laut.de-Kritik

Monologe über Handjobs und Analverkehr?

Review von

Nicht übermäßig viel Zeit ist seit dem letzten Album der Deftones vergangen, und doch musste man sich Gedanken machen um die Zukunft der Band. Interne Unzufriedenheiten aufgrund des Team-Sleep-Ausflugs von Sänger Chino Moreno, Unklarheiten über seine Gesundheit und der mäßige künstlerische wie kommerzielle Erfolg der selbstbetitelten Platte von 2003 ließen Fans wie Kritiker im Dunkeln tappen.

Die fünf Kalifornier verbarrikadierten sich derweil mit Bob Ezrin (Alice Cooper, Peter Gabriel, Pink Floyd, Kiss) in Studios in Connecticut und Cali, um "Saturday Night Wrist" einzuspielen. Was dabei herauskam, straft alle Unkenrufer Lügen. Die Deftones sind zurück, und wenn sie auch nicht an die Monstrosität von "White Pony" oder die Durchschlagskraft von "Adrenaline" oder "Around The Fur" heranreicht, so kann die Platte durchaus als gelungenes Werk angesehen werden.

Schon die Vorabsingle "Hole In The Earth", gleichzeitig der Opener des fünften Studioalbums, beweist, dass die Deftones weitestgehend zu alter Stärke zurückgefunden haben. Dicke Gitarrenstahlwände bauen sich um des Hörers Ohren auf. Chino ergründet die Abgründe der menschlichen Seele: "Can you explain to me how you're so evil, how?" fragt er rhetorisch in die Runde, und stellt dann wenig charmant fest: "I hate all of my friends". Und dann ist die Band nicht mehr aufzuhalten. Mit "Rapture" bricht ein wüster Sturm los, dass es den Fans die Tränen in die Augenwinkel treibt.

Moreno verausgabt sich wie zu seinen besten Zeiten, er schreit, kreischt und gargelt, als wolle er Mike Patton den Rang als Kehlenquäler ablaufen. Der mehrspurig abgespielte Gesang des dicken Bühnenwirbels erzeugt auf "Beware" eine beklemmende Atmosphäre. Gitarren und Drums treiben schwerfällig und fast erdrückend den Song vorwärts. Die Deftones beherrschen es immer noch wie kaum eine zweite Band, Klangwelten zu entwerfen, die den Hörer ins Dunkel, in die Ungewissheit führen.

Auf dem für ihre Verhältnisse gut nach vorne gehende "Mein" wird Moreno, der hier wohl einen der eingängigsten Refrains auf dem ganzen Album singt, von niemand geringeren als System Of A Down-Frontmann Serj Tankian unterstützt. Eine gute Kombination, sein getragener Gesang ergänzt sich prima mit der eindringlichen Stimme des Bandfronters. Musikalisch passt es sowieso. Das abwegig betitelte Instrumental "U, U, D, D, L, R, L, R, A, B, Select, Start" wirkt auf der Hälfte der Platte wie eine willkommene, aber nicht grundsätzlich angenehme Verschnaufpause, nachdem es mit dem bedächtigen "Xerces" weiter geht.

Spätestens bei "Rats!Rats!Rats!" holen die Deftones wieder den Knüppel raus, fiese Strophen wechseln sich mit schön gesungenen Hooklines ab. "Pink Cellphone" bildet den Höhepunkt der audiblen Freakshow. Hier begleitet Giant-Drag-Sängerin Annie Hardy die Band. Zu stumpfen Elektrobeats rezitiert sie endlos scheinende Monologe über Glauben und die "eine Macht". Interessanterweise fehlt hier ein Teil, der noch auf den unfertigen Promoexemplaren enthalten war, in dem sie über Handjobs und Analverkehr spricht. Ob das der Plattenfirma ein wenig zu hart war?

"Combat" lässt verzerrte Funkerstimmen über die Gitarren sprechen, Moreno krakehlt kaum verständlich, auf welcher Seite man jetzt stünde. Mit "Kimdracula" und "Rivière" stehen zwei typische, kraftstrotzende Deftones-Nummern am Ende, letzteres eher leisetretend. Und auf einmal ist es vorbei. "Rivière" klingt ruhig aus, der Hörer befindet sich allein in der Stille. Was bleibt? Die Erkenntnis, dass es die Fünf immer noch drauf haben, großes Rock-Kino zu spielen. Man darf auf die Livedarbietung der neuen Songs gespannt sein.

Trackliste

  1. 1. Hole In The Earth
  2. 2. Rapture
  3. 3. Beware
  4. 4. Cherry Waves
  5. 5. Mein
  6. 6. U, U, D, D, L, R, L, R, A, B, Selct, Start
  7. 7. Xerces
  8. 8. Rats! Rats! Rats!
  9. 9. Pink Cellphone
  10. 10. Combat
  11. 11. Earth
  12. 12. Riviere

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Deftones – Saturday Night Wrist €14,13 €3,00 €17,13

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Deftones

Viele Menschen erleben Mitte der 90er Jahre ein Hochgefühl beim Entdecken der jungen amerikanischen und artikellosen Band Deftones. Die Gruppe besteht …

186 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    @himself (« oke:

    nach mittlerweile 2 wochen dauerhören steht fest - bestes deftones album. nach white pony allerdings. :smoke:

    xerces alter!! combat! BEWARE! :cry: »):

    Alta, alta, in meine Arme. :kiss:
    Das wollte ich hören. :) Und White Pony ist höchstens in einer gewissen psychischen Verfassung meiner selbst genau so gut wie Saturday Night Wrist. Combat, ja? Bitte, wie geil ist dieser Song? Hole in the earth, noch so ein Dampfer. Ich habe das Album jetzt 3 Monate und höre es immer und immer wieder.

    Genug jetzt.

  • Vor 15 Jahren

    Also ich finde nicht das man saturday night wrist mit den anderen alben vergleichen kann.......es mag schon sein das es nicht so hart und nicht so genial ist, aber es gab noch kein deftones album dass solche klangwelten erzeugt hat, oder sich so sehr mit dem triphop spielte. Ich brauchte zwar einige zeit um das herauszufinden aber jetzt bin ich mehr als zufrieden mit den deftones, ich hoffe das nächste album kann mithalten

  • Vor 15 Jahren

    für mich ists das allerallerbeste deftones scheiblein.
    noch vor white pony mit change, passenger, feliciteira etc pp

    weil's einfach so verdammt drängend ist. da bleibt kein auge trocken.