laut.de-Kritik

1,3 Milliarden Menschen sahen diese Show. Warum eigentlich?

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Der 14. Januar 1973 ging in die Musik- und Fernsehgeschichte ein. An jenem Tag tritt in der Honolulu International Center Arena Elvis Presley auf. Kameras filmen den Auftritt des King Of Rock'n'Roll. Via Satellit wird das Konzert in alle Welt übertragen. Insgesamt 1,3 Milliarden Menschen sitzen weltweit vor den Fernsehgeräten, mehr als doppelt so viele wie bei der Mondlandung vier Jahre zuvor. Die DVD "Elvis, Aloha From Hawaii" hält das Ereignis in Bild und Ton fest.

Es ist eigenwilliges Zeitdokument, dieses Konzert der Superlative. Trotz der beispiellosen Stellung, die dieser Auftritt bis heute einnimmt und dem ganzen Glamour, mit dem Elvis hier in Szene gesetzt wird, ist "Aloha From Hawaii" von einem melancholischen Grundton getragen, der das tragische Ende des Kings bereits erahnen lässt. Es ist kein großer Auftritt, den die Fernsehkameras hier einfingen, so viel ist schnell klar.

Lustlos agiert Elvis von Beginn an auf der Bühne. Nur mit Mühe findet er in die Songs. Die Jahre, in denen das Feuer des Rock'n'Roll in ihm gebrannt hat, sind längst vorbei. Rock'n'Roll ist in der International Center Arena auch nicht gefragt. Hier wird der Mythos des King vermarktet, die lebende Legende Elvis Presley. Und die ist 1973 längst zu einer Figur des Mainstream geworden, die in jeden durchschnittlichen amerikanischen Haushalt gehört.

Im weichgespülten Orchester-Sound erklingen deshalb die Songs. Das funktioniert mitunter richtig gut, wie bei "My Way" oder in "I'm So Lonesome I Could Cry". Zumeist wird man jedoch erdrückt von der schwülstigen Wucht der Arrangements, die so überhaupt nicht zu alten Songs wie "Hound Dog" oder "Blue Suede Shoes" passen will. Die spärlichen Bewegungen von Elvis sowie die minimalistische Show verstärken den Eindruck noch, dass hier zusammenkommt, was eigentlich nicht zusammen gehört.

Oftmals beschleicht einen das Gefühl, der King wolle am liebsten gleich vor Scham im Boden versinken, um diesem traurigen Auftritt ein Ende zu setzen. Wie eine von schlauen Managern ferngesteuerte Puppe spult er sein Programm ab. Nicht mehr, nicht weniger. Vieles erinnert hier an das Märchen von den neuen Kleidern des Kaisers. Ein trauriger Auftritt.

Musikalisch bleibt "Aloha From Hawaii" deshalb eine herbe Enttäuschung, die wohl nur im DVD-Schrank von Elvis-Fans wirklich gut aufgehoben ist. Popkulturell interessant ist der Auftritt dennoch, illustriert er doch ungeschminkt, zu welchen Leistungen ein geschicktes Marketing schon damals in der Lage war. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, wohnt "Aloha From Hawaii" ein Geist inne, der seiner Zeit weit voraus war.

Trackliste

  1. 1. See See Rider
  2. 2. Burning Love
  3. 3. Something
  4. 4. You Gave Me A Mountain
  5. 5. Steamroller Blues
  6. 6. My Way
  7. 7. Love Me
  8. 8. Johnny B. Goode
  9. 9. It's Over
  10. 10. Blue Suede Shoes
  11. 11. I'm So Lonesome I Could Cry
  12. 12. I Can't Stop Loving You
  13. 13. Hound Dog
  14. 14. What Now My Love
  15. 15. Fever
  16. 16. Welcome To My World
  17. 17. Suspicious Minds
  18. 18. I'll Remember You
  19. 19. Long Tall Sally/Whole Lotta Shakin' Goin' On
  20. 20. An American Trilogy
  21. 21. A Big Hunk O Love
  22. 22. Can't Help Falling In Love
  23. 23. Blue Hawaii
  24. 24. Ku-U-I-Po
  25. 25. No More
  26. 26. Hawaiian Wedding Song
  27. 27. Early Morning Rain
  28. 28. Photo Gallery

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2 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    Lustlos agierend und sich vor Scham fast selbst in den Boden versenkend? Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Rezensenten in einen Auftritt alles so hinein interpretieren. Sicher ist ALOHA ein realitiv ruhiges Konzert im Vergleich zu den in "That's the way it is" oder "On Tour" gezeigten Konzertmitschnitten der Jahre 1970 bzw. 1972. Das erstaunt aber wenig, wenn man sich die Songsliste genauer ansieht. Sollt er etwa zu "I'll remember you" über die Bühne rocken? Und die Wahl der Songs spricht dafür, dass der King musikalisch in den 70ern andere Wege gehen wollte als in den 50ern u. 60ern. Gegen einen Sänger, der auch nach 20 Jahren im Geschäft nicht einfach nur seine alten Hits abspulen, sondern etwas Anderes/Neues machen möchte, ist kaum etwas einzuwenden. Auch dann nicht, wenn dies so manchem Rezensenten, der Veränderung nicht schätzt, kaum gefallen mag.

