laut.de-Kritik

Momente, die über Bowie und diese Box hinausweisen.

Review von

Willkommen zur wöchentlichen Bowie-Veröffentlichung. Fast scheint es so, als würde er mittlerweile in einem Jahr mehr herausbringen, als je zu Lebzeiten. Heute im Angebot: "Divine Symmetry". Der Weg zu seinem vielleicht besten Album "Hunky Dory", und wie er sich dabei langsam zu dem Star entwickelte, den wir heute kennen. Der Untertitel "An Alternative Journey Through Hunky Dory" deutet dies offensiv an. Eine kleine Entdeckungsreise des Suchens, aus dem sich langsam fertige Songs und letztlich ein Album formt. All dies anhand vieler Demos und Live-Auftritte, mal in grausiger, mal in hörbarer Klangqualität.

Alben wie dieses aus Neugierde anzuhören, als eine Art Sezieren des Künstlers für ein besseres Verständnis, kann ich nachvollziehen. Aber gibt es wirklich Leute, die vor ihrer teuren Anlage genüsslich ein knarzendes "Bombers"-Demo anhören? Mehrfach? Dies möglicherweise noch als Lieblingsversion aussuchen? Schwer vorstellbar.

Solche Sammlungen scheinen ausschließlich für die größten Fans gemacht, doch auf "Divine Symmetry" gibt es durchaus einige spannende Dinge zu entdecken. Zum einen zeigt die Box sehr deutlich, wie unbekannt David Bowie – trotz "Space Oddity" - zu dem Zeitpunkt noch war. Seine ersten Alben waren Flops, und auch "Hunky Dory" fand erst im Nachhall von "The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders from Mars" einen verdienten Platz in der Musikgeschichte. Schüchtern stellt er sich und Mick Ronson in "Introduction" vor, erzählt drei Monate vor Release des Album vor einem überschaubaren Publikum, wie selten er doch auftritt.

Die erste CD gehört ganz den Demos. "Tired Of My Life" sticht schnell heraus. Ein Titel, der nicht mehr nach gebeutelter Teenagerseele klingen und der ebenso von Kurt Cobain stammen könnte. Was den eher unspektakulären und eher nach dem "David Bowie"- aka "Space Oddity"-Album klingenden Track jedoch ab dem Refrain spannend macht: Hier versteckt sich das erst knapp ein Jahrzehnt später auf das "Scary Monsters (And Super Creeps)"-Album aufgenommene "It's No Game" (wahlweise Pt. 1 oder Pt 2.). In diesem kurzen Moment zeigt sich, wie lange Ideen bei Musiker:innen generell – nicht nur bei Bowie – festsitzen können und Zeit zum Gedeihen brauchen. Ein Moment, der über Bowie und diese Box hinaus geht.

Bowie versucht sich mal mehr, mal weniger erfolgreich, an den unterschiedlichsten Stilen und Vorbildern. Eine Neuaufnahme von "Shadow Man" fand über "Toy" drei Jahrzehnte später im Umfeld von "Heathen" seinem Platz auf der "Slow Burn"-Single. In "Looking For A Friend" scheitert er stimmlich an einer Lou Reed-Imitation.

Mit Harmonika und nur an der Gitarre klingt "Song For Bob Dylan" viel mehr nach dem "strange young man called Dylan". Das bizarr fröhliche "Right On Mother" hätte wohl eher Platz auf Bowies erstem Album gefunden. Trotz miserabelster Qualität lässt sich aber die Größe von "Changes" und "Life On Mars?" bereits erkennen. Das von Jacques Brels stammende, herzbrecherisch melancholische "Amsterdam" lässt ihn während dieser Zeit nicht los. Ganze vier Mal findet es sich auf "Divine Symmetry".

Den Demos folgt ein gelungener Auftritt bei John Peel, mal in Mono, mal in Stereo. Dem Stereo-Teil fehlen die Songs "Bombers" und "Almost Grown". In der Vorstellung zu "Looking For A Friend" weist Peel auf Bowies kurzlebige Band Arnold Corns hin, die sich nach ihrer ersten Single "Moonage Daydream" bereits wieder in Staub bzw. die Spiders From Mars auflöste. Das Highlight stellt "Andy Warhol" dar, in dem Dana Gillespie die Vocals übernimmt. Netterweise erwähnt Peel vor "The Supermen" noch den komplett untergegangenen Longplayer "The Man Who Sold The World".

