laut.de-Kritik

Die Kelleraufnahmen des Schweden: Forschend und facettenreich.

Review von

Am 14. Juni 2008 starb Esbjörn Svensson bei einem tragischen Tauchunfall im Stockholmer Schärengarten. Als Sohn eines Konzertpianisten war er schon immer ein Fan klassischer Musik und studierte sie sogar. Mit "E.S.T. Symphony" ließen Dan Berglund und Magnus Öström, die verbliebenen Mitglieder des Esbjörn Svensson Trios, diese Liebe zur Klassik vor sechs Jahren wieder aufleben. Nun erscheinen mit "Home.s." Solostücke des Pianisten, die er Wochen kurz vor seinem Tod in seinem Keller eingespielt hatte und die sich sehr stark an Komponisten wie Bach, Beethoven oder Debussy orientieren. Es sind die einzigen Aufnahmen, die ihm in einem anderen Setting als dem des Trios zeigen.

Die Stücke fand seine Witwe Eva vor etwa fünf Jahren auf einer privaten Festplatte. Nicht einmal Tontechniker Åke Linton wusste von der Existenz dieser Aufnahmen, obwohl er alle Alben und Live-Shows des Esbjörn Svensson Trios begleitet hatte. Als die beiden die Nummern hörten, verschlug es ihnen zunächst die Sprache. Eva Svensson meint: "Wenn ich diese Musik höre, ist es für mich so, als sei Esbjörns Stimme plötzlich im selben Raum. Es könnte gar niemand anders sein. Es ist seine Stimme." Und diese Musik hat nur wenig mit den Klängen des Esbjörn Svensson Trios zu tun, das sich selbst als Pop-Band wahrnahm, die Jazz spielte.

Eher hört man einen Esbjörn Svensson, der mit forschenden, zaghaft gesetzten Tönen nach neuen Ausdruckmöglichkeiten sucht, wie schon der Opener "Alpha" beweist. Dabei erblüht das Stück nach und nach in den hellsten Farben. Gegen Ende verdeutlicht der Schwede, dass in ihm noch eine Menge Energie steckte. Ganz anders "Beta", das mit ruhigen und ganz in sich gekehrten Klängen von seinem romantischen Selbstverständnis spricht. Romantisch gestaltet sich auch "Gamma" zu Beginn, das in der zweiten Hälfte mit vor sich hin stolpernden, bluesigen Tönen ganz in der Tradition Keith Jarretts steht. Zudem summt der Musiker, wie auch im weiteren Verlauf, ganz leise mit.

Mit so gut wie jedem weiteren Stück zeigt der Pianist eine weitere Facette seines Schaffens. "Delta" gemahnt an die formale Strenge Johann Sebastian Bachs. "Zeta" verbreitet mit gedämpften Akkorden und sanft vor sich hin fließenden, wunderschönen Melodien eine ähnlich nächtliche Stimmung wie Beethovens "Mondscheinsonate". Schon alleine diese Nummer rechtfertigt den Kauf der Platte. In "Eta" zündet Esbjörn Svensson ein wahres Feuerwerk an mitreißenden Harmonien und Melodien, "Iota" bildet mit tänzelnden, an Georg Friedrich Händel erinnernden Tönen einen gelungenen barocken Abschluss.

Ob Esbjörn Svensson die Ideen auf diesem Album im Bandkontext weiterentwickelt hätte oder die Aufnahmen nur für sich selbst gemacht hat, darüber lässt sich nur mutmaßen. Fest steht jedoch, dass seine Geschichte ohne "Home.s." um ein interessantes Kapitel ärmer wäre. Die Platte stellt nämlich alles andere als beiläufiges Fast Food dar, wie man es heutzutage zu oft in der Neoklassik serviert bekommt, sondern lädt zum aufmerksamen Zuhören und zum Wieder- und Weiterentdecken klassischer Klaviermusik ein.

Trackliste

  1. 1. Alpha
  2. 2. Beta
  3. 3. Gamma
  4. 4. Delta
  5. 5. Epsilon
  6. 6. Zeta
  7. 7. Eta
  8. 8. Theta
  9. 9. Iota

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