laut.de-Kritik

Elf Song-Monster knapp am Wahnsinn vorbei.

Review von

Aufgrund völlig absurder Preise habe ich bei meiner letzten Paris-Reise den Konsum verweigert - was meine urbane Handlungsfähigkeit stark einschränkte! Ein U-Bahn-Ticket wollte ich mir gerade noch leisten, weshalb mir das Pariser Metronetz sehr vertraut ist. Das ist, weil die Songtitel nach Metrostationen benannt sind, zwar nützlich, aber keine Voraussetzung, um Emmanuel Santarromanas Opus zu verdauen.

Seine musikalischen Kreaturen erzählen allesamt von der kosmopolitischen Omnipotenz der Pariser Szene. Der erfahrene DeeJay und Haut-Couture Sound-Designer kreiert auf "Métropolitain" elf Song-Monster von genialer, weil knapp am Wahnsinn vorbei eilender Qualität.

Der Opener "Métropolitain" geleitet auf den unorthodoxen Weg, an dessen Beginn typisch französische Akkordeonklänge mit nord-östlicher Folklore fusionieren. "Opéra" steckt ebenso gewagt Vivaldis "Nisi Dominus" in ein Elektronikkorsett. "Barbès" setzt auf arabische Flöten, Downbeat, Schrammelgitarre und Piep. Über diesem kosmopolitischen Teppich scheint ein virtueller Tuareg seine arabische Lebensgeschichte zu erzählen.

Das schweißtreibende "Chateau Rouge" setzt die afrikanische Sängerin Hadja Kouyaté und die African Divas in ein groovendes Licht aus ärgerlichen Rockgitarren, fröhlichem Reggae und hinkendem Beat. Hervorragendes Futter für die Top Ten der Weltmusikcharts. Weiter geht's mit dem Hip Hop-igen "Les Halles", das zwischen Country-Slide-Gitarren und dem Chicago der 30er Jahre düster und sehr smooth groovt. Rapper Mike Ladd veredelt den Track durch seinen stimmungsvollen Gangsta-Style. "Père Lachaise" kommt melancholisch gerockt, "Trocadéro" Drum'n'Bass-ig gehibbelt und "Saint Germain Des Prés" moodig gejazzt durch die Boxen.

So weit, so gut! Nur, wer um Himmels willen gehört zur anvisierten Käuferschicht? Das Ding passt in keinen Club, nicht in die Worldmusikschublade, nicht ins verstaubte Jazzfach, und auch sonst nirgendwo hin. Durchgeknallte Seelen die sich irgendwo zwischen Cinematic Orchestra, Frederic Galliano, St. Germain und anderen Grenzgängern zu Hause fühlen, werden auch hier ein aufregendes Abenteuer erleben. Obwohl Paris auf Grundlage eingangs geschilderter Sachverhalte auf meine Anwesenheit auch weiterhin verzichten muss, bin ich musikalisch mehr als versöhnt. Emmanuel Santarromanas eindrucksvoller Metrofahrt sei Dank.

Trackliste

  1. 1. Métropolitain
  2. 2. Opéra
  3. 3. Barbès
  4. 4. Chateau Rouge
  5. 5. Les Halles
  6. 6. Père Lachaise
  7. 7. Trocadéro
  8. 8. Montmatre
  9. 9. Saint-Germain-des-Prés
  10. 10. Luxembourg
  11. 11. Métropolitain (Live Version)

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