laut.de-Kritik
Dunkle Rap-Diamanten von Miamis Hamlet.
Review von Kay SchierDenzel Curry in Clownsmaske schwebt, an einen Strauß schwarze Ballons gebunden, hoch zur Zimmerdecke und singt: "Welcome to the darker side of taboo / all I've got is permanent scars and tattoos". Von oben herab spricht er im Auftaktsong "Taboo | Ta13oo" zu Lady Borderline: "You loving me is forbidden / loving you back is a crime / I wrote this poem for you / forever remain in my rhymes". So beginnt der "Light" betitelte erste Teil des Dreiakters namens Ta13oo. Fröhlicher wird's also nicht.
Dreiakter, das klingt nach Konzept, das klingt wiederum wichtig, wichtig, nach Alben, deren Stellenwert (geschweige denn deren Konzept) ich nie so ganz begriffen habe. Und natürlich auch nach Gegenbeispielen. Definitiv demonstriert es in Denzel Currys Fall den gewachsenen Anspruch eines Künstlers, der mit 23 schon seit acht Jahren rappt und die USA-weit dominierende Szene in Florida bereits entscheidend mitprägte, dem sein eigenes Imperium unter Palmen nicht mehr genug ist.
Weniger in den Texten, als viel mehr auf der instrumentalen Ebene ist die Dreiteilung des Albums erkennbar: Vor allem "Black Balloons | 13lack 13alloonz feat. Twelve'len & Goldlink" und "Cash Maniac | Cazh Man1ac feat. Nyyjerya" gehen, verglichen damit, was der Mann sonst so macht, als sonnig durch. Ersterer mit einem Beat ausgestattet, den man spontan mit Goldlink assoziieren würde, wenn Goldlink nicht sowieso einen Part übernähme. Ganz locker flockig rappt Denzel über all die tiefschwarzen Ballons, die in seinem Geist umherschwirren, Missbrauch, Selbstzweifel, Paranoia. Wenn dann aber der Beat von "Sumo | Zumo" losmarschiert wie einst "Shabba" und Denzel zum ersten Mal richtig austickt, obwohl der Track offiziell noch zur "Light"-Side gehört, ist Schluss mit leichter Kost.
Betrachtet man die einzelnen Akte jeweils als EP, also so, wie sie an drei aufeinander folgenden Tagen auch erschienen sind, funktioniert "Grey" am besten. "Switch It Up |Zwitch 1t Up" ist ein ganz grimmiger Brecher von einem Track. Der Beat geht hoch wie eine Bombe in Zeitlupe, Denzel Curry mit dem Schädel des Wackrappers in der Hand zitiert Hamlet und demonstriert dann, dass er nicht einfach bloß in einer anderen Liga rappt als Neun von Zehn seiner Zeitgenossen; vergleicht man ihn etwa mit einem Tekashi 6ix9ine ist das schlichtweg ein anderer Sport. Natürlich hat beides seine Daseinsberechtigung, der Champions-League-Fußball genauso wie Curling mit gleichzeitiger Wrestling-Einlage. Wenn Curry die shakespearsche Frage "Range / this order blame/ this for the pain / in Florida / Bipolar vibe over time slower I'm sober now sorta see / What is going on with me?" mittels eines Flows in den Raum stellt, der hoffentlich in 500 Jahren noch auf Bühnen rezitiert wird, fällt die Entscheidung aber nicht schwer.
Der zweite große Abreißer des Albums ist "Clout Cobain | Clout Co13a1n". Ein Requiem für die Opfer einer Industrie samt Gesellschaft, die den Skandal braucht, um zu funktionieren, das lukrative Tier im Käfig, auf dass sich vom Smartphone aus zeigen lässt, den schwarzen, drogensüchtigen Rapper, dessen Videos man wohlig erschauernd konsumiert. Hier zeigt Denzel auch, dass er das Technikmassaker, was er so gern, aber nie ausschließlich als Selbstzweck veranstaltet, gar nicht braucht, damit seine Musik funktioniert. Melodiöser Sprechgesang auf einem melancholischen Beat mit einem Bassdrop für die Götter richtet es auch.
