Porträt

laut.de-Biographie

Eläkeläiset

In Finnland ist alles ein wenig anders. Da reden sie in einem Landesteil Schwedisch, die Sonne bekommt man nur alle paar Monate zu sehen (und wenn man nicht im richtigen Moment hinguckt, ist sie auch schon wieder weg), und für 'ne Flasche Bier zahlt man locker den Preis wie bei uns für ein Sixpack. Trotzdem saufen die Finnen wie die Löcher und sind nach der entsprechenden Alkoholzufuhr auch ein sehr lustiges Völkchen.

Auf ein feucht-fröhliches Besäufnis dürfte wohl auch die Gründung von Eläkeläiset im Jahre 1993 zurückgehen. Die vier Musiker Onni Varis (Gesang, Keyboard), Lassi Kinnunen (Gesang, Akkordeon), Martti Varis (Gesang, Bass) und Tapio Santaharju (Gesang, Drums), der seinen Platz aber schnell für Kristian Voutilainen räumt, haben eine gemeinsame, musikalische Leidenschaft: finnischen Humppa.

Laut Lexikon ist diese Art Musik in den 30ern aus dem Foxtrott entstanden und wohl so eine Art Rentner-Mucke. Eine starke Verwandtschaft zur Polka kann man ebenfalls nicht abstreiten. Somit erklärt sich auch der Name Eläkeläiset, was übersetzt soviel wie 'Die Rentner' heißt.

Dass man mit traditionellem Humppa keine Wurst vom Teller zieht, ist den Jungs auch klar, weswegen sie einfach mal das Tempo deutlich erhöhen und auch ein paar seltsame Instrumente mit einbringen wie die singende Säge oder ein Keksbüchsenschlagzeug.

Ihre erste Scheibe "Humppakäräjät" haben die Finnen laut eigener Aussage zum Teil im Keller (Akkordeon, Keyboard), in der Sauna (Bass) und in einem alten Volkswagen (Schlagzeug) aufgenommen. Was hier an Bands schon dran glauben muss, ist erstaunlich: Neben Bon Jovi, Queen und Led Zeppelin verwursten die Nordlichter auch Songs von Ministry, Judas Priest oder Black Sabbath und schrecken auch vor Nancy Sinatra oder Eddie Cochran nicht zurück. So ganz nebenbei inspirieren sie auch noch Bands wie Finntroll zu deren musikalischem Stil.

In Finnland entwickeln sie sich schnell zu einem Geheimtipp, in Deutschland sind die Erfolge bald nicht mehr von der Hand zu weisen. Zwar müssen vor allem die Germanen oft als Zielscheibe für den finnischen Humor herhalten, da das aber kaum einer versteht, spielt es auch keine Rolle.

Eine weitere Besonderheit der Band bildet der Umstand, dass sie sich strikt weigert, zu proben. Bevor eine Tour ansteht, einigt man sich grob auf die Songs, die man spielen will, und was dabei rauskommt, ist auch für das Quartett immer wieder überraschend.

Deutschland liebt die Skandinavier inzwischen mehr als das eigene Heimatland: In Finnland spielen Eläkeläiset gerade einmal zehn Gigs pro Jahr, in unseren Breitengraden sind es gerne 50 oder mehr.

So zimmern sie sich durch mehrere Alben und zertrümmern auf ihren Konzerten eigentlich jeden Abend mindestens ein Billig-Keyboard, da eine Gitarre wohl zu teuer wäre. Ihre Keyboards bekommen sie nach Aussage von Martti auch eher unter der Hand in einer türkischen Imbissbude, statt im Musikladen.

Nach ihrem fünften Album "Werbung Baby" tauchen aber die ersten Probleme auf, da immer weniger Künstler bzw. Managements die Genehmigung zu Coverversionen erteilen. Das Problem lösen die Finnen gern damit, dass sie einfach selber Bootlegs von ihren Shows machen und dort auch verkaufen.

