laut.de-Kritik
Mit Macht gegen den Corona-Blues.
Review von Matthias BossallerAuf die Dropkick Murphys ist Verlass. Bevor uns der Corona-Blues vollends lethargisch werden lässt, kommt die Irish-Folk-Streetpunk-Institution aus Boston gerade rechtzeitig mit ihrem 10. Studioalbum um die Ecke.
Das Achtgestirn hat es sich mit "Turn Up That Dial" zur Aufgabe gemacht, jeden noch so traurigen Sesselpupser aus seiner Jogginghose und vom Sofa zu pusten. Und das gelingt den Dropkick Murphys bravourös. Dem Gutelaune-Sound aus mitreißenden Melodien, Refrains zum Mitgrölen, Irish Folk, Punk, Hardcore und manchmal auch Rock kann man sich einfach nicht entziehen. Sicher, ein innovatives Konzept verfolgen die sympathischen Amis nicht. Sie klingen eigentlich wie immer. Doch es gibt in der Nische Folk-Punk keine andere Band, die ihr Handwerk besser beherrscht als die Jungs von der Ostküste.
Und doch unterscheidet sich "Turn Up That Dial" von dem etwas zahm geratenen "11 Short Stories Of Pain And Glory". Die elf Songs des neuen Werkes sind fröhlicher, ruppiger, lustiger, lauter und meinetwegen auch prolliger als der Vorgänger. Die Lust auf ein frisch gezapftes Guinness (oder auch Pils), ein Pogotänzchen oder der tristen Welt den gestreckten Mittelfinger zu zeigen, steigt mit jedem Song. Kein Wunder: Lied Nummer drei heißt "Middlefinger". Die Dropkick Murphys halten auf dem von ihrem langjährigen Mitstreiter Ted Hutt produziertem Langdreher ein hohes Qualitätslevel, es gibt keinen Stinker in der Setlist. Die Songs gehen gut ins Ohr, haben einen hohen Wiedererkennungswert, und die Hooks möchte man lauthals mitgröhlen.
Los geht's mit "Turn Up That Dial". Der energiegeladene Titeltrack gibt das Lebensgefühl vor, das auf dem Album verarbeitet wird: Die Welt da draußen kann noch so schlecht sein, doch wir haben unsere Musik. Nachzulesen in der Textzeile: "These days can be dark, they're lonely and long. Thank God for the music that made me belong." Es geht auch um unbeschwerte Teenagertage, als man sich unverwundbar fühlte: "We took on the world. With these songs in our ear."
Das waren die Zeiten, als die Kids noch mit Ghettoblaster und Walkman unterwegs waren. Passend dazu das Artwork des Covers, auf dem einer aus der Zeit gefallener Kassettenrekorder zu sehen ist. "Good As Gold" erzählt von der prägenden Musik aus der Jugendzeit und dem Erlebnis vom Einkauf im Plattenladen. Zu Beginn des Songs ist das wunderschöne Knistern zu hören, das erklingt, wenn sich die Plattenspielernadel in die Rille der Vinylscheibe senkt.
Die Stimmungsaufheller "L-EE-B-O-Y", "HBDMF" oder "Smash Shit Up" reihen sich perfekt in die Kathegorie "Spaß haben" ein. Wobei letztgenannter wohlige Erinnerungen an den Überhit "I'm Shipping Up to Boston" aufkommen, mit dem die Dropkick Murphys vor knapp 16 Jahren durch die Decke gingen. Humor beweist die Band um Sänger Al Barr und Bandgründer Ken Casey mit "Mick Jones Nicked My Pudding", das den Clash-Gitarristen verarscht. Die Murphys beziehen sich auf ihren Produzenten Ted Hutt, der ihnen die Geschichte erzählte, wie ihm Jones einst in einem Aufnahmestudio in England vom Kühlschrank seinen Pudding geklaut hatte.
Gehen die Murphys hauptsächlich mit viel Spaß in den Backen, gereckten Fäusten und viel Ironie zu Werke, zeigen sie sich zum Abschluss von ihrer weichen Seite. "I Wish You Were Here" gedenkt Al Barrs verstorbenen Vater aber auch der Toten, die der Corona-Pandemie zum Opfer fielen. Mit Akkordeon, Dudelsack und Trommelmarsch beenden die Bostoner erstmals in ihrer Karriere ein Album mit einem traurigen Lied.
4 Kommentare
Geiles Teil.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Tolles Album, wie gewohnt
Beeindruckend, in wie kurzer Zeit (gerechnet in Albumveröffentlichungen, nicht in Jahren) eine Band von absolut hitsicher zu einem Schunkelrock-Abziehbild ihrer selbst werden. Genauso mies wie der Vorgänger.