laut.de-Kritik
Wortgewaltiger Punk gegen die Beliebigkeit.
Review von Sarah-Nina RademacherZiemlich zäh und langwierig gestaltete sich die Geburt des achten Zöglings von Dritte Wahl. Das Ergebnis kann sich allerdings hören lassen: Mit einer Kreuzung aus dynamisch vorantreibenden Punk-Songs, skafetzigen Nummern, energievollen Balladen und in Folk getränkten Stücken klingt "Gib Acht!" reifer und vielseitiger denn je.
Wie es sich für eine Punkkapelle gehört, marschiert der gleichnamige Opener "Gib Acht!" straight aus der Anlage und steckt erst mal grob das Revier ab. Dritte Wahl salutiert und regiert mit ihrem Sound die nächste Stunde.
Mit ihren Texten wildern die Rostocker im aktuellen Tagesgeschäft. Fragliche Übernacht-Popstars und Stasi-Überwachung sind genauso Thema wie G8-Polittreffen. Dass die Texte nicht immer mit den typischen Punkrock-Trademarks abgesteckt werden, zeigt "Alles Für Den Wind". Dudelsackschwärme stürmen brachial das Intro, Gunnars Stimme erinnert in diesem Zusammenspiel verdächtig an den verschollen Bruder des letzten Einhorns.
Tanzbeinschwingende Ska-Attitüde zelebriert "Keine Angst". Dritte Wahl demonstrieren wortgewaltig gegen die verdummende Beliebigkeit in unseren Landen, dabei heraus kommen Sätze wie "... beschleicht mich kurz die Furcht, dass ich genauso werde, genauso fromm und doof, ein Schäfchen aus der Herde ..."
Vollends verzaubert die einzige Ballade "Ich bin's". Fast schon hoffnungslos märchenhaft erzählt Gunnar während vier Minuten, die sich sanft von Pianoklängen streicheln lassen. "Nicht so besonders ich bin ehrlich sagte sie, hat leider nichts gebracht die ganze Therapie. Ich wollte dich so spät am Abend auch gar nicht länger stören, ich wollte nur noch einmal deine Stimme hören."
Bevor zu viel Herzschmerz eine akute Melancholie-Attacke auslöst, reißen Dritte Wahl mit "Morgen schon weg" das Ruder noch mal rum. Nur wieso reihen die Rostocker mit "Mama hol' den Hammer" eine substanzfreie Lachnummer zwischen ihre lyrischen Prachtstücke ein? Angst vor zu viel Intellektualität? Nach knappen zwei Minuten zieht der viel zu oft gecoverte Fehltritt in Demut von dannen.
Dafür buddeln eifrige Hidden-Track-Schatzsucher nicht umsonst. Ganze acht Minuten bereitet uns Track 15 mit anfänglichem Vogelgezwitscher, das sich ab der Halbzeit in ein kaum vernehmbares monotones Surren verwandelt, auf die Turbo-Version von "Ich bin dafür" vor. Das Gitarrensolo getauscht mit einer rapiden Geigenstreicher-Einlage rundet den Bonustrack gelungen ab.
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