28. Juli 2005

"Fler ist blöd!"

Interview geführt von

Thomas D hat schon mal geübt. Geübt für den Bundeskanzlerjob, und zwar Anfang Juni beim "Projekt P Festival" in Berlin, dem Festival, das Jugendliche für Politik begeistern sollte und konnte. Spontan erklärten sich Thomas D und AndY vor ihrem Auftritt als Hauptakt am Samstag Abend gerne bereit, ein Interview nicht nur mit laut.de-Redakteur Mathias Möller zu führen. Nein, sie luden mit ihm auch Simon Wiedenbach und Anna Johne sowie deren Lehrer Guido Neugebauer aus der Geschwister-Scholl-Schule in Konstanz in den Backstagebereich der ostalgischen Umkleidekabinen der Sporthalle des 'FEZ' in der Berliner Wuhlheide ein und beantworteten mit Charme und Witz alle ihrer Fragen. Mindestens noch einmal so viel Zeit nahmen sich dann alle vier Fantas, um allen Anwesenden sämtliche Kleidungsstücke am Leibe mit Autogrammen zu bestücken und für Gruppenfotos zu posen bis der Film riss.

"Viel" ist jetzt fast ein Jahr draußen, wie seid ihr in der Retroperspektive zufrieden mit dem Album?

Thomas D: Wir sind wirklich sehr zufrieden, wir hatten davor ja fünf Jahre kein Studioalbum mehr und haben uns dann schon gefragt - wir sind eine Band, die gerne mal an sich zweifelt, oder nicht so souverän ist wie es nach außen hin wirkt - braucht uns noch jemand? Wird das was, wenn wir jetzt zurückkommen? Mit was werden wir zurückkommen? Wer wird sich das anhören? Das ist ja eine lange Zeit gar nicht klar, selbst wenn die Platte dann fertig ist, bist du dir nicht bewusst darüber, ob es etwas geworden ist. Das kriegst du dann erst mit der Reaktion der Leute mit, ob das Baby gesund ist. Wir durften ja die größte Tour unseres Lebens spielen letztes Jahr und im Frühjahr dieses Jahres. "Troy" war ein Megahit, für uns zumindest, insofern kann man zufrieden sein. Sich darauf auszuruhen, dafür reicht es natürlich noch nicht.

Wie gelassen seht ihr euren Erfolg nach so langer Zeit und wie stark spornt euch Erfolg an?

Thomas D: Sehr gelassen. Unsere Karriere war schon eine erstaunliche. 1992 mit "Die da", wie das durch die Decke ging und das relativ früh, nachdem wir angefangen hatten, deutsch zu rappen. Zwei Jahre später, also relativ schnell und nach dem ersten Oben, dann oben zu bleiben, da verändert sich alles. Es ist nicht mehr so wie beim ersten Mal, insofern wird man da ein bisschen entspannter, sagt sich ja, heute lieben sie dich, morgen bist du ihnen wieder egal, das alles sollte nicht Teil deines Lebensgefühl werden, sonst machst du dich davon abhängig. Deshalb versuchen wir einfach eine gute Platte zu machen, es ist schon schwer genug (lacht), Texte zu schreiben, die uns nicht langweilen, Musik zu machen, die uns noch kickt, und wir sind darüber dann glücklich. Das ist dann so ein Erfolg, der hängt gar nicht am Erfolg der Außenwelt. Wenn die Leute es nicht hören wollen, dann ha ja, dann halt nicht, aber wir haben eine geile Platte gemacht. So lange du das weißt, ist alles gut.

Andy Y: Das ist nämlich das Geheimnis des Erfolgs, nicht auf den Erfolg schielen, so, hmm, was muss ich denn machen, um Erfolg zu haben? Ist doch klar, was man machen muss, was Gutes, deshalb musst du dir überlegen, was du da machst, ob du vertreten kannst, was du machst, ob du es selber gut findest, musst deine Energie da reinstecken und dann wird es schon Erfolg haben oder nicht. Aber das liegt nicht in deiner Hand!

Unterstützt ihr auch junge Bands?

