehr zu ihr hingezogen. Ich gebe zu, dass das Album vor "Fire Music" nicht so gut ankam. Aber "Fire Music" und "Wild Cat" sind von einem Schlag. Aber hey, ich freue mich, dass es den Leuten gefällt, das ist toll.

Du liest wirklich keine einzige Review mehr?

Nein. Außer wenn ich die Empfehlung von Freunden kriege, das ich das lesen soll. Sonst lese ich nichts, schaue mir nichts an, höre mir nichts an. Ich bin da heikel.

Weil es dich frustriert?

Ich bin so nah an der Musik dran, dass ich natürlich eine sehr dezidierte Meinung habe, schließlich ist es unsere Musik. Jeder Trottel kann über Musik bloggen, und oft wissen die nicht, worüber die schreiben. Könnte sein, dass ich einfach arrogant bin – deswegen sage ich nicht zu viel darüber sondern lass es einfach sein. Sonst würde ich mich den ganzen Tag darüber aufregen.

"Ich bin halt ein Musiksnob"

Findest du also, dass Musikjournalismus überholt ist?,>

Oh nein, gar nicht. Ich schätze ihn, ich komme ja auf ihn zurück. Ich schätze die Meinung anderer. Aber es hat ein Wert verloren, weil jeder einen Blog haben kann. Ich weiß ja nicht, wie das in Deutschland ist. Aber viele der kanadischen Seiten sind einfach Leute, die durch die Journalismusschule kommen wollen, die Musik steht nicht im Vordergrund. Es geht für sie darum, ihre journalistischen Fähigkeiten zu schulen. Ich habe so viele Reviews gelesen, bei denen ich mir einfach nur dachte, äh was bitte? Kein Musikkritiker, der sich selbst respektiert, würde so was schreiben. Aber ich bin halt ein Musiksnob, ein besessener Musikhörer.

Du schreibst ja auch für Magazine ...

Ja, aber keine Reviews. Ich schreibe Opinion Pieces, weil mich manche Redaktionen das lassen. Aber ich bin nicht deswegen hart zu anderen Journalisten, ich würde mich selbst gar nicht so bezeichnen. Ich bin einfach nur ein Typ in einer Garderobe, der in seiner Garderobe sitzt und in die Tasten seines Laptop hämmert.

Aber genießt du das Schreiben?

Absolut, ich liebe es.

Solltest du jemals genug vom Showgeschäft haben, würdest du das mehr verfolgen wollen?

Nein. Viele glauben, ich mache die Podcasts, weil ich ein Extra-Einkommen will oder eine neue Karriere. Nein, nein, gar nicht.

Lass uns doch über das neue Album sprechen.

Ja, gerne. Wir haben es mit Eric Ratz aufgenommen, der auch schon bei "Fire Music" dabei war. Er hatte mit verschiedenen Hard'n'Heavy-Bands aus Kanada viel Erfolg gehabt, wir kennen ihn seit 1999. Zum ersten Mal in unserer Karriere hat sich zwischen zwei Alben nichts verändert. Wir haben mit Eric in den selben Studios aufgenommen und das Line-Up hat sich nicht verändert. Wenn du bei uns Alben miteinander vergleichst: Es hat zumindest immer eines dieser Elemente gewechselt, Studio, Produzent oder Line-Up. Zum ersten Mal blieb alles gleich. Das war das Album in unserer Karriere, das am besten ankam. Ich kann das nur der Stabilität von Line-Up und Aufnahmeprozess zuschreiben. Man kann sich auf Feinheiten konzentrieren, wenn nicht immer alles neu ist. Ich kannte Eric, ich wusste, wie der Raum klingt. Auch, dass ich den Weg ins Studio kannte. Ich wusste, welchen Highway ich nehmen musste – solche Dinge können dich im Aufnahmeprozess echt durcheinander bringen. Du hast die falsche Straße genommen, weil ein Baustelle im Weg war, und im Studio bist du beim Einsingen unkonzentriert.

Was hat der Produzent bei euch denn für eine Rolle?

Nun, wir sind schon so lange eine Band, dass wir wissen, wie wir klingen. Dafür brauchen wir keinen Produzenten. Er kümmert sich eher um darum, den Klang einzufangen – und da hörst du Erics Arbeit raus. Und: er ist ein viertes paar Ohren. Eric ist toll, Gitarrensounds einzufangen.

Wie lange wart ihr im Studio?

Ich schätze, einen Monat. Wir haben vier Tage Schlagzeug aufgenommen, dann drei Tage Bass – und dann zwei Wochen Gitarren und Gesang.

Bist du ein Perfektionist, der schwer loslässt?

Nein, ich bin kein Perfektionist. Ich bin sehr ungeduldig. "Ja, das ist doch gut genug". Wir kommen vom Garage Punk und der ist Lo-Fi. Alle Fehler bleiben drin, das ist die Ästhetik, von der wir kommen. Ich bin für Fehler, wenn sie sich echter anfühlen. Ich mag Lo-Fi nicht besonders, aber ich mag die Fehler.

"Motörhead und Guns N' Roses haben uns großartig behandelt"

Eine Frage noch: Ihr seid mit Motörhead und Guns N’ Roses getourt. Gibt's da irgendwelche Anekdoten, an die du dich besonders gerne erinnerst?