Die Auftritte bei "Sounds Of The 70s: Bob Harris" und dem bereits angesprochenen "Live Friars, Aylesbury, 25th September, 1971" zeigen "Hunky Dory" bereits weitestgehend ausdefiniert. Mal akustisch, mal in vollen Arrangements. Letzterer leider mit stark wechselnder Soundqualität. Bezeichnend, dass Bowie seinen Hit "Space Oddity" nach zwei Stücken so schnell wie möglich hinter sich bringen will. Auf der letzten CD stapeln sich einige Alternative Mixe und Single-Versionen, bei denen vor allem das mit einer Slide-Gitarre ausgestattete "Lightning Frightening (aka The Man)" heraus sticht. Das Original-Ende von "Life On Mars?" entpuppt sich hingegen als maximal verzichtbar, da es nur aus mehr Telefongeklingel und Gestolpere besteht.

Insgesamt bietet "Divine Symmetry" einen interessanten Blick auf die Arbeit an einem Longplayer, der nicht nur Bowie, sondern nahezu alle Künstler:innen widerspiegelt. Der Weg von den ersten groben Ideen zu dem fertigen Album, der alle verbindet. Nur dass bei David Bowie am Ende eben "Hunky Dory" stand. Ein Meilenstein, der in seiner Gesamtheit dieser Box am Ende sicherlich nicht geschadet hätte.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Tired Of My Life (Demo)
  2. 2. How Lucky You Are (aka Miss Peculiar) (Demo)
  3. 3. Shadow Man (Demo)
  4. 4. Looking For A Friend (Demo)
  5. 5. Waiting For The Man (San Francisco Hotel Recording)
  6. 6. Quicksand (San Francisco Hotel Recording)
  7. 7. King Of The City (Demo)
  8. 8. Song For Bob Dylan (Demo)
  9. 9. Right On Mother (Demo)
  10. 10. Quicksand (Demo)
  11. 11. Queen Bitch (Demo)
  12. 12. Kooks (Demo)
  13. 13. Amsterdam (Demo)
  14. 14. Life On Mars? (Demo)
  15. 15. Bonus Acetate Dubs: Changes (Demo)
  16. 16. Bombers (demo)

CD 2

  1. 1. Queen Bitch
  2. 2. Bombers
  3. 3. The Supermen
  4. 4. Looking For A Friend
  5. 5. Almost Grown
  6. 6. Kooks
  7. 7. Song For Bob Dylan
  8. 8. Andy Warhol
  9. 9. It Ain't Easy
  10. 10. Queen Bitch
  11. 11. The Supermen
  12. 12. Looking For A Friend
  13. 13. Kooks
  14. 14. Song For Bob Dylan
  15. 15. Andy Warhol
  16. 16. It Ain't Easy

CD 3

  1. 1. The Supermen
  2. 2. Oh! You Pretty Things
  3. 3. Eight Line Poem
  4. 4. Kooks
  5. 5. Fill Your Heart
  6. 6. Amsterdam
  7. 7. Andy Warhol
  8. 8. Introduction
  9. 9. Fill Your Heart
  10. 10. Buzz The Fuzz
  11. 11. Space Oddity
  12. 12. Amsterdam
  13. 13. The Supermen
  14. 14. Oh! You Pretty Things
  15. 15. Eight Line Poem
  16. 16. Changes
  17. 17. Song For Bob Dylan
  18. 18. Andy Warhol
  19. 19. Looking For A Friend
  20. 20. Round And Round
  21. 21. Waiting For The Man

CD 4

  1. 1. Oh! You Pretty Things
  2. 2. Eight Line Poem
  3. 3. Kooks
  4. 4. Queen Bitch
  5. 5. Quicksand
  6. 6. Bombers – Andy Warhol Intro.
  7. 7. Lightning Frightening (aka The Man)
  8. 8. Amsterdam (Early Mix)
  9. 9. Changes (Mono Single)
  10. 10. Andy Warhol (Full Length Mono Single)
  11. 11. Amsterdam (Single B-Side Mix)
  12. 12. Life On Mars? (2016 mix)
  13. 13. Changes (2021 Alternative Mix)
  14. 14. Life On Mars? (Original Ending Version)
  15. 15. Quicksand (2021 Mix – Early Version)
  16. 16. Fill Your Heart (2021 Alternative Mix)
  17. 17. Bombers (2021 Alternative Mix)
  18. 18. Song For Bob Dylan (2021 Alternative Mix)
  19. 19. The Bewlay Brothers (2021 Alternative Mix)

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