laut.de-Kritik

Guys Stimme klingt so mollig warm und einsam wie ein Wolf.

Review von

So, die sonnige Periode ist vorbei. Zeit die Rotzfahnen rauszulegen, seine Sommerlochbekanntschaft vor die Tür zu setzen und die wirklich melancholischen, selbstzerfleischenden Platten rauszusuchen. Genau die richtige Zeit für unsere beliebten Inselbewohner Elbow, ein neues Album auf den Markt zu werfen. Eigentlich müsste ich diese mir vorliegende CD "Cast Of Thousands" verbrennen, mit dem Hammer draufschlagen oder einfach mal nur einen Punkt vergeben. Guy Garvey, Sänger und Kopf der Band, hasst nämlich Robbie Williams. Wo gibt es denn so was? Aber, fucking hell, ich muss sachlich bleiben, und trotz dieser ehrlichen Äußerung gefällt mir das neue Album von Elbow. Auf jeden Fall sehr viel besser als ihr Debüt Asleep In The Back von 2001.

Bei der zweiten Auskopplung merkt man, dass man nicht unbedingt zehn Jahre im Übungskeller rumschimmeln muss, um einige großartige, ungewöhnliche Kompositionen zu kreieren. Die Jungs waren danach wohl öfter mal an der frischen Luft. Insgesamt klingt es nicht mehr so düster, alles ist ein wenig offener und gewagter. Diesmal sperrte man sich nur neun Monate ein. Dabei wurde viel diskutiert und alle sind sich einig, wenn das Ding floppt, haben wir nicht hart genug gearbeitet. Also Jungs, ich kann euch beruhigen. Meiner Meinung nach hattet ihr keine Angst davor, dem Erfolgsdruck gerecht zu werden. Ihr habt es einfach drauf. Muss wohl an Manchester liegen, oder vielleicht doch an Robbies Karma?

Jeder Titel ist eine Überraschung. Schon der Opener ist eine bombastische Ohrspülung. "Ribcage" lässt nach vier Minuten voll den Gospel raushängen. Und der Londoner Community Chor steigert sich von Minute zu Minute. Tja, das können die jungen, neuen Briten. Blur hatten schließlich mit der selben "göttlichen" Unterstützung schon mit "Tender" einen spirituellen Akzent gesetzt. Bei Elbow bekommt die Gesangsgruppe hörbare Unterstützung durch die zahlreichen Publikums-Kehlen des vergangenen Glastonbury Festivals. Bei der Singleauskopplung "Fallen Angel" hat die Kirche dann mal kurze Pause. Hier explodiert die erste Hit-Kanone. Etwas lauter, etwas krachiger, um nicht zu sagen richtig fetzig. Mit "Fugitive Motel" wird man dann sofort noch mit der Kanone unterm Arsch in eine romantische Liebesfilmszene versetzt. Aber bitte nicht Mit Tom Hanks und Meg Ryan.

Den absoluten Overkill bekomme ich bei "Snooks". Geniale Gitarrenparts, coole Drums, und der Refrain lässt dich auf die Knie fallen. Guys Stimme so mollig warm und einsam wie ein Wolf. Der Gesang mutiert durch extravagante Effekte zum einzigartigen Klangerlebnis. Danach werden sie ihrem britischen, leisem Image wieder gerecht. Zeit, um noch mal kurz über seine Sommerlochbekanntschaft nachzudenken. "I've Got Your Number": Spielerische Synthie-Töne die plötzlich von einer gewaltigen Orgel übertönt werden. "Crawling With Idiot" ist pure Schmachterei. Taschentücher raus und aus dem Fenster in den grauen Himmel schauen. Das mag deprimierend klingen, ist es auch, aber irgendwie auch schön, gemeinsam mit der Band ein wenig im Selbstmitleid zu verschmelzen.

Die göttlichen Hoheiten finden bei "Grace Under Pressure" wieder zurück zu ihrem Spirit. Hallelujah! Das Album wird zwar nicht in meiner diesjährigen Top 5 vertreten sein, aber einige Stücke eignen sich bestens zum Vor -, Über- und Abspielen. Und denkt immer daran: Geiz ist Scheiße!

Trackliste

  1. 1. Ribcage
  2. 2. Fallen Angel
  3. 3. Fugitive Motel
  4. 4. Snooks (Progress Report)
  5. 5. Switching Off
  6. 6. Not A Job
  7. 7. I've Got Your Number
  8. 8. Buttons & Zips
  9. 9. Crawling With Idiot
  10. 10. Grace Under Pressure
  11. 11. Segway
  12. 12. Flying Dream 143

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