8. März 2004

"Wir wollen mit Slipknot oder Rammstein spielen"

Interview geführt von

Im März 2002 gibt Roadrunner Records den Ausstieg Bells und damit die Auflösung der Band bekannt. Auch von bandinternen Streitereien und ernüchternden Verkaufszahlen ist die Rede. Im Nachhinein stellt sich raus, dass Gitarrist Dino Cazares wohl der Hauptverantwortliche für die miese Stimmung innerhalb der Band war und keiner der drei anderen mehr mit ihm zusammen arbeiten wollte. Im Interview nennt Christian Olde Wobers Dino nur noch "den Anderen".

Möchtest du noch irgendeinen Kommentar zum Split von Fear Factory ablassen, oder gibt es da nichts mehr zu sagen?

Was soll ich sagen, wir haben uns einfach aufgelöst. Grund dafür war, dass wir einfach keine anständige Arbeitsbasis mehr hatten. Keiner hat sich bei Fear Factory wirklich wohl gefühlt, und was soll man da schon machen? Burton hat darunter am meisten gelitten, er hat sich nicht nur nicht mehr wohl gefühlt, sondern sogar richtig mies. Nachdem er mit uns zwölf Jahre lang zusammen gearbeitet hatte, kam eben der Zeitpunkt, an dem er sich eingestand, dass es so nicht weiter gehen konnte. Fear Factory sollte etwas sein, woran alle Spaß haben, und wenn das nicht mehr der Fall ist, läuft irgendwas schief. Burton hat also die Segel gestrichen und Raymond (dr) und ich packten kurze Zeit später unsere Koffer. Wenn der Sänger abhaut und die Qualität des Albums nicht mehr stimmt, solltest du aufhören, und das haben wir getan. Raymond und ich haben uns dann an andere Projekte gemacht, genauso wie Burton, bis wir jeder ein Schreiben von Roadrunner America bekamen, dass wir sofort damit aufhören sollen, weil wir ja schließlich noch als Personen bei ihnen unter Vertrag stünden. Der Vertrag, den wir damals mit denen gemacht haben ist dermaßen beschissen gewesen, da hätten wir auch gleich unsere Seelen verkaufen können. Hätte ich mit Michael Jackson zusammen gearbeitet und eine Million Dollar verdient, wäre die Kohle direkt auf das Roadrunner Konto geflossen. Mir fällt gar nicht genug Schlechtes ein, was ich über dieses Dreckslabel erzählen könnte.

Und wie ging das dann weiter?

Wir waren nach wie vor bei denen unter Vertrag und mussten also einen Weg finden, wie wir uns einig werden konnten. Vor allem, wie wir mit unserem Leben fortfahren konnten, ohne von Roadrunner kontrolliert zu werden. Ich hab also mit Ray und Burt ein Vier-Song-Demo zusammengestellt und das ans Label geschickt. Damit habe ich den Ball in ihre Hälfte gebracht und sie gezwungen, zu entscheiden, was weiter geschehen soll. Darauf hat sich Burt dermaßen über die Labelpolitik und den ganzen Scheiß ausgekotzt, dass es Roadrunner wohl doch zu bunt mit uns wurde, und sie uns letztendlich gedropt haben. Kaum waren wir von Roadrunner weg, kamen schon die ersten Angebote von anderen Labels, und es waren wirklich ein paar gute Sachen dabei. Wir haben uns zu dritt zusammen gesetzt, mit dem anderen hatten wir ja schon lange nichts mehr zu tun, und haben überlegt, was wir weiter machen sollen. Letztendlich hing es von Burt ab, ob er wieder wirklich Spaß an Fear Factory haben würde, und das ist definitiv der Fall. Wir sind im letzten Jahr bessere Freunde geworden, als wir es zuvor je waren, was an sich schon strange ist. Das war für uns eine klasse Ausgangssituation.

Wann kam dir eigentlich die Idee, die Gitarre zu übernehmen?

Das war eigentlich nichts, worüber ich großartig nachgedacht hätte. Es war einfach notwenig, um das Demo einzuspielen, mit dem wir uns von Roadrunner verabschieden wollten. Wir hätten eigentlich drei weitere Alben für Roadrunner einspielen müssen, aber Gott sei Dank hat sich das erledigt. Roadrunner Germany haben sich nur die Rechte am Vertrieb gesichert, was auch kein Problem ist, da wir mit denen immer gut zusammen gearbeitet haben. Roadrunner America sucks, man. Wenn du nicht Nickelback heißt, dann scheißen sie auf dich. Das ist ziemlich traurig, denn ich denke, dass Fear Factory eine Menge Potenzial haben. Frag mal Sepultura, die werden dir was ganz Ähnliches erzählen, deren Vertrag war fast noch beschissener. Das Label ist inzwischen dafür bekannt, abzusahnen und seinen Bands dafür nichts zu geben. Ich will da jetzt gar nicht weiter ins Detail gehen, sonst raste ich noch aus.

