laut.de-Kritik

Schläge, Schwänze, Schmalzgebäck.

Review von

Man kann Farid Bang Einiges vorwerfen. Etikettenschwindel gehört eher nicht dazu. "Ich fahr' eine Schiene, und die änder' ich nie." Um zu ahnen, was einen erwartet, wenn man sein Taschengeld in "Blut" investiert, genügt also rudimentäre Kenntnis der jüngeren Rap-Geschichte: "Es werden Mütter gefickt", in erster Linie.

Zudem rammelt sich Farid einmal quer durch die ungeliebte Konkurrenz und begattet von Ferris MC über Laas Unltd. bis zu Fler jeden, der ihm gerade sauer aufstößt. Letzterer kommt diesmal vergleichsweise glimpflich davon, dafür hat sich der Oberbanger inzwischen auf Oliver Marquart eingeschossen, der, angefangen bei "100 Bars" und dann gefühlt in jedem dritten Track, namentlich Erwähnung findet. Jungejunge, der rap.de-Chefschreiber muss da wirklich nachhaltig auf irgendeinen Schlips getreten sein.

Zu den erwarteten Schmähreden gesellen sich die ebenfalls erwarteten Themenkomplexe, die "Das Imperium Schlägt Zurück" traditionell zusammenhanglos zusammenwürfelt: "Nutten, Autos, Drogen, Kampfsport, Panzerglas, Rolex, Uzis, Guntalk, Poker, Koka, Derendorf, Totschlag, Drive-Bys, Schutzgeld, Glücksspiel, Testo, Pitbulls, Kutten, Geldwäsche, Käfigkampf, Vollbart, Schussfeld, Teflon-Vest, Cadillacs, Turban, Gangster, Stripclubs, Völkermord." Falls es jemandem entgangen sein sollte: "Der Banger ist zurück" und hat allerlei Wahrheiten mitgebracht.

"Hurensöhne wollen Beef, deshalb pöbeln sie auf Beats mit dem IQ eines Menschen aus der Dönerindustrie." Wer dabei an Steine und Glashäuser denkt, steht damit nicht alleine da. Wobei Farid Bang eigentlich nicht halb so blöde sein kann, wie manche seiner Zeilen glauben machen möchten. Immerhin vermutet er seine Anhängerschaft in der richtigen Altersgruppe: "Lieber habe ich nur Kinder als Fans als Menschen, die den ganzen Tag vorm Internet hängen."

Unter-Vierzehnjährige dürften tatsächlich die einzigen sein, die sich die phantasielosen Gewaltandrohungen, gerne gegen Frauen, aber auch sonst alles und jeden, noch als provokantes Rebellentum verkaufen lassen und Farid Bang nach "Das Letzte Mal Im Leben" für einen begnadeten Storyteller halten. Wenigstens halbwegs glaubwürdige Sprecher für die verteilten Rollen lassen sich offensichtlich auch mit dem "Kontostand eines Lottogewinners" nicht kaufen. Immerhin sah das Video dazu gut aus.

Farid protzt abwechselnd mit seinem Geld, seinen Verkaufszahlen, dem jeweils benutzten Automobil oder dem teuren Chronometer und behält schon wieder Recht: "Du kannst dich glücklich schätzen, wenn du dem Koma entwischst." Wer das nicht spannend findet, den beutelt selbstverständlich der nackte Neid. So jedenfalls erklärt es das in Bangerhausen proklamierte Weltbild.

Fat Joe in "Escobar" wirkt nicht ganz so aus dem Kontext gerissen wie die meisten teuer eingekauften US-Features auf vielen anderen Deutschrap-Alben. Bei Farid hängt ohnehin nichts mit nichts zusammen. Da fällt ein einsam im Raum stehender Ami-Emcee auch nicht weiter auf.

"Ich überroll' die Szene." "Ich lass' Mütter blasen." "Ich war' schon Gangster im Westen, da war'n in Pornos Schamhaare länger als Schwänze." "Blut" geriete mit seinen zwar fetten, aber durch und durch vorhersehbaren Produktionen einfach nur sehr, sehr, sehr langweilig, hätten es Farid Bang und seine (mit Ausnahme besagten Fat Joes) ebenfalls wenig überraschenden Gast-MCs (Summer Cem, KC Rebell und Kollegah) dabei bewenden lassen.

Aber, nö: Die Realität entpuppt sich als härter als die härteste Straßenkindheit. Dann nämlich, wenn Farid Bang sich an etwas versucht, das (hoffentlich höchstens er allein) für Tiefgang hält. Himmel, hilf! Das schmierige Saxofon in "Escobar" hätte schon gereicht, Julian Williams' Gesülze in "Schutzweste" toppt es mühelos, doch auch da hat der Ritt in den Schmalz-Hades noch nicht einmal richtig begonnen.

