laut.de-Kritik

Ob Bowie oder Udo Jürgens: The Hoff macht vor keinem Halt.

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Nach sieben Jahren Album-Pause liefert David Hasselhoff alias The Hoff mit "Open Your Eyes" eine Cover-Platte, und das auch noch anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls ... da genügt schon ein Blick auf die Tracklist, um zu ahnen, dass der 67-Jährige vor nichts und niemanden Halt macht. Die Originale stammen von so unterschiedlichen Bands und Musikern wie David Bowie, Udo Jürgens oder gar The Jesus And Mary Chain.

Doch nicht nur, was die Songauswahl angeht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch die Gästeliste fördert so einige Überraschungen zutage. Neben Ministrys Al Jourgensen nahm der Kalifornier unter anderem die Dienste von James Williamson, ehemals The Stooges, Elliot Easton von The Cars, deren Sänger Ric Ocasek kürzlich verstorben ist, oder der wieder aktiven Band A Flock Of Seagulls in Anspruch.

Alleine mit dem Titelstück lässt Hasselhoff sämtliche negativen Erwartungen hinter sich. Ursprünglich handelte es sich nämlich um eine Nummer von The Lords Of The New Church, einer längst in Vergessenheit geratenen Post-Punk- und Gothic Rock-Band aus den Achtzigern, die zum Teil aus Mitgliedern von The Damned und den Dead Boys bestand. Jedenfalls hinterlässt er mit seinem tiefen Bariton, der sich im Refrain in kraftvolle Höhen schwingt, um die politische Botschaft zu unterstreichen, einen mehr als passablen Eindruck.

Dazu lassen die knackigen Saiten-Töne von James Williamson ziemlich aufhorchen, und mit den funkelnden Synthies im White Lies-Stil fällt diese Version gegenüber dem Original noch ein wenig opulenter und wuchtiger aus. Somit kann man sich auf The Hoff immer noch verlassen, wann immer es auf der Welt Anlass zur Sorge gibt.

So explosiv erweist sich die Neueinspielung von The Jesus And Mary Chains "Head On" von ihrer 1989er-Shoegaze meets Hardrock-Perle "Automatic" nicht ganz. Hasselhoff orientiert sich gesanglich zu sehr an der Vorlage, ohne die Coolness der Gebrüder Reid ansatzweise zu erreichen. Kurzweilig gerät das Cover dennoch, dank der kernigen Riffs von Elliot Easton kommt maskulines Lederjacken- und Motorenöl-Feeling nicht zu kurz.

Ansonsten versucht der beinahe zwei Meter große Lockenschopf, möglichst viele Hörerschichten abzuholen. Zwischen New Wave, Hardrock, Country, Jazz und Industrial stellt er sich für seine Verhältnisse erstaunlich breit auf. Sicherlich darf da auch eine Schippe Trash und Selbstironie nicht fehlen. Wo The Hoff draufsteht, ist schließlich auch The Hoff drin. Dabei mangelt es nicht an unfreiwilliger Komik, nachzuhören in der Neueinspielung von "Heroes".

Hasselhoffs Stimme wurde dort so sehr mit Effekten überladen, dass sie eher wie ein ferngesteuerter Roboter anmutet, statt an die emotionale Klangfarbe Bowies heranzureichen. Unterlegt mit hüftsteifen Rhythmen, lässt es sich der Kalifornier nicht nehmen, zusätzlich noch Zeilen auf Deutsch einzustreuen. Schließlich müssen die Fans in der BRD und der ehemaligen DDR ja bedient werden. In dieser Sprache versucht Hasselhoff jedenfalls zum Schluss, Tonhöhen zu erklimmen, für die sich sein Bariton einfach nicht eignet. So fährt er die Nummer gnadenlos an die Wand. Mauern bringt er mit dieser Version also sicherlich nicht zum Einstürzen, für leichtes Schmunzeln sorgt sie dennoch.

Weitaus besser gelingt die Neuinterpretation von Udo Jürgens' "Mit 66 Jahren". The Hoff singt das Stück hauptsächlich auf Englisch, streut aber hier und da zu leichtfüßiger Klavier-Begleitung von Patrick Moraz (Ex-Yes) ein paar locker aus der Hüfte geschüttelte deutschsprachige Zeilen ein. Dazu lässt es sich hervorragend mitsingen und mitschnippen, sofern man, wie auch der Interpret, über allzu enge Grenzen des guten Geschmacks hinwegsieht.

Geschmack beweist er dafür an anderer Stelle. "I Melt With You" von den oftmals zu Unrecht übersehenen Post Punk-Pionieren Modern English verwandelt er mit Billy Idol-Gitarrist Steve Stevens zu einer kühlen, treibenden Rock-Hymne. Noch großartiger die Version von Echo And The Bunnymens "Lips Like Sugar", für die er sich A Flock Of Seagulls ins Boot holte.