Thomas D: Klar, brauch'sch Geld? (lacht). Wir haben ja unser eigenes Label, FourMusic, und wir unterstützen damit, denn man kann nicht von jeder Plattenfirma sagen, dass es seine Künstler unterstützt. Generell ist ja eine Plattenfirma dazu da, um Geld zu machen. Aber wir schauen darauf, dass unsere Künstler es auch verdient haben, dass wir mit ihnen Geld machen, und dass sie auch das meiste davon kriegen. Deshalb ist der Umgang bei FourMusic auch persönlicher, direkter, und weil wir auch Künstler sind, verstehen wir die Ängste, Sorgen und Wünsche vielleicht mehr, als jemand, der Rechtsanwalt studiert hat und dann eine Plattenfirma übernommen hat. Das ist unser Förderverein FourMusic.

Für welche Bands seht ihr Zukunftschancen? Für welche neuen Bands aus Deutschland?

Andy Y: Na ja ich hab jetzt nicht so den Überblick, was so an ganz neuen Bands so da ist. Juli oder Silbermond sind ja keine neuen Bands mehr. Die haben ja schon Erfolg.

Thomas D: Ob die in ein paar Jahren noch da sind, ist eine große Mutmaßung, nach einem Album. Das kannst du bei den Helden schon eher sagen. Wir sind Helden haben gezeigt, dass sie wiederkommen konnten, und das verspricht schon eine längere Karriere. Beatsteaks ist ganz klar, wenn die sich nicht auflösen, dass die eine lange Karriere vor sich haben, dass die noch lange nicht am Peak sind. Bei Seeed sehe ich das ähnlich. Seeed haben sich etabliert und werden hoffentlich auch eine größere Band bleiben. Gentleman wird, denke ich, internationaler Star, der Typ wird einfach nur noch durch die Decke gehen. Clueso natürlich wünsche ich einen Riesenerfolg. Wir sind jetzt schon so lange bei ihm und ich hab schon seit drei Alben das Gefühl, dass er es jetzt mal verdient hat, Erfolg zu haben, der leider noch ein bisschen ausblieb. Das erfordert natürlich konstante Leistung von ihm. Aber ich hab schon wieder neues Demomaterial gehört und find des jetzt noch geiler, als was ich auf der letzten Platte gehört hab. Also irgendwann muss des einfach nur noch durch die Decke gehen.

Was haltet ihr von der Diskussion über Fler und die generelle Debatte über Hip-Hop und Gewalt?

Thomas D: Das ist ein diffiziles Thema. Das lässt sich jetzt schwer mit einzelnen Worten beschreiben. Auf der einen Seite ist es gut, was mit Aggro Berlin passiert, es ist eine neue Richtung. Es ist sicher ein authentischeres Gerappe als vieles andere, aber diese Amerikanisierung im deutschsprachigen Hip Hop, dieses amerikanische Getue, behaupten, man wär ein Gangster, finde ich generell ziemlich lächerlich. Man kann bei Sido aber allerdings wieder herzhaft lachen, also find das schon wieder lustig. Natürlich unter dem Aspekt, dass es, wenn man es ernst nimmt, auch nicht zu einer besseren Welt beiträgt. Was Fler macht find ich ... blöd! Das hat relativ wenig mit Intelligenz zu tun, provozieren um jeden Preis finde ich fehl am Platz. Ich glaube nicht, dass er rechts ist, aber mit diesem Image sollte man nicht spielen, auch nicht als Immigrant!

Du hast vorhin gesagt, ihr würdet gerne Texte schreiben, die euch nicht langweilen, die uns nicht langweilen. Hast du auch das Gefühl, mit der neuen Richtung, dass Hip Hop mit Niveau schon noch eine Zukunft hat? Oder liegt der Erfolg von Aggro daran, dass die Lyrics eher beschränkt und der Tiefgang nicht so groß ist.

Thomas D: Ich glaube immer an Musik mit Tiefgang und mit Inhalt, selbst wenn sich eine große Masse dagegen entscheiden sollte, wirst du immer Liebhaber finden. Da sehe ich jetzt keine Konkurrenz. Ich war immer der Meinung, dass der Großteil der Leute Scheiße hört (lacht). Mein Musikgeschmack hat noch nie mit dem der Leute übereingestimmt. Deshalb ist Hip Hop, wie er zur Zeit in Deutschland gemacht wird, nichts, was ich mir anhöre. Ich suche mir meine Perlen heraus, und diese Perlen sind fast alle auf unserem Label, Clueso, Max Herre, Joy und natürlich wir, die Fantas. Da hast du halt noch Texte, bei denen du was mitnehmen kannst, die nicht von Frust, Hass oder Frauenfeindlichkeit handeln.

Glaubt ihr, dass sich eure Fans und auch das Publikum heute Abend intensiv mit euren Texten auseinandersetzt?