Was dann folgt ist "Dark". Mit "feel like a horror movie / why my brother callin' to me" sind wir wieder bei tiefster Düsternis nach Shakespeare und dem Geist seines Bruders, im Jahr 2014 von der Polizei mit Elektroschockern getötet. Die Titel 10-13 sind Wutklumpen von Wortkotze, von Denzel Currys Rapfertigkeiten zu dunklen Diamanten geschliffen. Eigentlich ist er gar kein Rapper, sondern "Black Metal Terrorist".
"TA13OO" ist ein Album, das Gedanken mit ausgefahrenem Ellbogen provoziert. Im Moshpit auf die Fresse bekommen und drüber nachdenken, sich fragen, ob man wirklich high sein muss, um das alles zu genießen. Denzel Curry hat, wenn er will, die Melodie und den Soul genau so wie das auf's Game gezielte Flakfeuer seiner Worte zu monströsen, knochenzermahlenden Düsterbeats. Das alles aus einem verspulten Kindskopf mit einer großen Liebe zu Dragon Ball genau so wie zu den Power Puff Girls. Und darauf sitzt immer noch eine ziemlich coole Frisur. Kein Album, das das Zeug zum ultimativen Klassiker hat, dazu stehen die einzelnen Teile dann doch etwas zu lose nebeneinander. Aber wieso sollte man nicht trotzdem einfach mal die Höchstwertung geben?
6 Kommentare mit 5 Antworten
Diese Leetspeak-Titel sind hart peinlich, das weißt du hoffentlich, Denzel?
Denzel Curry ist doch ein AAN. Da geht das schon klar.
ich hab bei denzel ja oft das gefühl, dass ihm wegen der tatsache, dass er son erz-sympathischer typ ist ne ganze menge ziemlich peinlicher edge verziehen wird, für die man nem hopsin oder nem russ zurecht an die kehle springen würde. Album ist schon klasse tho. Review auch sehr schön, verstehe, warum man da ne Höchstwertung vergibt.
Its all about the delivery. Denzel ist halt weitaus charismathischer und künstlerisch fähiger als der in der Pubertät hängengebliebene Hopsin.
Zum Album: Ganz gross. Sehe aber ehrlich in dem Album mehr Klassikerpotential als der sehr gut aufgelegte Rezensent. Klar, das Konzept bleibt vage, aber dafür sind die Songs an sich viel zu gut. Die Message steckt mehr im Vibe. Lyrisch ist Denzel trotz paar erzwungenen Lines in Peakform und flowtechnisch ist er sowieso der MVP im Traprapbereich. Wer diesen New School Rap nicht mag, sollte Denzel auschecken. Er kann rappen, ist lyrisch und hat ein fantastisches Ohr für Beats. Also alles Sachen, die der gemeine Staubkopf auch schätzt. Denzel ist musikalisch ein Kind seiner Zeit, legt aber trotzdem wert auf die Fundamentals. Dass er das Album für heutige Verhältnisse kurz hält, zeigt dass er Qualität und künstlerische Integretität vor Quantität und Moneten stellt.
Da wir uns nicht mehr in der Boom Bap Ära befinden, müssen Old heads damit leben, dass zukünftige Klassiker dieser Ära nen Trapsound haben. Hip Hop ist eine Jugendkultur und die Jugend hört trap. Qualitätsmässig erfüllt Taboo alle Kriterien für einen Klassiker. Mal sehen, ob es auch impact haben wird.
Klares Rap AOTY.
Okay, wird gecheckt.
Also, Hopsin sei mal geschenkt, aber Russ ist halt einfach nur ein unsympathischer Hurensohn.
Dafuq, ist das Album echt auf 3 CDs? Bei Spotify zumindest so aufgeteilt, jeweils mit ner Handvoll Tracks. Voll avantgarde und so, lol!
Aber die ersten beiden Tracks mag ich schon mal. Der zweite hat ja sogar nen Boom Bap-Beat ♥
Ich hoffe, er ist unkommerziell genug, um kein Autotune zu benutzen
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Überragendes Album, von einem der sehr vieles richtig macht!
4 -5 Sterne gehen klar!
SUMO/ZUMO absolutes Trap Monster, was seinesgleichen sucht.