laut.de-Kritik
Retro-Magie im Schatten des Vesuv.
Review von Alex KlugJetzt mal ehrlich: Floyd-Fans sollten einfach dankbar sein. Auch 23 Jahre nach der letzten Tournee sind die beiden Streithähne David Gilmour und Roger Waters jeweils mit megalomanischen Arenaproduktionen on the road – zahlreiche aufgeführte Pink Floyd-Hits inklusive. Die funktionieren schließlich immer noch am besten, wie auch der bodenständigere Kollege Gilmour angesichts Waters' kommerziell äußerst erfolgreicher "The Wall"-Tour gemerkt haben dürfte.
Für seine Rückkehr ins Amphitheater von Pompeji hat der 71-Jährige seinen Anteil an Siebziger-Stücken entsprechend hochgeschraubt. Mit dem pulsierenden Bassmassaker "One Of These Days" schafft es immerhin noch ein Track aus dem gemeinschaftlichen Konzertfilm "Live At Pompeii" von 1972 ins Set. Statt der einstigen Kapazität von 20.000 Zuschauern im Jahr 79 n. Chr. fanden im Rahmen des Doppelkonzerts allerdings nur noch je 3000 Menschen ein Plätzchen im Inneren der Arena. Der festlich-intimen Stimmung im Schatten des Vesuv kommt das nur zugute.
Angesichts der schon im BluRay-Vorspann eingebläuten nostalgischen Grundstimmung rumpelt der Police-artige Titeltrack seines aktuellen Albums "Rattle That Lock" dann aber erst einmal ungewohnt stimmungslastig von der Bühne. Relativ fix wird das neue Material abgehandelt. Wo das zweitjüngste "On An Island" seinerzeit noch die gesamte erste Hälfte der Konzerte ausmachte, genügen Gilmour inzwischen fünf Songs plus Intro.
Irgendwie naheliegend, schlug "On An Island" doch wesentlich deutlicher in die sanftwiegend-relaxte Floyd-Kerbe. Das gelingt inzwischen bloß noch dem stärksten Albumtrack "In Any Tongue", dessen Refrain The Voice And Guitar Of Pink Floyd dann aber überraschend an seine Backgroundsänger abtritt. Niemand weiß warum, hat aber durchaus was. Genauso wie Gilmours Stimme, die im Alter einem angenehmen Reibeisenierungsprozess ausgesetzt scheint, und so sogar das eigentlich gefährlich zum Schunkeln einladende "Faces Of Stone" ins Trockene rettet.
Von Seiten des Backingtrios ein wenig zu prätentiös-überladen gerät dann allerdings das dem verstorbenen Rick Wright gedenkende "The Great Gig In The Sky", das nichtsdestoweniger eine der größeren Überraschungen der Setlist ausmacht. An der hat sich nämlich seit besagter 94er "Division Bell"-Tour nicht allzu viel geändert. Schmerzlich wiegt lediglich der Verzicht auf das auf "Live In Gdansk" klar herausstechende Gilmour-Wright-Doppel "Echoes". Entsprechend hoch ist dafür dann aber der Anteil der einfach gestrickten, weil im Grunde lediglich als Backingtrack fürs Gilmours bluesige Killersoli dienenden Stücke – mögen sie nun aus dem früheren Solorepertoire ("The Blue") oder aber aus späten, Waters-losen Floyd-Tagen ("What Do You Want From Me", "Sorrow", "Coming Back To Life") stammen.
Die Frage nach dem wirklichen Unterschied zwischen den jeweiligen Best-Of-Sets der beiden Floyd-Masterminds ist dabei im Grunde schnell beantwortet. Wer sich an aufwendigen Shows, gnadenloser Theatralik und geradlinigem Storytelling ergötzt (und dafür auch schon mal Gesang vom Band in Kauf nimmt) ist bei Onkel Roger bestens aufgehoben.
Wer hingegen Wert auf die reine Magie der Musik legt und nicht gänzlich auf die alten Tage eingeschossen ist, investiert sein Geld wohl besser in ein Gilmour-Konzert – oder zumindest in dieses Live-Release. Denn abgesehen von einer knappen Widmung für den im Himmel weilenden Richard Wright (die Barrett-Trauerphase scheint vorerst abgeschlossen) hält sich Gilmour mit Ansagen gewohnt vornehm zurück – und lässt vielmehr die Saiten sprechen.
Eine Einstellung, die man im Alter zunehmend gutheißen kann. Denn mit seiner bis auf zwei Ausnahmen rundum neu zusammengestellten Band lässt der Maestro die Musik mittlerweile gänzlich um seine Sechssaitige zirkulieren – und das völlig zu Recht, nimmt das zweieinhalbstündige Konzert doch zu keiner Sekunde Bonamassa'sche Ausmaße bedingungsloser Selbstzelebrierung an.
Mag "Live in Pompeii" auch mit "Pulse" um den Status als beste Liveplatte konkurrieren, so gehört doch zumindest die Überladenheit jener Tage der Vergangenheit an. So ist der einst dauerpräsente Percussionist Gary Wallis glücklicherweise auf dem Müllhaufen der Geschichte (heißt: in der Live-Band von Helene Fischer) gelandet – weshalb Gilmour die entstandenen Leerräume inzwischen wieder in luftigeren Arrangements verarbeiten kann.
Den größten Zauber entlockt Gilmour hier aber auch mehr denn je seiner Lap Steel Guitar, die unter anderem in "The Great Gig In The Sky", "One Of These Days" und dem graziösen "High Hopes" aufheult. Und wenn dann zu "Run Like Hell" auch noch erstmals seit knapp 2000 Jahren die Leuchtfeuer des Spektakulums aufflammen und im Feuerwerk 50 Jahre Musikgeschichte an einem vorbeiziehen, dann hinterlässt einen dieses beachtliche Livedokument irgendwie, nun ja, irgendwie comfortably numb.
Noch keine Kommentare