Das kann ich mir kaum vorstellen, denn Roadrunner waren für mich immer ein Label mit so geilen Bands. Auch mit ihrem Sublabel Roadracer in den 80/90ern mit Bands wie Obituary. Wie kann man seinen Ruf so kaputt machen?

Keine Ahnung, aber du kannst mir glauben, die hatten mit Sicherheit alle verdammte Scheißverträge. Die Kohle hat nur das Label gemacht, oder was denkst du, warum sich so viele Bands, die da unter Vertrag waren, aufgelöst haben? In Europa ist das eine ganz andere Geschichte, da hat man viel eher das Gefühl, dass die Labels und die Metal-Szene noch verbunden sind. In Amerika geht es nur um Nickelback und wie man den nächsten Song ins Radio bringt. Wenn sie eine andere Band haben, die Kohle einfährt, dann greifen sie die ab, und schieben sie Nickelback in den Arsch. Die anderen dürfen dann Scheiße fressen. Wir sind so froh, dass wir da weg sind. Jetzt sind wir bei einem wirklich kleinen Label, die außer uns keine andere Metal-Band unter Vertrag haben. Midnight Oil sind auch bei denen, hahaha. Das ist aber echt cool, denn wir haben Priorität bei denen, auch wenn wir ihnen erst mal erklären mussten, was überhaupt Headbanger's Ball ist. Nachdem ich ihnen das erklärt hatte, war aber klar, dass sie uns da irgendwie unterbringen mussten, you know? Die wissen einfach, dass was bewegt werden muss.

Eigentlich warst es doch meistens du, der mit den experimentelleren Sachen wie dem Hip Hop-Zeug in "Back The Fuck Up" vom letzten Album ankamst. Jetzt verwundert es mich doch etwas, dass "Archetype" sozusagen wie der Prototyp eines Fear Factory-Albums klingt.

Stimmt schon, wobei ich dazu sagen muss, dass ich "Back The Fuck Up" nie auf "Digimortal" haben wollte. Das war eine Entscheidung zwischen dem anderen und dem Label. Ich hatte damit überhaupt nichts zu tun, bekomme das aber immer unter die Nase gerieben, hahaha. Einige der Kids hassen den Song geradezu und ich werde dafür verantwortlich gemacht. Dann hieß es immer: "Oh, Mann, Christian und sein Hip Hop-Scheiß. Muss das denn sein?" Bei "Archtype" wollte ich aber bewusst auf alle Experimente verzichten. Es ging einfach nur darum, den Kids exakt das zu geben, was sie von Fear Factory erwarten und hören wollen. Sie wollen diesen Heavy Shit haben, zu dem sie abmoshen können, stagediven und einfach eine gute Zeit haben. Manche werden bestimmt sagen: "Oh, das ist aber nichts neues, so haben Fear Factory doch schon immer geklungen." Bingo, exakt das war die Idee dahinter. Es sollte einfach sehr spontan und roh werden, ohne, dass es überproduziert klingt, wie das bei "Digimortal" der Fall war. "Archetype" fühlt sich einfach lebendig an. Es ist vielleicht nicht die beste Produktion, aber die Songs haben einfach wieder Eier und eine Menge Kraft. Ich wollte dieses Hardcore Feeling einfach wieder haben und ... wow, schau dir das an. Die Titten sind ja schon wieder größer geworden.

Äh, ja, beeindruckend. Aber um mal von Madame Aguilera abzulenken: Ich hab da noch ein Zitat von Burton im Ohr, in dem er sagt, dass er einfach nicht mehr wütend und aggressiv genug sei, um diese Art Musik zu machen und so zu singen. Wenn ich mir die neue Scheibe anhören, dann muss sich da aber wieder Einiges getan haben. This guy sounds pretty pissed!

