laut.de-Kritik

Sperrige Popmusik für das nächste Jahrzehnt

Review von

Als Echoboy im Sommer 1998 ihr gleichnamiges Debütalbum veröffentlichten, war die britische Musikpresse voll des Lobes und sparte nicht mit hochkarätigen Vergleichen. Von "Faust via Stereolab" war im Londoner Stadtmagazin "Time Out" die Rede; der NME titelte gar "Bruce Springsteen meets Kraftwerk". Danach folgte der Wechsel von Pointblank Records zu Daniel Miller's Mute-Label und so durfte man auf den dieser Tage unter dem Titel "Vol. 1" erscheinenden Nachfolger gespannt sein.

Ein Nachfolger, der es durchaus in sich hat, auch wenn, oder vielleicht gerade weil er sich beim ersten Anhören als sperriges und unorthodoxes Popalbum erweist, das sich nicht in schnell aufgemachte Kategorien pressen lässt. Kein Wunder, denn Mastermind Richard Warren erhebt den Eklektizismus zum wichtigsten Arbeitsprinzip: "Du hörst ein Bob Dylan Album, eine Television Scheibe, oder eine Platte von Kraftwerk oder den Chemical Brothers und fügst dies alles zusammen. Sie sind die besten ihrer Zeit und wenn Du dies zusammenbringst, sollte das die perfekte Mischung ergeben." So einfach kann Musik machen sein. Und so schön kann sie klingen.

Nach dem unterkühlten, von synthetischen Flächen getragenen Intro markiert die Single-Auskopplung "Kit & Holly" den ersten Höhepunkt in Richard Warres Musikkosmos. Der zweistimmige Gesang von "Kit & Holly" wirkt wie Balsam für die Seele; akustische Umweltgestaltung par excellence. Noch ganz benommen vom süssen Nektar, der sich mit "Kit & Holly" über den Zuhörer legte, wirken "Broken Hearts" und "Constantinople", wie eine Schocktherapie. Düstere und bedrohliche Beats illustrieren die gebrochenen Herzen auf eindrucksvolle Weise, bevor die dunkle Seite von Richard Warrens Gedankenwelt sich in "Constantinople" verdichtet. Erinnerungen an die Geräuschmusiker des Industrial drängen sich auf. "Crocodile Milk" hält diese Erinnerungen wach, bis das wunderschöne "Walking" gefolgt vom Instrumental-Track "Contact" für einen versöhnlichen Ausklang sorgen. Echoboy, das ist plastische Malerei mit Tönen und hoffentlich die Popmusik für das nächste Jahrzehnt.

Trackliste

  1. 1. 55
  2. 2. Kit & Holly
  3. 3. Model 352
  4. 4. Broken Hearts
  5. 5. Constantinople
  6. 6. Crocodile Milk
  7. 7. Walking
  8. 8. Contact

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