Thomas D: Unsere Fans auf jeden Fall. Hier sind wahrscheinlich viele Leute, die gucken sich die Fantas mal an, weil die vielleicht noch nicht so viel von uns mitbekommen haben, aber ich glaube, der Deutsche denkt nach. Wir sind alle ordentlich verkopft. Das kann man auch zum Guten verwenden, indem man über das Richtige nachdenkt, und wenn jemand einen deutschen Text hört, dann können viele gar nicht so abschalten wie bei englischsprachiger Musik, so hier rein, da raus. Sondern du hörst, ey der spricht ja in meiner Sprache. Da höre ich besser mal zu. Deshalb ist auch Platz für Inhalte und eine Message, die einen dann vielleicht irgendwann weiterbringt.

Abschlussfrage: Wenn ihr die Möglichkeit hättet, eine Partei zu gründen, nach eurem Geschmack ...

Andy Y: Jeder kann das tun, wir haben es aber noch nicht gemacht.

Wie würde die aber aussehen, und welche Ziele hätte sie? Und was würdet ihr machen, wenn ihr als Viererrunde zum Bundeskanzler gewählt würdet?

Thomas D: Ganz einfach: Andy ist der Experte, der die Daten auswertet und bleibt ein bisschen im Hintergrund und zieht dort die Fäden. Michi wird Wirtschaftsminister, weil er sich doch in den High Society-Kreisen total gut auskennt und die ein bisschen pleasen kann, denn man muss die doch ein bisschen pleasen, weil es bringt ja nichts wenn du die Wirtschaft und die Industrie gegen dich hast.

Andy Y: Der wird dann mit den Bossen in Urlaub fahren.

Thomas D: Genau, Michi kümmert sich um die Bosse auf den Yachten. Und Smudo ist wahrscheinlich als Außenminister am Start, weil er einfach Bescheid weiß und sie alle niederargumentiert, wenn's mal klemmt. Und der D ist dann der Kandidat, der von nix ne Ahnung hat, aber vorne echt ne gute Figur macht, so stell ich mir das vor.

Andy Y: Er verkauft uns einfach alles!

Thomas D: Yeah, ich verkauf euch einfach die Scheiße! Und die Scheiße wird natürlich wasserdicht sein, das ist mal ganz wichtig. Das Wichtigste bei der Partei ist, dass sie nicht verspricht, alles gut zu machen, sondern, dass sie von den Damen und Herren da draußen verlangt, alles gut zu machen. Frage nicht was deine Partei für dich tun kann, sondern frage, was du für deine Partei tun kannst. Das sieht natürlich so aus, dass der Bundeskanzler, also ich, dann nichts verdiene. Ich will kein Geld dafür, ich will kein Geld dafür, ich will aber auch keine Steuern mehr zahlen. Ich habe meinen Popstarjob, das geht, den mach ich noch neben her. Ich werde aber auch, da ich mich ja für alle einsetze, nirgends etwas zahlen, wo ich hingehe. Denn damit umgehst du nämlich die Korruption auf geniale Weise, weil wenn ich eh alles umsonst kriege, ha! Da würde ich mich nie bestechen lassen. Ich gehe irgendwo hin, sag' hallo, ich bin der Bundeskanzler, ah ja, hier nehmen sie mal meinen Wagen, oder die Brötchen beim Bäcker und ich sorge dafür - ähm ...

Andy Y: Dass das auch so bleibt ...(lacht)

Thomas D: Das dass so bleibt! (lacht). Dass wir alle ein bisschen glücklicher sind, vor allem ich. Nee, das geht jetzt nicht ganz auf, streiche am besten die letzte Ansage komplett! Es wird keine Fantastische Partei geben.

Andy Y: Das nicht, aber man sieht schon, da steckt viel Wahrheit dahinter (lacht). Die Wahrheit ist nur das, was keiner verträgt, darum machen wir keine Partei, wir würden es auch nicht vertragen auf Dauer.

Thomas D: Macht bestimmt auch keinen Spaß! Aber sprich mich doch noch mal in ein paar Jahren darauf an, wenn die Band kaputt gegangen ist und ich noch keinen Drogentod gestorben bin. Dann gehen wir vielleicht in die Politik. Dankeschön!

Bitteschön, Herr Bundeskanzler.

Das Interview führten Matthias Möller, Anna Johne, Simon Wiedenbach und Guido Neugebauer

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