Keine Ahnung, wann er das gesagt hat, aber ich denke, es war eher so, dass er nicht mehr hungrig genug war. Die Stimmung innerhalb der Band war einfach nicht mehr gut und jeder hat sich vom anderen weg entwickelt. Es gab keinen Teamgeist mehr, und da ist bei Burt natürlich die Leidenschaft für unsere Musik irgendwann flöten gegangen. Inzwischen ist es aber wieder so, dass er sich voll in seinem Element fühlt und vor allem auf der Bühne den Ton angibt. Er ist das Sprachrohr der Band, und mit diesem Job ist er auch zufrieden und kann ihn erfüllen. Er hat deutlich mehr Verantwortung, und das bringt auch den Hunger wieder zurück. Wir sind alle einfach besser drauf, als das lange Zeit der Fall war. Seit wir hier auf Interviewtour sind, haben uns schon Einige gesagt, dass wir viel zufriedener wirken, als noch auf der letzten Promotour. Da hätte man richtig gemerkt, dass wir uns nicht wohl fühlten. Und verdammt, da haben sie recht.

Denkst du, dass sich dein Gitarrenstil sonderlich von dem des anderen unterscheidet?

Es hält sich wohl in Grenzen, denn immerhin wollte ich sicher gehen, dass es wie Fear Factory klingt. So lange ich mit Raymond und Burt zusammen spiele, ist es auch nicht sonderlich schwer. Ich hab auf dem Album nicht versucht, irgendwelche ausgefallenen oder komplizierten Sachen zu spielen. Es ging nur darum, ein gutes Album zu machen, die Basis zu legen, auf der Burt gut aussehen kann. Dieses abgestoppte Riffing, bei dem du hauptsächlich den Bass-Drum-Patterns folgst, das ist nichts Besonderes, das kann jeder. Wie dann aber alles zusammen spielt, das ist, was Fear Factory ausmacht. Nicht der Gitarrist, der Bassist, der Sänger oder der Drummer, sondern die ganze Band.

Ihr habt mir Byron Strout (Strapping Young Lad, Zimmer's Hole) einen ziemlich fähigen Bassisten. Hat er auf dem Album schon gespielt, und wann seid ihr mit ihm in Kontakt getreten?

Nein, die Bassspuren sind noch von mir. Wir haben ihn eigentlich schon während der Aufnahmen angerufen, aber er war noch mit Strapping Young Lad auf Tour. Wir kennen Byron schon eine ganze Zeit lang und er ist nicht nur ein verdammt guter Bassist, er ist auch menschlich ein super Kerl und versteht die Musik. Als wir das Album in Vancouver abgemischt haben, war er aber schon dabei und er hat auch schon ein paar Gigs mit uns gespielt. Ich hoffe, dass als richtiges Bandmitglied bei uns einsteigen wird, obwohl das ganz schön schwierig werden kann, schließlich hat er ja noch seine anderen Bands. Das liegt also letztendlich an ihm, denn ich kann ihn ja schließlich nicht als Geisel nehmen, um ihn bei uns zu behalten, hahaha. Wir werden sehen.

Was geht eigentlich mit Rhys Fulber. Er hat ja den Song "Ascension" geschrieben, aber das ist ja mehr ein Outro, als irgendwas anderes.

Er war auch nicht von Anfang an dabei, sondern kam erst dazu, als wir das Album praktisch fertig hatten. Wir haben ihn dann wieder für ein paar Keyboardparts zu Rate gezogen, und "Ascension" ist eben auch komplett von ihm.

Wie kam es denn zu der Nirvana Coverversion von "School"?

Burt und ich stehen beide sehr auf Nirvana und vor allem auf diesen Song. Er hat mir dann gesagt, dass er diesen Song gerne spielen würde, und ich dachte mir nur, klar, warum nicht? Wir haben versucht, den Song so weit wie möglich nach Fear Factory klingen zu lassen, ohne das Original aus den Augen zu verlieren.

Was kommt auf dem Live-Sektor auf euch zu?

Wir werden mit Slipknot und Chimaira die Jägermeister Tour durch die Staaten bestreiten. Wäre cool, wenn wir das Package auch nach Europa bringen könnten. Wir wollen auf jeden Fall auf den Festivals in Europa spielen und im Herbst auch in die Clubs kommen. Dann entweder als Headliner oder aber mit einer wirklich angesagten Band wie Slipknot oder wegen mir auch Rammstein. Es sollte musikalisch schon irgendwie passen.

Das Interview führte Michael Edele

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Fear Factory

Wenn Die Krupps die Synthese aus Industrial und Metal erschaffen haben, so haben Fear Factory sie revolutioniert. Wo die Mannen um Jürgen Engler noch …

Noch keine Kommentare