laut.de-Kritik

Faber live? Experimentell extravagant.

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Faber fasziniert, Faber fesselt, Faber funktioniert live am besten. Da ist ein Live-Album die logische Schlussfolgerung. Schon klar, während der Pandemie haben viele Künstler*innen die Zeit genutzt, um ein komplett neues Album aufzunehmen. Faber zog stattdessen nach Wien, die "beste Entscheidung ever", wie er kürzlich bei einem Konzert in der österreichischen Hauptstadt erzählte.

Österreich scheint es dem Schweizer angetan zu haben, so nahm er "Orpheum" dieses Frühjahr in der gleichnamigen Grazer Spielstätte auf. Der graziöse Ort passt zu ihm, wie seine vorab veröffentlichten Live-Videos beweisen. In "Das Letzte" sieht man Faber lässig mit seiner Band eine Probe auf der Bühne nachstellen, bei "Nie Wieder" stolziert er wie ein Boxer durch sein Publikum und performt später im extravaganten Stile Falcos auf der Bühne: "So Soll Es Sein".

In Julian Pollinas Leben geht gerade viel ab. Das ändert allerdings nichts daran, dass er weiterhin "mehr Highlight im Gesicht als im Leben" hat. Das instrumentale Intro "Ouverture" lädt die Spannung auf und bereitet nach dem "Highlight" auf 27 weitere Stücke seiner drei Alben und zwei EPs vor, ergänzt um fünf neue Tracks und einem weltbekannten Cover. Für seine Schweiz bedeuten Fabers Ausflüge ins Nachbarland erst einmal eine Abfuhr. Doch die Liebe zur Heimat greift der Neu-Wiener in einem seiner ebenso neuen Songs auf: "De Tüfel Het Viel Gsichter" heißt der selbstbetitelte "schweizerdeutsche-Emo-Track". Nach seinen Zürich-Referenzen ("Züri", "Ihr Habt Meinen Segen") und dem schweizerdeutschen Album "Ich Liebe Dich" zusammen mit Sophie Hunger und Dino Brandão also eine weitere Liebeserklärung.

Apropos Liebe, aus dem Land mit besonders viel Pizza und Amore stammte der bereits verstorbene italienische Musiker Lucio Dalla. Der wurde international mit "Caruso" bekannt, einem Song voller Schmerz und Sehnsucht, den Faber mit mindestens genauso viel Hingabe präsentiert. Dazu sanfte Bläser und melancholische Geigen, die im Zusammenspiel eine besonders einnehmende Stimmung erzeugen. Bei "Ma Tu No" wirkt die auf eine etwas leichtere Art, wobei der Schweizer hier nach dem Vorbild seines sizilianischen Vaters zum Cantautoren wird.

Faber experimentiert eben gerne. Sein Stil passt genauso wenig in nur eine Schublade wie er selbst. Mal ist er einfach der Singer/Songwriter mit Gitarre, mal der exzentrische Künstler, mal der provozierende Freigeist. Dazwischen passt auch die Rolle des Cantautoren, die er textlich allerdings nicht allzu sehr ausreizen sollte. Kaum auszudenken, wie in Landessprache gesungene Lines wie "Komm Baby, komm Babe, schalt' mal deinen Kopf aus / Ich setz' mich auf deinen Kopf drauf / Pack' mal deinen Cock aus" im erzkatholischen Italien ankommen würden, wenn sie schon hierzulande für Kontroverse sorgen.

Wobei: "Vivaldi" kennt sich damit aus. In dem Song, der den Namen des italienischen Komponisten trägt, singt Faber: "Pack' deine Flöte aus / Ich schwör' ich spiel' Vivaldi drauf / Auch das Piccolo lacht niemand wegen seiner Größe aus". Wäre der darüber amused? Was solls: "Ha-ha-ha-hast du ein Problem?" Außerdem gehört ein jeder Faber-Klassiker zu seinen Konzerten sowie auf das Live-Album. Die Fans flippen aus, DJ Real Madrid an der Posaune dreht durch und "Homo-Faber" kreischt "Ooooh, wuh".

Ein dreifaches "Ooooh, wuh" auch auf den neuen Song "Van Noten". Im Vergleich zum traurigen "Du Schläfst" gelingt Faber ein belebender Track, der direkt hängenbleibt: markantes Bassspiel, verruchter Sound im Hintergrund, taktgebende Drums, dezente Synthies. Dazu fordert Faber: "Bleib hier / Bleib hier bei mir" und haucht in Folge: "Klau mir den Van Noten / Aber bitte nicht mein Herz". Und ein jeder Fan wünscht Julian auch nur das Beste.

Oder natürlich "Alles Gute". Sein zweitmeistgespielter Song bei Spotify ist einer der unaufgeregten Tracks aus dem Farberschen Repertoire, bei dem es reicht, entspannt mitzuklatschen. Vor allem, ehe zum Schluss die Ekstase "Tausendfrankenlang" geht. Ein krönender Abschluss und das wahrscheinlich stärkste Stück des Albums. Da ist das "Wiegenlied" als Outro im Grunde überflüssig.

Zwischen Neu und Alt, italienischen Komponisten und belgischen Designern singt Faber politisch-gesellschaftskritisch vom Überfluss der einen und "Widerstand" der anderen. Das funktioniert auch meist überraschend gut und bringt etwas Ruhe in ein aufregendes, ekstatisches und instrumental stark eingespieltes Live-Album. "Orpheum" untermauert Fabers Stärke des Liveauftritts und belegt außerdem, welch großen Anteil seine Goran Koč y Vokalist Orkestar Band am Erfolg hat. Faber (und Band) live? Alles Gute.

Trackliste

  1. 1. Ouverture
  2. 2. Highlight
  3. 3. Jung und dumm
  4. 4. Es könnte schöner sein
  5. 5. Das Leben sei nur eine Zahl
  6. 6. Van Noten
  7. 7. De Tüfel Het Viel Gsichter
  8. 8. Sag Mir Wie Du Heisst (Pt. 1)
  9. 9. Sag Mir Wie Du Heisst (Pt. 2)
  10. 10. Ihr habt meinen Segen
  11. 11. Du Schläfst
  12. 12. Intermezzo
  13. 13. Ma Tu No
  14. 14. Caruso
  15. 15. Lass mich nicht los
  16. 16. In Paris brennen Autos
  17. 17. Widerstand
  18. 18. Das Letzte
  19. 19. Vivaldi
  20. 20. Generation YouPorn
  21. 21. Nichts
  22. 22. Alles Gute
  23. 23. Komm her
  24. 24. Coda
  25. 25. Nie wieder
  26. 26. Top
  27. 27. So soll es sein
  28. 28. Tausendfrankenlang
  29. 29. Wiegenlied

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