laut.de-Kritik
Zwei Hamburger im Kornfeld.
Review von Jasmin LützVon Tapete Records sollte so langsam, weit über die Reeperbahn hinaus, jeder was mitbekommen haben. Das Label aus Hamburg ist für eine Überraschung immer gut. Viele können mit den Veröffentlichungen rein gar nichts anfangen. Andere wiederum sind glücklich die Musik von Niels Frevert, Montag oder Thimo Sander für sich entdeckt zu haben.
Labelchef Dirk Darmstädter dürfte den meisten noch aus der guten, alten Jeremy Days-Zeit bekannt sein. Gemeinsam mit seinem hanseatischen Kollegen Bernd Begemann (Die Antwort) veröffentlicht Dirk passend zur goldenen Herbststimmung das idyllische Country-Blues-Album "This Road Doesn't Lead To My House Anymore". Zwei Hamburger entdecken ihre gemeinsame Liebe zur 60s/70s US-Singer/Songwriter Popmusik.
Die Herren laden ein zum erholsamen Spaziergang durch die Weiten der ländlichen Waltons-Kulisse. Hier muss ich zunächst mal besonders Herrn Begemann loben. Er singt dieses Mal in Englisch, und das so schön rotzig und ehrlich. Dem nehme ich seine Sehnsucht nach dem ruhigen, güldenen Landleben sofort ab. Aber auch Herr Darmstädter geleitet mich ins Kornfeld und steckt mir einige gesunde Ähren in den Mund.
Ich rühre in meinem Caro Landkaffee und genieße den blauen, sonnigen Herbstnachmittag. DVD-Player an, das gemeinsame Projekt von DD und BB startet mit "I Got A Name". Eine von insgesamt vier Coverversionen. Dieser Titel stammt von Singer/Songwriter Jim Croce aus Philadelphia. Hier singen Dirk und Bernd abwechselnd, harmonisch und mit ausgereiften Gitarrengrooves. "We'll Know When" stammt aus der Feder von Dirk, und mit "This Road Doesn't Lead To My House Anymore" begeistert mal wieder der nordische Bernd. Im gerechten Wechsel singen D. und B. abwechselnd ihre melancholischen Fernweh-Hymnen.
Der Cowboy unter den Rock'n'Rollern Hank Williams wird von den beiden Hanseaten würdig interpretiert. "Why Don't You Love Me" ist ein wahres Geschenk zu seinem mittlerweile 51. Todestag. Mit "Fade Away" darf gerne weiter geklatscht werden, der Song sollte nicht nur alle Mütter glücklich machen. Der Ausflug aufs Land macht einem eingefleischten Stadtkind immer mehr Spaß.
Bei "Thank God I'm A Country Boy" haken sich Bernd und Dirk ein, tanzen beschwingt den Countryblues und sind im Gedanken immer wieder bei John Denver, der dieses Stück schon in den 70ern fröhlich performte. Yieahh. Nachdenklicher und rauer geht es mit "Till I Get It Right" weiter, dem letzten Coverstück auf dieser Platte. Auch hier brilliert Herr Begemann mit seiner in Whiskey getauchten Stimme, die er gekonnt ins Mikro haucht, wobei seine alkoholisierte Fahne förmlich zu riechen ist. Für den notwendigen poppigen Sound sorgt dann wieder Herr Darmstädter mit "When I Wasn't Making Lots Of Money". Das Händchen für hitverdächtige Ohrwürmer hat er schon früher bewiesen und in all den Jahren nicht verlernt. Die letzten Tränen fließen zum Abschied mit "True Love Is Quiet", für die Herr Begemann raureif verantwortlich ist.
Dirk Darmstädter kann ja machen was er will. Ich werde ihn immer toll finden, und mit Bernd Begemann hat er einen glorreichen Halunken dazu gewonnen. Trotz trauriger Songzeilen hört man den enormen Spaß, den die Beiden wohl während der Produktion hatten, deutlich heraus. Ich freue mich schon auf das kornig-frische Cerealien-Doppelpack im Dezember, wenn sie live durch die musikalischen Prärien schreiten. Und jetzt schaue ich mir noch die Waltons an. Gute Nacht Dirk, Gute Nacht, Berndboy.
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