Die New Wave-Synthies, das melodisch ausgeklügelte Gitarren-Spiel, die melancholische Klangfarbe in seiner Stimme und die dezenten weiblichen Gesänge klingen, als habe es den Mauerfall im Grunde genommen einfach nie gegeben. Gerade deswegen fehlt es dem Cover zu keiner Sekunde an Authentizität, was den Sound anbelangt. Glaubwürdig wirkt Hasselhoff so oder so, aber normalerweise auf eine andere Art und Weise, die nur bedingungslose Verehrung oder ratloses Kopfschütteln zulässt.

Dementsprechend treibt einem seine Version von Neil Diamonds "Sweet Caroline", für die er Al Jourgensen von Ministry gewann, der sie zudem mixte, die Schamesröte ins Gesicht. Billigste elektronische Beats, überholte und saftlose Industrial-Rock-Riffs von der Restrampe im Refrain und sein verfremdeter Gesang, der wie ein Fremdkörper anmutet, gleichen eher einem akustischen Äquivalent zu "Sharknado" denn einem tosenden Wirbelsturm. Von der Kombination hatte man sich auf jeden Fall mehr Durchschlagskraft erhofft. Auch das Cover von "Sugar Sugar", im Original von The Archies, hätte es nicht gebraucht. Aus einem abgestandenen Oldie entsteht nun einmal kein Rohdiamant mehr.

Dafür brilliert The Hoff in "If You Could Read My Mind" gemeinsam im Duett mit Ava Cherry, der Ex-Freundin David Bowies. Die beiden singen den Softrock-Klassiker Gordon Lightfoots mit sehr viel Gefühl, doch ohne in Pathos zu verfallen. Ebenfalls gibt Hasselhoff im swingenden "That's Life", ursprünglich von Frank Sinatra, alles andere als eine schlechte Figur ab. Mit seiner eleganten Stimmführung offenbart er jedenfalls schon so etwas wie Crooner-Qualitäten. Dazu veredeln das Stück jazziges Piano und schmissige Bläsersätze und Chöre.

Ein würdiges Ende für ein Album, auf dem sich der David Hasselhoff von seiner äußerst lebhaften und vielseitigen Seite zeigt. Wenn man von ein paar Nichtigkeiten fürs Altenheim und Momenten, die zu sehr übers Ziel hinausschießen, absieht, stellen sich seine Coverversionen bekannter und weniger bekannter Songs aus den unterschiedlichsten Genres als sehr unterhaltsam und überraschend unpeinlich heraus. Den qualitativen Höhepunkt in seiner langen Musiker-Karriere bildet das Werk daher locker. Wenn das kein Anlass für eine neue Hasselhoff-Mania ist ...

Trackliste

  1. 1. Open Your Eyes
  2. 2. Head On
  3. 3. I Melt With You
  4. 4. Lips Like Sugar
  5. 5. Heroes
  6. 6. Here I Go Again
  7. 7. Jump in My Car
  8. 8. Rhinestone Cowboy
  9. 9. If You Could Read My Mind
  10. 10. Sugar Sugar
  11. 11. Mit 66 Jahren
  12. 12. Sweet Caroline
  13. 13. That's Life

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Wer kennt ihn nicht, den blauäugigen, beinahe zwei Meter großen Lockenschopf, wie er mit schwarzer Lederjacke bekleidet in seinem sprechenden Auto auf …

13 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Ich mochte Knight Rider und ich mag David Hasselhoff für seinen Unterhaltungsbeitrag. Aber dieses Album zeigt dem Sänger im Schauspieler seine Grenzen auf. Es gab mal Zeiten, da wurden einem vor dem Karstadt von fliegenden Händlern Kassetten mit den aktuellen Hits angeboten. Zuhause merkte man dann, dass alle Hits schlecht produziert und von unbekannten, mäßig begabten Sängern nachgeträllert wurden. Und selbst das war deutlich wertiger, als dieses Album. "Here I go again" als Krächzen zu bezeichnen, wäre noch geschmeichelt. Und bei "Heroes" kann man sich nur fremdschämen. Und ja, Songs wie "That's life" sind noch verhältnismäßig gut. Nachvollziehen kann ich die redaktionelle Wertung dennoch nicht. Gab es hier doch ebenso viele Punkte wie z.B. für das phänomenale Album "Stadtaffe" von Peter Fox oder das Album "Come away with me" von Norah Jones, das für viele Hörer Musikgeschichte geschrieben hat. Deezer zeigt hier deutlicher das gebotene Niveau an, indem automatisch nach dem letzten Song Mickie Krause gespielt wird.

  • Vor 4 Jahren

    Das Album klingt unbeholfen und die Instrumentierung z. B. bei Head on wie 'n Klingelton von Jamba.
    Aber mir macht das Hören riesigen Spaß und irgendwie glücklich.
    Weil ich das Gefühl habe, dass The Hoff die Songs wirklich mag und sich richtig ins Zeug gelegt hat.
    Mich würde aber mal interessieren, wer ihm diese Songs vorgeschlagen hat. Genialer Schachzug.

  • Vor 4 Jahren

    4 Sterne für The Hoff, nicht zu fassen, kann man eigentlich nur durch ne Überdosierung Xtasy erklären, die man vor dem Hören genossen hat.