laut.de-Kritik

Eidgenössische Mundartistik - unwiderstehlich kopfnickbar.

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Neben einem Bühnenviech wie Knackeboul wird man gerne mal übersehen. Auch, wenn man selbst ein mehr als passabler Rapper ist. Auch, wenn man seit ihren frühesten Anfangstagen einen integralen Bestandteil der Mundartisten darstellt. Auch, wenn man zehn Jahre Liveerfahrung auf dem Buckel hat.

Chocolococolo, der im Frühjahr seinen selbstbetitelten Alleingang vorlegte, wusste das. Equadrat, der dritte MC im Bunde der Langenthaler Crew, weiß das ebenfalls. Ein Schwenk der Aufmerksamkeit weg vom überaus charismatischen Frontmann hin zu denen, die zu häufig nur als "Knackebouls Backup-Rapper" wahrgenommen werden, bringt jedoch ans Licht: Im Verborgenen gedeihen interessante Gewächse.

Ein Spruch, den Equadrat auf einen seiner zahllosen "Denkzettel" vermerkt haben könnte. Ein anderer lautet möglicherweise: "Scheiß auf Trends!". Das Solodebüt des schweizerischen Mundartrap-Dauerfeuers besinnt sich erfreulich offensichtlich auf traditionelle Tugenden des Hip Hop, ehe düstere Posen und hohle Klischees - zumindest in der Wahrnehmung der Massen - nach der Macht griffen.

Spaß an der Sache, Cleverness und Durchdachtheit kennzeichnen Equadrats Ergüsse. Wenngleich seine Zeilen - möglicherweise ein Grund für das Schattendasein neben dem weit plakativeren Kumpel - ohne effekthascherische Höhepunkte vorgetragen werden, sprudeln sie doch über Stock und Stein des für ungeschulte Ohren oft sperrigen eidgenössischen Dialekts wie der viel beschworene Bergbach.

Zuweilen tönen die Verse, als bestehen sie aus einer einzigen, endlosen Zeile. Wann zum Kuckuck atmet dieser Kerl eigentlich? Equadrat folgt trotzdem punktgenau den Beat-technischen Vorgaben und lässt sich von Tempowechseln und ähnlichen Sperenzchen nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

Ohnehin scheint der Mann ein Ausbund an Gelassenheit zu sein. Noch immer auf der Suche nach dem Glück? Einfach zurücklehnen, so sein Rat. Schließlich ist bei genauer Betrachtung das meiste "Nid Eso Schlimm", geht es letztlich doch im steten Wechsel "Ufe & Abe", ehe "Aus Verbi", produziert von Kollegen Chocolococolo, einen blubbernden, bei aller aufgefahrener Dramatik und Melancholie einen ungebrochen optimistischen Schlusspunkt setzt.

Konventionen - oder was der Durchschnitts-Homeboy dafür hält - fechten Equadrat nicht an. Mit Abstechern in Soul ("Denkzettel") oder Reggae ("Just") berichtet er über wichtige und weniger wichtige Begebenheiten, macht sich Gedanken über das Leben, zerbricht sich den Kopf über die Welt im Großen und im Kleinen. Er rappt, flüstert, singt und bleibt dabei stets unwiderstehlich kopfnickbar: "Wooh Ha!"

"Bin immer lieb und nett und raste selten uus." Einerseits wirkt zur Abwechslung statt übersteigerter Gier nach Aufmerksamkeit die herrschende Bescheidenheit recht erfrischend. Zum anderen geht Equadrats Stimme so hier und da beinahe unter. Die stimmungsvollen Beats und Arrangements, die ihn stellenweise ein wenig über den Haufen rennen, glänzen immerhin durchgehend mit musikalischer Qualität.

Ein Auseinanderbrechen der Mundartisten muss trotz der Solounterfangen ihrer Rapper niemand befürchten. Auch, wenn das Rampenlicht diesmal auf Equadrat gerichtet ist, trägt doch nahezu die komplette Bande zum Gelingen bei.

Etliche Beats gehen auf das Konto von Mundartisten-Drummer Kwest. Entsprechend präsent platziert er in "Wooh Ha" oder der verträumten "Tag Am Meer"-Entsprechung "Wit Wäg" das Schlagzeug. Chocolococolo setzt in "Nur Du" auf Akustikgitarre und Bass. Klon packt im dunkler angelegten "Nid Mis" die Orgel aus und zeichnet zudem für "0815 Shizzle" verantwortlich.

Volle Mundartisten-MC-Power setzt es im Verbund mit Knackeboul und Chocolococolo im entsprechend angemessen betitelten "Nüd Wo Üs Ufhet". Dass die Herzen dieser Jungs für Hip Hop schlagen, daran besteht wirklich kein Zweifel.

Trackliste

  1. 1. Intro feat. DJ Rub-it
  2. 2. 0815 Shizzle
  3. 3. Denkzettel
  4. 4. Wooh Ha
  5. 5. Wit Wäg
  6. 6. Nur Du
  7. 7. Nid Mis
  8. 8. Dr Ungergang
  9. 9. Bella
  10. 10. Mir Si feat. Dominique
  11. 11. Milbe
  12. 12. Nid Eso Schlimm
  13. 13. Nüt Wo Üs Ufhet feat. Knackeboul & Chocolococolo
  14. 14. Since
  15. 15. Just feat. Cookie The Herbalist
  16. 16. Talkshow
  17. 17. Ufe & Abe
  18. 18. Zämedräier feat. Mani the Man
  19. 19. Aus Verbi

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