  • Vor 13 Jahren

    Der Text ist auf jeden Fall provokativ, weil Dummheit einfach richtig reizen kann. Fast alles, was diese Show ausmachte, wird hier in dieser möchtegern Kritik runtergemacht, anstatt anzuerkennen, dass genau das gewünscht war und nicht unbeabsichtigt lahm (wo möglich weil Elvis schon total am Ende war). Die Show, der Sound, die Songauswahl, der gesamte Stil, Elvis' optische Aufmachung, Kleidung. Genau so wollte Elvis "Aloha From Hawaii" gestalten (und das war mit Sicherheit keine schwache Leistung, nur weil es einem Rock 'n' Roll Heini nicht gefällt), der in den 50s hängen geblieben ist, was Elvis augenscheinlich eben nicht tat.

    "Oftmals beschleicht einen das Gefühl, der King wolle am liebsten gleich vor Scham im Boden versinken, um diesem traurigen Auftritt ein Ende zu setzen. Wie eine von schlauen Managern ferngesteuerte Puppe spult er sein Programm ab. Nicht mehr, nicht weniger. Vieles erinnert hier an das Märchen von den neuen Kleidern des Kaisers. Ein trauriger Auftritt. Nur mit Mühe findet er in die Songs. Die Jahre, in denen das Feuer des Rock'n'Roll in ihm gebrannt hat, sind längst vorbei."

    Das ist bodenloser Müll in Reinform. Elvis fand sehr gut in die Songs, war vorbereitet und wenn auch sicherlich nervös und angespannt, hochprofessionell, charismatisch wie immer, aber vor allem war die Songauswahl nicht gleich ein Element einer Maschinerie von intelligentem Management. Sondern ein Indiz für den Mut zum eigenen Geschmack zu stehen, nicht das zu spielen, was alle erwarteten und somit hochauthentisch.

    "1,3 Milliarden Menschen sahen diese Show, Warum eigentlich?"

    Nach Meinung dieses Kritikers hätten ein paar Tausend gereicht, weil da doch sowieso nur langweiliger, weichgespülter Orchesterkram heruntergenudelt wurde. In Wirklichkeit handelte es sich aber um Toparrangements einer hochkarätigen Big-Band, die genau das tat, was der Künstler wollte. Und wenn man aufgrund von mangelnder Geschmacksbandbreite und schmalem Rockabilly-Horizont ein ganzes Konzert niedermacht, das über eine ziemlich ausgewogene Setlist verfügte, (zudem noch hochwertig und präzise dargeboten) zeugt eine Kritik dieser Art nicht von Kompetenz, sondern einfach von Ungeduld und musikalischer Gefühllosigkeit. Gerade das Charisma dieses majestätischen Orchestersounds machte doch aus den alten Songs etwas Zeitgemäßeres. Das kommt dem Autor dann altmodischer vor, weil er selbst über drei Akkorde und einfachen Sounds nicht hinaus gekommen ist und heute wieder fast alles daraus besteht.

    Die vielen Menschen waren zudem auch vor den Fernsehern, weil sie von Elvis Presley's Aura in den Bann gezogen wurden und diese Musik gut fanden.

    "Trotz der beispiellosen Stellung, die dieser Auftritt bis heute einnimmt und dem ganzen Glamour, mit dem Elvis hier in Szene gesetzt wird, ist "Aloha From Hawaii" von einem melancholischen Grundton getragen, der das tragische Ende des Kings bereits erahnen lässt. Es ist kein großer Auftritt, den die Fernsehkameras hier einfingen, so viel ist schnell klar."

    Wenn eins klar ist, dann, dass nach diesen Konzert von den Menschen niemand das "tragische Ende des Kings" im Sinn hatte. Denn bei einem gut gebräunten, sportlich aussehenden Mann, der dabei eine unübertreffliche Ausstrahlung eines hochdisziplinierten, kerngesunden Sängers hatte, sollte überhaupt nichts nach einem "tragischen Ende aussehen". Vor allem mit Sicherheit auch nicht für die Zuschauer im Publikum, deren Begeisterung möglicherweise sogar mit der Musik zutun hatte. (Manche Menschen stehen tatsächlich genau auf das, was diese (vor allem live) pompös klingende Band bei ihren Auftritten zum besten gab) und das sind nicht nur Elvis-Fans.

    Ich kann bei Aloha From Hawaii auch weder übertriebenen Glamour feststellen (bis auf den Anzug sah die Bühne ziemlich glanzlos, einfach und eher kitschig aus. Zudem wurde Elvis überhaupt nicht wirklich aktiv in Szene gesetzt. Sondern er setzte sich selbst durch seine Person in Szene und genau darin lag auch bei diesem Konzert in Kombination zur bombastischen Orchesta-Untermalung wieder die einzigartige, könligliche Besonderheit.

    Solche "Kritiker" sollen weiterhin am Wochenende zu irgendeiner lokalen Rockabillyband mit Konrabass, Gitarre, Schlagzeug und kratzigem Gesang gehen und zufrieden die Elvis-Tolle rumwippen lassen, aber sich nicht anmaßen echte Musik (für die man eine gewisse Reife benötigt, die Elvis in den 50ern noch überhaupt nicht hatte) niederzumachen, nur weil einem persönlich ein paar Sinne fehlen.