laut.de-Kritik

Flucht in die glorreiche Vergangenheit Manchesters.

Review von

Manchester darf sich in Sachen Popmusik wahrlich eines Übermaßes an Premium-Qualität brüsten. Joy Division, New Order, The Smiths, Happy Mondays und Oasis, um nur mal die bekanntesten Bands zu nennen.

Die Doves veröffentlichten mit "The Last Broadcast" und "Kingdom Of Rust" kaum schlechtere Musik, aber stets blieb ihnen der große Erfolg außerhalb von Großbritannien verwehrt. Die lange Pause von elf Jahren zwischen dem letzten Album und "The Universal Want"aürfte an diesem Umstand nicht viel verändern. Den Kids der 00er-Jahre bleiben dafür Semi-Hits wie "Black & White Town", der immerhin danke dem Fifa 06-Soundtrack eine gewisse Bekanntheit erlangte, in bester Erinnnerung. Tanzbar, aber auch seltsam entrückt und fast zu kompliziert für den launigen ZockerAbend.

Als die Doves noch jung waren, probierten sie mit dem Projekt SubSub einen einfachen Hit. Heraus kam ein mittelprächtiger souliger Disco-House-Track. In ihren 30ern und zu Zeiten des Doves-Debüt "Lost Souls" hatten sie schon längst die Lust an solchen juvenilen Dance-Tracks verloren und klangen stets erwachsener als damals junge Newcomer wie Maximo Park.

"Carousel", das erste Lebenszeichen nach all den Jahren, zeigt wo sich die Band heutzutage verortet. Irgendwo in der Vergangenheit mit den epischem Gestus von Elbow, aber auch mit der Lust auf Experimente. Im Herzen ein Song, der alle Menschen umarmen möchte und doch wirkt es so, als ob die scheppernden Hi-Hat-Patterns den Song auf der Nebenspur gleichzeitig dekonstruieren möchten. Ja, ein wenig affektiert, aber eben auch sehr schön. Als ob die Doves nun endlich das Puzzle des intelligenten Popsongs fertig hätten, für das Chris Martin immer das Talent und der Mut zur Vollendung fehlte.

Der kürzlich verstorbene Afrobeat-Pionier Tony Allen stand Pate für den perkussiven Track. Auch "Mother Silverlake" nimmt die Begeisterung für Afrobeat auf, und setzt dann das Klavier ein, kommen eben doch die Rave-Wurzeln und die Happy Mondays durch. Ein bisschen Madchester 2.0 wehte ja schon immer durch den Sound der Briten und ihren sphärischen Sample-Pop - aber so viel Rave der Spät-80er war nun auch schon länger nicht mehr im englischen Indierock zu hören. Warum auch nicht, wenn ein paar Fünfzigjährige den Sound ihrer Jugend mit großer Begeisterung und Können weiterentwickeln.

Weniger vertrackt klingt der Titeltrack "The Universal Want": Sänger Jimi Goodwin beschwört noch einmal das Gefühl von Gemeinsamkeit und dem Wunsch nach einer Perspektive in unsicheren Zeiten. Am Ende setzt sogar ein "Pump Up The Volume”-House-Beat ein. Wie damals, als sich die 24 h Party People im Dance-Club "Hacienda" glücklich zu New Order in den Armen lagen. Wäre da nicht der merkwürdige traurige und zweifelnde Unterton in der Stimme von Goodwin, könnte man fast wieder dran glauben.

Großes Gefühl und Drama beherrschen die Doves von Haus aus Ein Songtitel wie "For Tomorrow" klingt nach einer Kompositionen von David Arnold und bildet praktisch die Essenz aller seiner James Bond-Kompositionen. Spätestens wenn ein Frauenchor einstimmt, möchte man die Soulgöttin Shirley Bassey auf Knien anbetteln, dass sie diesen eh schon eleganten Track endgültig in Richtung Großleinwand befördert.

Leider findet sich nicht nur Großes auf dem Comeback-Album. Einen so schlechten Song wie “I Will Not Hide” suchte man bei den Doves bisher vergebens. Hier weht gefährlich viel Coldplay-Konfetti von der Bühne rüber. Und "Forest House" schließt das Album in denkbar ödester Form mit einem transzendenten Meditations-Loop ab. Die Gedanken kreisen und kreisen auf "The Universal Want" und mitunter eben zu viel.

Ein vergleichsweise straighter Rocker wie "Broken Eyes" bietet da eine willkommene Abwechslung, ansonsten bleibt bei aller edelen Pompösität auch viel Flucht in die (natürlich glorreiche) Vergangenheit. Und doch macht das Comeback glücklich, in einer Zeit, in der gerade britischer Indierock nur noch selten zu begeistern vermag und den einfachsten Weg geht. Die Doves dagegen suchen ihren Weg immer noch in der Nische, abseits des großen Rummels. Für uns und die Band hoffen wir einfach das Beste oder wie Goodwin singt: "We will breathe again / No more sorrow we will love again ... I hope".

Trackliste

  1. 1. Carousels
  2. 2. I Will Not Hide
  3. 3. Broken Eyes
  4. 4. For Tomorrow
  5. 5. Cathedrals of the Mind
  6. 6. Prisoners
  7. 7. Cycle of Hurt
  8. 8. Mother Silverlake
  9. 9. Universal Want
  10. 10. Forest House

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