laut.de-Kritik

Der introvertierte Zwilling des extrovertierten Vorgängers.

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"Away From The World", das neue Album der Dave Matthews Band, klingt zunächst sehr eingängig, durchaus radiokompatibel, wobei jeder Song mit einem hohen technischen Anspruch versehen ist. Gute Beispiele hierfür sind die entrückten Strophen und der traumhafte Refrain von "Broken Things", die funkige Rocknummer "Belly Belly Nice" oder die an "Crash Into Me" erinnernde erste Single "Mercy". "Sweet" funktioniert vornehmlich mit Ukulele und Falsett-Gesang, eine intime und bis auf das Wesentliche reduzierte Liebeserklärung.

Highlight dieser ersten Hälfte stellt das Mini-Epos "Gaucho" dar, faszinierend gelingt hier das poetische Zusammenspiel zwischen Text und Musik. Die Zeilen "Please Wake Up" grundiert die Band mit doomigen Gitarren, um nach einem abrupten Break einer Soundcollage bestehend aus Herzschlag und Gitarren-Flimmern Platz zu machen, die wiederum in einen Kinderchor mündet, der die programmatischen Zeilen "We gotta do much more than believe, if we really wanna change the world" skandiert.

Die zweite Hälfte beginnend mit "The Riff" spiegelt die Konzertatmosphäre wider, die bei der der Dave Matthews Band so oft durchklingt. Versehen mit rudimentären Arrangements, legt die Band den Fokus auf Dynamik und driftet mehrmals in Jams sowie elegische Soundkaskaden ab. Eine folkige, minimalistische Grundstimmung prägt die meisten Songs.

Anklänge an traditionelle Spielarten wie Flamenco, die in melodische Klangpoesie münden, veredeln das zehnminütige "Drunken Soldier". Die diesem Song entlehnte Textzeile "Don't waste time try to be someone else", kann man auch als Quintessenz des Albums sehen.

Der Fokus liegt klar auf Matthews Gesang und dessen Lyrics, die in gewohnt dualistischer Manier gehalten sind ("Sometimes the road is crystal and sometimes i feel i can loosing my mind") sowie sämtliche Facetten der Liebe explorieren. Bei aller Banalität, die man den Lyrics attestieren könnte, hier singt die Stimme eines Barkeepers mit jahrelanger Erfahrung im Austausch mit gescheiterten Existenzen. Viel besser als die Stimme eines Theoretikers mit Ledersofa und Diplom an der Wand.

Live, ungebändigt, dem Hörer so nahe wie auf der neuen Platte klangen die Amis noch nie. Dem raumgreifenden Sound des Vorgängers unter der Regie von Rob Cavallo hat man weitestgehend abgeschworen. Gerade die Bläser klingen wesentlich direkter und trockener, ebenso Boyd Tinsleys Violine.

Unterm Strich bleibt ein sehr ruhiges, zurückhaltend produziertes Album, das die Energie von "Big Whiskey" vermissen lässt, dafür wesentlich dynamischer und jamlastiger klingt. Schon aufgrund der Ähnlichkeiten bei der Artwork-Gestaltung ergibt sich bei der neuen Platte so etwas wie der introvertierte Zwilling des extrovertierten Vorgängers.

Trackliste

  1. 1. Broken Things
  2. 2. Belly Belly Nice
  3. 3. Mercy
  4. 4. Gaucho
  5. 5. Sweet
  6. 6. The Riff
  7. 7. Belly Full
  8. 8. If Only
  9. 9. Rooftop
  10. 10. Snow Outside
  11. 11. Drunken Soldier

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