In "Nicht Vergessen" besingt Farid Bang - der Schwanz-an-deine-Mutter-Geber Farid Bang! - allen Ernstes die wahre Liebe. Respektive deren Absenz: Die bösen Frauen sind ja alle nur scharf auf einen Platz im Mercedes oder im VIP-Bereich, mimimi, am Sterbebett des armen Mannes mit den "Narben im Herzen" will keine sitzen. Mir kommen gleich die Tränen, echt.

Die fließen, zusammen mit Blut und Schweiß, tatsächlich spätestens dann, wenn einen Track später Xavier Naidoo unter "Uuuuuh"-Geschmachte den Chorus liefert: "Ja, dieses Leben ist hart." Oh, so wahr - aber "Wer Hat Etwas Anderes Gesagt"? Die Nummer lässt kein Klischee aus, auch nicht die obligatorischen Streicher, und wirkt (natürlich!) mit dunklem Klavier wie der dritte Aufguss von Lana Del Reys "Video Games". Grau-en-haft.

"Alles Hat Sein Sinn", erklären Farid und KC Rebell unbeirrt, "echte Männer lassen Taten sprechen." Dafür fahren sie einen Kinderchor auf. Einen Kinderchor! Williams und Naidoo trotzdem noch bestens im Ohr, höre ich aus dem "Bentley" unmittelbar danach allen Ernstes einen Dissversuch gegen "deine profitgeilen Scheißhooks" erschallen. Wer verarscht hier eigentlich wen?

Bevor sich das jemand fragt, schnell noch den Text von "Gangstabossrap" mit dem Schwanz in die Schreibmaschine getippt, in "Jebemti Majku" zu indianisch anmutendem Gesangssample in Gesellschaft von Kollegah mit der "Arroganz des Todes" ein dreckiges Grinsen als letzten Anblick in Aussicht gestellt und im "Geschichtsrapskit" ("Och, Herr Bang, schon wieder eine Vaterschaftsklage?") einen einigermaßen unappetitlichen, deswegen erstaunlicherweise auch nicht lustigeren gespielten Witz eingeschoben, dann haben wir es endlich hinter uns.

Beinahe zumindest: Ganz zum Schluss macht Farid noch einmal auf deep und dankbar, huldigt seiner Familie, seiner Entourage, seinen Wegbegleitern und seinen Fans und kann sich danach, verblüffend genug, "Immer Noch Ins Gesicht Schauen". "Damit die Straße nicht vergisst." Na, wenn die ihm das mal nicht um die Ohren haut.

Trackliste

  1. 1. 100 Bars
  2. 2. Das Imperium Schlägt Zurück
  3. 3. Russische Diät
  4. 4. Koma
  5. 5. Escobar
  6. 6. Schutzweste
  7. 7. Nicht Vergessen
  8. 8. Wer Hat Etwas Anderes Gesagt
  9. 9. Alles Hat Sein Sinn
  10. 10. Bentley
  11. 11. Gangstabossrap
  12. 12. Jebemti Majku
  13. 13. Gerichtsrapskit
  14. 14. Das Letzte Mal Im Leben
  15. 15. Immer Noch Ins Gesicht Schauen

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17 Kommentare mit 14 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Man könnte den Eindruck gewinnen, dass manche Künstler hier aus Prinzip schlecht bewertet werden.

    • Vor 7 Jahren

      definitiv. allerdings war der track mit naidoo, den du mir vorgestellt hast, auch das absolut beschissenste, was ich 2016 bisher gehört hab

    • Vor 7 Jahren

      Ich werde das Album schon wegen des Naidoo-Features auch nicht anhören, zögere mit ungehört 1/5 aber noch, weil ich befürchte, dass das die ungehörten 1/5 fürs nächste Flerrelease entwerten könnte.

  • Vor 7 Jahren

    Kann man ahnen. Wirklich gut ist "Blut" definitiv nicht. Da wurde viel in die Beats/Produktionen investiert und wirklich schlecht sind die auch nicht (kann aber auch nicht kaschieren, wie einfallslos Farid ist), viel mehr hat das Ding dann aber auch einfach nicht zu bieten. Ich bleibe dabei, Farid Bang ist höchstens für seine Lache und gerade so mit Kollegah auf JBG zu gebrauchen.

  • Vor 7 Jahren

    Absolut objektiv und ohne Vorbehalte oder Vorurteile bewertet, wie immer bei Farids Alben