laut.de-Biographie
Emirsian
Ach was, der Typ von Harmful? Glaubt man erst gar nicht, wenn man die samtige Stimme hört und seine Musik, die die 80-Dezibel-Grenze partout nicht überschreitet.
Aren Emirze, ein Drittel der Frankfurter Noiserocker Harmful, wandelt als Emirsian auf akustischen Solopfaden. Mit dem Nebenprojekt erforscht der gebürtige Armenier seine Wurzeln - musikalisch wie kulturell. Und wie viele Kulturen und Subkulturen ein einzelner Mensch problemlos irgendwie unter einen Hut bringen kann, zeigt uns er vorbildlich - zum Beispiel mit einer Kehrtwendung nach fast fünfzehn Jahren Rockmusik.
Angefangen in den Neunzigern bei einer deutschsprachigen Band mit dem schönen Namen Rinderwahnsinn, bespielt er mit Harmful Europa mit Noiserock im Stil von Helmet und englischen Texten - auf internationalem Niveau. Die Bandfotos sprechen eine klare Sprache - breitbeinig, in grober Mechanikerjacke steht er mit seinen Jungs da und macht klar: Hier wird geackert.
Sein Nebenprojekt könnte nicht gegensätzlicher ausfallen. Auf den Fotos des Emirsian-Internetauftritts riecht ein junger Mann an Jasminblüten und vermeidet den direkten Blick in die Kamera. Woher kommt dieser Wandel?
Ein Hauptthema und vielleicht auch ein Auslöser für das erste Album "A Gentle Kind Of Disaster" ist der Tod des Vaters. Eines der Kernstücke auf dem Album bildet deswegen auch eine alte, wiedergefundene Kassettenaufnahme, auf der sein Vater - selbst ein begeisterter Hobbymusiker - ein Lied in armenischer Sprache für seine Kinder aufgenommen hat. Gemeinsam mit seinem Bruder übernimmt Aren die zweite und dritte Stimme.
Wehmut der Erinnerung und der gleichzeitige Trost, die man sich in dieser Szene ausmalen kann, sind charakteristisch für Emirsians Werk, das zurückhaltend, kontemplativ und dabei stets etwas schwermütig wirkt. Überraschenderweise schätzt dies sogar die Rockpresse: gute Noten trotz für einen Noiserocker leiser Musik. Daran knüpft auch sein Zweitling "Yelq", sowie sein 2011 erschienenes Doppelalbum "Accidentally In Between" an. Schwermut und Optimismus reichen sich die Hände.
Nach der Auflösung Harmfuls im Jahr 2014 wird 2018 gemeinsam mit Sportfreunde Stiller-Trommler Flo Weber das Projekt Taskete! aus der Taufe gehoben. Die Beiden verbinden Noiserock, kratzigen Blues und Vocoder-Pop und veröffentlichen ein gleichnamiges Album, das von der Presse wohlwollend aufgenommen wird.
2016 entsteht das erste ausschließlich auf armenisch gesungene Livealbum "Papak", auf dem Emirsian von Ara Dabandjian, Sänger der armenischen Folkgruppe Element Band, unterstützt wird. "Wir haben alles live, ganz ohne Overdubs und in einem vertrauten Umfeld aufgenommen, zwei Gitarren, zwei Stimmen, gleichzeitig gesungen. Wie die Barden früher Musik gemacht haben. Wie Bob Dylan in den Sechzigern. Oder Simon & Garfunkel", erklärt er dazu.
Auf akustischen Pfaden wandelt Emirze auch mit Brothers Keepers-Sänger Chima Onyele als Aren & Chima. Die EP "Von Nun An Glücklich" erscheint im Februar 2019. Das Duo spielt dabei Gitarrenpop, inhaltlich werden Beziehungsdramen sowie die migrantischen Wurzeln verhandelt.
2021 ist Zeit dann reif für das nächste richtige Solokapitel Emirsians. Auf "Lezoon" verarbeitet Aren Emirze die Trennung von seiner langjährigen Partnerin und wartet mit Gastauftritten seiner kleinen Tochter Veron und dem armenischen Landsmann und System Of A Down-Frontmann Serj Tankian auf.
Die Füße kann der Frankfurter ganz offensichtlich kaum stillhalten, denn mit Musa Dagh steht bereits eine neue Supergroup der deutschen Rockszene in den Startlöchern: Mit von der Partie sind hier der ehemalige Blackmail-Sänger Aydo Abay, Beatsteaks-Drummer Thomas Götz sowie Produzent Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic, Fehlfarben). Man darf gespannt sein.
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