laut.de-Kritik
Da wird doch der Flamingo im Hawaiihemd verrückt.
Review von Sven KabelitzDa wird doch der Flamingo im Hawaiihemd verrückt. Unter dem Stein Adult Orientated Rock, kurz "AOR", tummeln sich Bands wie Foreigner, Toto, Styx, Journey oder gar Bryan Adams. Doch die Inspiration zu seinem zwölften Studioalbum bezieht der Braslianer Ed Motta aus den Aufnahmen von Earth, Wind & Fire, Kool & The Gang und Steely Dan. Jazz, Soul, Funk durchziehen immer wieder die entspannte und erstklassige Produktion und Arrangements, die sich stark an die Achtziger anlehnen. Da kann der Neffe von Tim Maia einfach nicht aus seiner Haut. Sommer, Palmen, Sonnenschein. Bloß keine Hektik, keine Bewegung zu viel, denn in Rio ist es heute mal wieder heiß.
So bricht sich also das Sonnenlicht auf dem Poolwasser, während Motta tiefenentspannt und mit ganz viel Stil durch die Vergangenheit schwärmt. Die elektronischen Spielereien des 2009 erschienen Vorgängers "Piquenique" gehören der Vergangenheit an. Seine ausgezeichnet aufgelegte Band ergänzen Gastauftritte der beiden Gitarristen David T. Walker und Ed Paulinho (Gitarre) sowie die lokalen Größen Zé Canuto, Jota Moraes und Chico Pinheiro.
In Brasilien erscheint "AOR" mit portugiesischen Texten. Für die englische Version legt Rob Gallagher aka Earl Zinger, manch einem durch seine Arbeit mit Galliano und Kruder & Dorfmeister bekannt, Hand an. Mit seiner weichen Stimme verwebt Motta all diese losen Fäden zu einem organischen Gesamtbild.
An der Seite des Sängers bleibt immer genug Platz für seine Mitmusiker. Während er lässig durch "Playthings Of Luv" führt, beeindrucken Torcuato Mariano und Chico Amaraldas mit Gitarren- sowie Saxophon-Soli. Robinho Tavares fantastischen Funk-Bass trägt "Smile", das in Glauton Campellos Rhodes Piano-Solo gipfelt.
"Dondi / Dondi don't cry / Dondi don't cry now." Vor lauter Dondis wird einem ganz duselig. Da hilft auch David T. Walkers Gitarrenspiel nur noch wenig. Der einfältige Refrain, der das Stück und seinen angenehmen Lovely Day-Groove leider komplett zerschießt, geht auf die Kappe von Rob Gallagher. Spätestens hier lohnt sich auch mal ein Abstecher zu der portugiesischen Version "Ondas Sonoras".
Dem Jazz am nächsten rückt "Dried Flowers" mit seinem holperndem Schlagzeug und dem eleganten Bläser-Arrangement. Ein einziges mal hängt eine kleine widerspenstige graue Wolke an dem ansonsten hellblauen Himmel des Longplayers. Nicht ohne in sich Hoffnung und Optimismus zu tragen. Eine Geschichte von Leben, Tod und Fortbestehen. "The same way we must save our love / Everything fades into the sunlight / gentle, so gentle."
Sollte es in näherer Zukunft zu einem G-Funk Revival kommen, hält "AOR" bereits den ein oder anderen samplebereiten Groove bereit. Doch den besten Tipp für den perfekten Hörgenuss hält Motta letztendlich selbst parat: "Bevor man sich dieses Album anhört, sollte man sich ein Hawaii-Hemd à la Magnum anziehen, dazu Slipper ohne Socken wie in Miami Vice, sich in ein Cabrio setzen und an Kokosnusspalmen vorbei in den Sonnenuntergang cruisen. Egal ob in Rio de Janeiro, Los Angeles, Miami oder Hawaii. Aloha!" Dem ist im Grund nichts hinzu zu fügen.
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