laut.de-Kritik

Wohlfühl-Southern Roots von Bristols Westcoast am Avon.

Review von

Es könnte der Soundtrack zu einer leicht unterhaltenden US-Kino-Komödie sein, was Elles Bailey auf "Beneath The Neon Glow" abliefert: Zum Beispiel die Americana-Southern Rock-On The Road-Nummer "Ballad Of A Broken Dream". Hier kreuzen Bibel-Metaphern Tom Petty-Riffs, treffen Kippen auf Jukeboxen und verliert sich die Protagonistin in "lonesome memories" an die "good old days".

Und dennoch stammt die Scheibe aus Bristol, einer typischen englischen Reihenhäuser-Stadt, die an ihrem Fluss Avon ein beeindruckendes Museum über die Seefahrtsgeschichte des British Colonial Empire hat und das übliche wechselhafte und windige Wetter des Landes. Elles sieht dort aber die Sonne und wohnt ein bisschen nordwestlich vom Zentrum, im Video zu "Sunshine City" auf ihrem letzten Album bekommt man einen Eindruck.

Bailey trat bereits als (mehrfach ausgezeichnete) Blueserin in Erscheinung. Reduzieren lässt sie sich ähnlich wie die Kolleginnen Joanne Shaw Taylor (Ausflüge in den Soul/Soulpop), Samantha Fish (Kollabo mit Country-Artist) oder Katarina Pejak (Klavierballaden) nun nicht auf dieses kommerziell lukrativ gewordene Genre. "Beneath The Neon Glow" ist ein gemischtes Album mit viel Melodieseligkeit und perfekter Soundqualität im Vordergrund, hält aber keinem Stil die Treue.

Das raue "Truth Ain't Gonna Save Us" versucht sich an Gitarren-Glühen und wetzt die Saiten. Im Stile von Eagles und Fleetwood Mac sind hier die Seventies-Guitar Songs der Westcoast gefragt, und auch Fleetwood Mac waren ja ein englisches Gewächs, das sich so stark an den USA orientierte, als wären sie eine amerikanische Band.

"1972" kombiniert Country-Harmonien mit einem slighten Funk-Vibe. Auch dieses Stück lebt in der Vergangenheit, "living like it's 1972", und auch diesen Song könnte man sich gut im Soundtrack eines Films vorstellen, der in jener Phase spielt, irgendwo zwischen der aktuellen Steppenwolf-Doku und Scarlett Johanssons "To The Moon".

Die Hit-tauglichste Melodie des Albums heißt "If This Is Love", behandelt jenes häufige Liedthema in einer bewährten Form: Man könnte denken, die 36-jährige Elles Bailey bewerbe sich auf die Nachfolge von Beinahe-Rentnerin Sheryl Crow.

Die gute Verarbeitung der Tonspuren in dieser HiFi-Produktion überwiegt ein bisschen die Qualität der Songs. Mit dem Schleicher "Let It Burn" wird man erst aufs zweite Hören warm. Doch die meisten Harmonien und Lyrics hier strömen unheimlich mühelos ins Ohr und werden nach einigen Durchläufen zu Best Friends.

"Love Yourself" empfiehlt zu lernen, sich selbst zu lieben, und ganz in diesem Sinne braucht man dann ja auch Wellness-Gegenstände und Praktiken, um das umzusetzen. Diese Platte ist so ein Wohlfühl-Gadget, einschließlich der Kurz-vor-Mitternacht-Ballade "Turn Off The News". Na dann, turn on Elles' LP!

Trackliste

  1. 1. Enjoy The Ride
  2. 2. Ballad Of A Broken Dream
  3. 3. Leave A Light On
  4. 4. 1972
  5. 5. Silhouette In A Sunset
  6. 6. Truth Ain't Gonna Save Us
  7. 7. If This Is Love
  8. 8. Let It Burn
  9. 9. Love Yourself
  10. 10. Turn Off The News

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