laut.de-Kritik
Eine Luxuskarosse in Vollausstattung.
Review von Eberhard DoblerDas britische Brüderduo Guy und Howard Lawrence tritt an, um House in die Charts zu bringen, konnte man jüngst wieder in einem Interview nachlesen. Das funktioniert natürlich nicht mit bloßen Instrumentals: Dafür braucht es Vocals im Allgemeinen, beziehungsweise Soul- und R'n'B-Stimmen im Besonderen. Davon gab es bereits vor zwei Jahren reichlich gute zu hören. Nun perfektionieren Disclosure den Ansatz weiter.
Allein der Opener "Nocturnal" mit The Weeknd lässt mit der Popbrille auf der Nase kaum Kritik zu. Es stimmt alles: Der Track entwickelt eine Atmosphäre, die den nächtlich smoothen, deepen Puls der angesagten Clubs von London über Berlin bis Barcelona ins Wohnzimmer bringt. Genau die Musik, die man hören möchte, wenn bei einem Festival die Sonne untergeht, meinte Kollege Martin Tenschert zum Debüt "Settle". Das beschreibt Disclosure recht gut.
Wer zusätzlich Lordes Stimme ("Magnets") im Gepäck hat: Was soll bei dem schief gehen? Schon diese beiden Kollabos hieven den Zweitling auf hohes Club-Pop-Niveau. Wie Dancefloor-Refrains funktionieren, kann man bei "Omen" mit Sam Smith nachhören: Der Stern des aktuellen James Bond-Sängers ging vor drei Jahren nicht zuletzt dank der Lawrence-Brüder auf.
Die Nacht zum Tage im Club machen auch "Holding On" mit Grammy-Jazzer Gregory Porter "Hourglass" mit Lion Babe oder der Garagehouser "Echoes". So langsam, ja samtig soulig wie auf "Masterpiece" und "Moving Mountain", groovten die stets fein getunten und dynamisch angelegten Produktionen Disclosures selten. Auch "Willing & Able" mit Kwabs oder "Superego" dämpfen das Tempo etwas, bevor "Molecules" wieder entspannt funky auf die Tanzfläche zurückholt.
Vermutlich legte das Elternhaus das Fundament für die makellose Präzision und musikalische Sicherheit (Howard singt auch selbst): Der Vater der Brüder ist Gitarrist, die Mutter Jingle-Produzentin, liest man. Zumindest kleben hier nicht nur zwei erfahrene Danceingenieure vor dem Sequenzer fest und skippen Sounddatenbanken durch: Die Songs von Disclosure entstehen, meist mit Jimmy Napes als Co-Autor, zuerst am Klavier, bevor sie durch den Rechner gedreht werden.
Sicher, "Caracal" läuft nach demselben Muster wie "Settle" ab, der Aha-Effekt ist insofern weg. Sounddesign und Songideen bleiben dieselben, vielleicht kommt der Zweitling noch vocallastiger und etwas mehr laid back daher. Letztlich lässt sich aber kein inhaltlich vernünftiger Grund finden, das Debüt mehr zu mögen als den Nachfolger oder andersrum.
Die beiden Platten wirken vielmehr wie zwei Luxuskarossen in Vollausstattung, die nacheinander vom Band liefen: Wieso sollte eine besser sein als die andere? Den Unterschied macht höchstens die Lackierung.
2 Kommentare
Ich finde im vergleich zu 'Settle' halt schon ein gewisser Rückschritt irgendwie leider, klingt alles Pop/Radio orientierter als der Erstling. Mir fehlen so richtige Bretter wie 'White Noise' und 'Latch' hier, ansonsten find ichs aber dochn gutes Album alles in allem.
Hey Killi, wie findest du das Lana Album mittlerweile?