Ich muss zuerst sagen: Sowohl Motörhead als auch G N'R haben uns großartig behandelt. Je größer die Band, desto netter die Leute. Vielleicht, weil sie sich nichts mehr beweisen müssen. Wenn du mit kleineren Bands spielst, geht es um Egos und Unsicherheiten. Wir wurden wie Gold behandelt von ihnen. Ich werde die gemeinsame Zeit nie vergessen. Und wenn es um Anekdoten geht: Mit Lemmy auf die Bühne zu gehen und "Killed By Death" zu singen – ich glaube ich habe das fünfzehn mal gemacht – das war großartig. Auch Axl hat mich ein paar mal auf die Bühne geholt, ich habe Backing Vocals zu "Patience" gesungen oder mal einen Vers von "Nightrain". Das vergesse ich nie. Ich wollte mit Axl und Sebastian Bach "Paradise City" singen, aber in letzter Minute kam was dazwischen. Aber ich hab immer noch "Nightrain" und "Patience".

Ich möchte aber noch etwas zu meiner Meinung zu Reviews sagen. Ich habe auch tolle gelesen und habe gerade heute eine gute retweetet. Wenn du eine Review schreibst, die uns nicht schmeichelt, ist mir das egal. Das kenne ich zur genüge. Solange man das mit Fachwissen tut. Wenn du ein Musikjournalist bist, brauchst du eben ein Wissen – wir müssen nicht immer übereinstimmen. Wir haben jetzt elf Alben aufgenommen mit einer Musik, die wie du sagst, nicht mehr sehr populär ist. Da gibt's viele Reviews, die dir eins raufscheißen. Negative Reviews, das ist okay. Aber wir reden hier über Jahre negativer Reviews.

Ich habe keineswegs gesagt, dass die Musik nicht populär ist - ich wollte einzig und allein auf dieses "den Rock retten"-Zitat eingehen.

Ja – und die Frage war ja auch völlig gerechtfertigt. Du musst einfach verstehen, warum ich keine Reviews lese. Wir haben Platten gemacht, die ich für toll hielt. Und aus irgendeinem Grund mochte der Journalist lieber Indie-Rock oder musste es ganz schnell schreiben – was auch immer der Grund für den Journalisten ist, es trifft unsere Band ganz direkt. Nach Jahren schlechter Reviews kannst du nicht zulassen, dass es dich beeinflusst. Deswegen freuen mich gute Kritiken zwar. Stell dir vor, du bist ein Hockey-Spieler. Jahre lang brüllen dir Leute zu: "Du bist mies, hör auf Hockey zu spielen". Dann schießt du ein Tor und alle jubeln dir zu. Als Sportler denkst du dir dann, "was auch immer". Deswegen bin ich eben nicht überschwänglich, wenn die Kritiken gut sind. Mich freut es aber ich sage nur da ganz zaghaft "danke". Du bist immer nur so gut, wie deine letzte Platte und deine letzte Show. Als Typ, der das Glas halbleer sieht, denke ich mir: Was passiert dann beim nächsten Album? Wir hatten nie einen Hit, nie eine goldene Schallplatte, haben nie einen Grammy bekommen, keine Preise. Unser Erfolg ist es, dass wir immer noch hier sind. Deswegen bin ich sehr vorsichtig. Eine schlechte Review kann uns verletzten. Wir sind nicht so groß, dass uns das egal ist. Eine schlechte Review schadet uns, egal wie klein der Blog oder das Magazin. Eine schlechte Rezension eines Beyoncé-Albums – was macht das schon? Aber wenn unser Album verrissen wird, bewirkt das, dass uns manche Leute vielleicht gar nicht erst anhören. Ich glaube, den Journalisten ist das nicht bewusst. Ich sage ja nicht, dass Journalisten gute Reviews schreiben sollen, nur um den Bands zu helfen. Das wäre auch schlecht. Aber ich höre diese Musik schon sehr lange, länger als viele Journalisten – seien wir mal ehrlich – und weiß mehr über Musik als viele Journalisten. Ich lese das dann und denke mir "Das ist nicht akkurat", "Das ist falsch", "Hier hättest du fünf bessere Bands als Vergleiche nennen müssen". Dieser Song klingt wie jener? Vielleicht, wenn das nicht die einzige Band wäre, die dir einfallen würde. Ach wie auch immer, es ist wie es ist. Ich kann die Leute nicht davon abbringen, Verrisse über uns zu schreiben. Vielleicht ist es wahr und auch das ist Publicity. Es ist einfach mein Album, ich möchte das nicht hören.

Schön und gut, ich denke aber, Musikkritiken können gar nicht objektiv sein.

Ja, da gebe ich dir absolut recht. Es geht darum, was der Journalist bringt, wie viel Musik er in seinem Leben gehört hat. Aber bei vielen merkt man, dass sie sich nicht auskennen. Als würde ich eine Kochshow rezensieren: Ich esse, aber ich weiß nicht, wie man das zubereitet und ob sie das richtig gekocht haben. Manchmal komme ich aber auch drauf, dass Kritiken recht gehabt haben. "Ja, du hast recht, das war gar nicht so gut". Das bestätigt dann die Ängste, die ich hatte. Und dann kann ich verstehen, dass es manchen nicht gefiel.

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