laut.de-Kritik

Wie ein seichtes Bächlein fließen die fluffigen Rhythmen.

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Trotz des Erfolgs in Charts und Medien, trotz einem Dutzend Alben in einem knappen Vierteljahrhundert voll geschmeidiger Bleeps und Clonks: So richtig hat es bei De/Vision zur Wahrnehmung als eigenständige Ikone nie gereicht. Ob das mit Langrille Nummer 13 anders wird? Eher nicht. "Rockets & Swords" ist eine perfekt produzierte Harmlosigkeit. Unbeleckt von Ecken, Kanten und Identität.

Der routinierte Mantel, den Steffen Keth und Thomas Adam ihren zehn neuen Tracks umhängen, ist handwerklich wie immer über jeden Zweifel erhaben. Wie ein seichtes Bächlein fließen die fluffigen Rhythmen. Eingebettet in ewiges Depeche Mode-Epigonentum (vergleiche nur: "Brotherhood Of Man"; "Binary Soldier") der Marke Camouflage oder ähnlich ewiger Zweitliga-Mitbewerber im Genre, die schon vor zwanzig Jahren gelangweilt haben - ein lahmer Tribute-Witz wird durch stetige Wiederholung selten besser. Gähnalarm galore.

Diese Elektropop-Fahrstuhl-Mucke für Seniorendiskos mit Herzkasperpublikum ist so spannend wie Butterkuchen zur Beerdigung. Das ist sehr schade. Denn die sympathischen Veteranen haben es eigentlich drauf, mitreißende Songs zu verfassen, bei denen einem die Kinnlade runterklappt. Wer sich noch an extrem hypnotische Weltklassetracks der Marke "Heart Shaped Tumor" oder "Lonely Day" erinnert, weiß, was ich meine. Die Intensität solcher Einzelstücke erreicht das vorliegende Werk leider keine Sekunde lang.

Das zündende Element hochklassiger Melodien hätten personifizierte Schlaftabletten wie "Stargazer" vielleicht gerettet. Aber Fehlanzeige. Es bleibt nichts Relevantes im Ohr des Lauschers. Auch nicht nach mehreren Durchgängen. Das atmosphärisch gemeinte "Want To Believe" beispielsweise kommt ohne jede Dramaturgie oder Höhepunkt aus und versickert im Niemandsland zwischen netten Streichern und sedierendem Geplucker. Wer einen niedrigen Blutdruck hat, muss aufpassen, nicht ins Wachkoma zu fallen.

Der gute Thomas Adam verkauft seine eigentlich herausragende Charakterstimme einmal mehr an die typische Dave Gahan-Koloratur. Das ist überflüssig. In seinen guten Momenten zeigt er noch immer, dass er mehr zu bieten hätte als der ewig bedeutungsschwangere Pathoskönig Peter Heppner, der Xavier des Darkwave. Warum nur besinnt so ein im Grunde begnadet emotionaler Sänger sich nicht der eigenen offensichtlichen Möglichkeiten und Stärken? Die freiwillige babylonische Gefangenschaft auf dem Szeneplaneten hat Adam einmal auf der grandiosen Unplugged-Scheibe verlassen. Leider nie wieder.

Fairerweise muss man den Routiniers zu Gute halten, dass ihre noble Langeweile noch immer um Welten angenehmer klingt als die meisten Platten aus dieser Richtung. Beinharte Fans und Freunde chilligen Nebenbeihörens dürfen gern zugreifen. Alle anderen warten mit mir auch nach 25 Jahren weiter auf den platzenden Knoten.

Trackliste

  1. 1. Boy Toy
  2. 2. Superhuman
  3. 3. Beauty Of Decay
  4. 4. Brotherhood Of Man
  5. 5. Stargazer
  6. 6. Binary Soldier
  7. 7. Want To Believe
  8. 8. Bipolar
  9. 9. Mystified
  10. 10. Running All Night

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22 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Tja, immerhin fahren sie seit vielen Jahren ganz gut mit ihrer Taktik, warum sollten sie die ändern? Kaufen würds ja doch keiner wenn man ehrlich ist und im Endeffekt muss man ja davon leben. Aber vlt. sollten sie mal ein Duett mit Heppner machen, das käm sicher gut an.

  • Vor 11 Jahren

    @uselessDM (« Tja, immerhin fahren sie seit vielen Jahren ganz gut mit ihrer Taktik, warum sollten sie die ändern? Kaufen würds ja doch keiner wenn man ehrlich ist und im Endeffekt muss man ja davon leben. Aber vlt. sollten sie mal ein Duett mit Heppner machen, das käm sicher gut an. »):

    Oder ein Duett mit Unheilig und Peter Heppner. Oder gleich Xavier Naidoo und Cassandra Steen.