laut.de-Kritik
Treibender Waverock-Spagat zwischen Retro und Moderne.
Review von Ulf KubankeDie junge Berliner Band Din (A) Tod ist mit ihrem Elektro Waverock bereits seit dem Erstling von 2007 gern gespielter Gast in den Tanztempeln der Gothszene. Dies dürfte sich mit dem aktuellen Silberling "Westwerk" sicherlich noch verstärken. Das Westwerk selbst ist begrifflich ein selbständiges Bauteil einer Kirche mit zumeist drei Türmen.
Ebenso tragen drei Säulen die Musik der Hauptstädter. Da gibt es zum einen die Vorliebe für pure Wavemusik der traditionell analogen Art. Zum anderen die Fähigkeit, eigenständige Songs zu schreiben, die schnell ins Blut fahren. Und zum letzten den charakteristischen Gesang von Sven Claussen und Claudia Fasold.
Treibende Synthiesounds und zurückhaltende Sägegitarren eröffnen das Album mit "Some Kind Of Hate". Melodie und Beat verführen sofort zum Tanzen. Während viele andere zeitgenössische Darkwavebands damit kämpfen, überhaupt ansatzweise die richtigen Töne zu treffen, servieren uns Fasold und Claussen ein effektvolles Wechselspiel aus Harmoniegesang und Duett. Sein dunkler, nihilistisch klingender Sprechgesang steht in totalem Kontrast zu den frechen Nymphenvocals seiner Partnerin. Die Methode funktioniert wunderbar und zieht sich wie ein roter Faden durch das Westwerk.
"Patron Of The Young" ist ein sprudelnder Cocktail aus Front 242-seligem EBM, modernem Futurepop und fettem Gitarrengoth. Ästhetisch halbakustische Saiteninstrumente - wie weiland die Sisters Of Mercy anno 1985 - locken mit warmem Klang, bevor die E-Gitarre punktgenau und rasierklingenscharf den Synthieleib des Tracks tranchiert. "Vorwärts, Wir Müssen Zurück" hypnotisiert den Hörer mit Claudias beschwörendem Strophengesang. Bevor man angenehm betäubt dahindämmert, pumpen die - im wahrsten Sinne vorwärts zwingenden - Synthesizerbeats wieder einen satten Schuss Adrenalin in die Adern.
Auch die restlichen Lieder funktionieren in der beschriebenen Art. Kompositorisch gibt es keinen einzigen Ausfall. Wer beim Genuss des Refrains von "The Clockwork" keinen Zappelzwang verspürt, muss schon mindestens querschnittsgelähmt oder taub sein. Der durchweg analoge Sound verleiht den Stücken organisches Leben und explodiert mitunter in modernen Futurepopgewittern. Hier treffen und vereinen sich auf Albumlänge Retrogeist und Gegenwart. Der Spirit alter Helden wie John Foxx oder Joy Division ist allgegenwärtig. Entsprechend nahtlos gelingt der Band die schicke Coversion von "Warsaw". Ian Curtis wäre stolz hierauf gewesen.
Die große Leistung des Trios besteht hierbei vor allem darin, wiedererkennbar und eigenständig zu klingen. Überdeutlich zeigen die Berliner den Unterschied zur stagnierenden Gothszene. Din (A) Tod kennen die Differenz zwischen inspiriertem Zitieren der Vorbilder und lediglich gesichtslosem Kopieren. Mir persönlich haben sie mit Westwerk den Frühling versüßt und den Glauben an die gothische Musik zurückgegeben.
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