Dennoch verzögert sich das für 2001/02 angesetzte Album "Speed Of Sound" immer weiter, da es zu viele Verbote gibt und Acts wie die Scorpions, Tom Jones und einige andere einfach keinen Humor haben.

Schließlich erscheint 2002 "Pahvische" und ein Jahr später, als man eigentlich immer noch auf "Speed Of Sound" wartet, "Humppaelämää". Darauf bricht die Band erstmals mit der eigenen Tradition und bringt sogar einige eigene Stücke an den Start, die aber keineswegs hinter den Coverversionen zurückstecken müssen. Inzwischen ist auch Petteri Halonen mit dabei, der zuletzt Onni live ein paar Mal ersetzte und seitdem als fünfter Mann auf der Bühne steht.

Im selben Jahr erscheint die lange angekündigte DVD "Sekoilun Ytimessä 1993–2003", die man nur mit einem zünftigen Sockenschuss sehen sollte. Spinal Tap lassen definitiv grüßen. Dass die Finnen ihr Geld live auf jeden Fall wert sind, werden nicht nur Tausende von Fans auf dem Wacken Open Air 2004 bezeugen, sondern auch ein laut.de-Redakteur, der die Band Anfang Mai 2005 im Wiesbadener Schlachthof mit offenem Mund bestaunt.

Davon relativ unbeeindruckt tingeln die Finnen einfach weiter durch die Weltgeschichte. Nicht aber, ohne daheim auch einmal wieder in die Sauna zu gehen und ein paar der Klassiker, die sie ohnehin schon live spielen, aufzunehmen. Dabei müssen nicht nur Nightwish, Children Of Bodom und Andrew W.K. dran glauben, sondern auch Madonna, Kylie Minogue, Hank Williams oder The Cardigans. Anhören kann man sich das alles ab Mitte März 2006 auf "Humppasirkus". Zum ersten Mal ist auch Petteri Halonen auf einem Tonträger zu hören, und kaum ist die Scheibe im Laden, geht die Tour schon los.

In Seinäjoki kommt es zu einem tragischen Zwischenfall, als Keyboarder Onni Varis wohl nicht ganz nüchtern von der Bühne fällt und sich den linken Arm bricht. Allerdings hält das die anderen vier 'Rentner' nicht davon ab, die Tour konsequent weiter durchzuziehen.

Doch auch Rentner müssen irgendwann Pause machen. So halten sie sich 2007 mit Konzerten ein wenig zurück, veröffentlichen aber die Live-Scheibe "Humppakonsertto".

Schließlich entdecken sie auch das Thema Fußball für sich und beschäftigen sich damit auf "Humppa United" ausgiebig. Schiefer und schräger geht aber immer. So wird das schöne Spiel 'Erkennen Sie die Melodie?' fröhlich weiter gespielt.
Und weiter ... und weiter ...

Zum einhundertjährigen Jubiläum der finnischen Unabhängigkeit veröffentlichen Eläkeläiset "Humppa Of Finland", auf dem sie ausschließlich finnisches Liedgut durch den Humppa-Fleischwolf drehen. Heerscharen prominenter finnischer Musiker finden sich ein, um die Triangel zu klopfen. Jeder nur einen Schlag. Bing! So klingt Patriotismus in Tateinheit mit ordentlich Bierdurst.

Eigentlich hätten Eläkeläiset ihr Land schon 2010 beim Eurovision Songcontest vertreten müssen, handelt es sich bei Humppa doch um eine Ausgeburt der finnischen Volksseele und bei den Rentnern um die Fleischwerdung des Genres schlechthin.

Allein - die Finnen wollten es anders: "Anstelle fünf gutaussehender Männer haben die finnischen Wähler entschieden, lieber zwei bezaubernde Ladys nach Oslo zu entsenden", präsentiert die Band-eigene Homepage www.humppa.com sportliche Verlierer. "Alle zehn Daumen hoch für Kuunkuiskaajat."

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