16. Mai 2018

"Punkrock ist mir scheißegal!"

Interview geführt von

Die Schauspieler Charlie Hübner und Sebastian Schultz haben Feine Sahne Fischfilet und deren Sänger, Jan "Monchi" Gorkow, über drei Jahre lang begleitet und daraus einen Film gedreht. Wir sprachen mit der 'Hauptfigur'.

Jan Gorkow, Sänger von Feine Sahne Fischfilet, Aktivist und Star der ostdeutschen Provinz reist für die Vorstellung eines Filmes über sein Leben nach Kreuzlingen, eine Schweizer Kleinstadt. Im Begegnungszentrum Trösch versammelt sich ein Haufen linker Jugendlicher, vor der Aufführung werden Fischstäbchen aus Vokü der verzehrt.

Der Vorführungsraum ist voll. Neben der lokalen Antifa, den Jusos und anderen Linken sitzt auch ein Dutzend älterer Leute im Saal. Das Publikum lacht viel und genießt den Film, genau wie Monchi selbst. Anschließend diskutieren eine Vertreterin der Antifa, ein Sprecher der Jusos und Monchi über dies und jenes. Dabei ist das Ohr des Hauptdarstellers offen für filmbezogenen Fragen, politische Debatten und Werbung für lokale Veranstaltungen.

Anschließend führe ich mit Monchi im Hinterraum das Interview. Als ich anfänglich Schwierigkeiten mit dem Diktiergerät habe, unterstützt mich Monchi mit mehreren "lass dich nicht stressen", und so starten wir entspannt in das Gespräch.

Wenn man sich aktuelle Interviews zu deinem Film ansieht, stößt man oft auf den Begriff, dass du die Hose runterlässt. Wie fühlt es sich an, ohne Hose vor ganz Deutschland zu stehen?

M: (lacht) Sehr komisch. Sehr viele Leute machen sich dadurch noch krasser ein Bild von mir und bekommen das Gefühl, mich zu kennen. Das ist schon sehr komisch, weil sie ja nur Facetten kennen. Das sind schlussendlich dreißig Jahre meines Lebens auf 90 Minuten runter gekürzt. Zwar lassen wir inhaltlich auf "Sturm & Dreck" auch unsere Hosen runter, da geht's ja nicht nur um Politik, trotzdem ist so ein Film etwas ganz anderes. Manchmal ist es toll, manchmal komisch, manchmal denkt man 'oh Gott das überfordert einen', manchmal denkt man, toll, dass es den Film gibt. Ganz verschiedene Gefühle.

Hast du denn das Gefühl, dass du so präsentiert wirst, wie du dich siehst?

M: Ich glaub was echt gut war, ist, dass ich einen Freundeskreis habe, den ich seit Jahren pflege. Und als diese manchmal sehr wortkargen Vorpommerner den Film gesehen haben, haben sie gesagt: 'Ja, das ist gut so, das ist realistisch'. Und das war das größte Kompliment. Es ist klar, dass nicht jedes Detail vorhanden sein kann, aber im Ganzen ist es realistisch. Und natürlich gibt es Szenen, bei denen ich mir denke 'öh, das ist jetzt komisch, dass das so viele Leute sehen', aber das bin halt auch ich. Ich finde, sie haben viele verschiedene Facetten rein genommen, so dass es kein reiner Helden-Film ist, sondern man auch peinliche Momente oder harte, sehr nahe Momente mitbekommt. Es ist ja nicht mein oder unser Projekt so, aber ich finds okay, finds gut.

Hast du das Gefühl, dass der Film etwas über dich vermitteln konnte, was du mit der Musik nicht kannst?

M: Das kann ich nicht so sagen, weil es wie gesagt nicht unser Film ist, sondern ein Film über uns. Ich denke, den Filmemachern war eine Aussage wichtig und vielleicht geht das in die Richtung 'nach vorne schauen in beschissenen Zeiten und Kraft geben' und sowas. Aber ich muss sagen, dass ich mit Musik noch mehr von mir erzählen kann.

Der Film ist auch als Schulmaterial im Gespräch. Denkst du, er könnte Jugendliche in positiver Weise politisieren?

M: Keine Ahnung. Wir stecken eben nicht dahinter, sondern begleiten das eher. Aber was ich natürlich genial finde, ist wenn ganz viele verschiedene Leute sich auf der Tour den Film angeschaut haben, heute war ja auch alles von jung bis alt da. Wir waren mit dem Film schon in Kinos, die 650 Besucher hatten, und an den verschiedenen Leuten war echt cool, dass viele dabei waren, die sich jetzt vielleicht nicht als 'zeckig' verstehen. Was es im Endeffekt mit den Leuten macht, kann man ja gar nicht beeinflussen. Aber schön, wenn es viele Leute erreicht und krass wie es gerade mit dem Film läuft, für einen selbst schon sehr absurd.

"Punkrock ist mir scheißegal!"

Wie hat es sich eigentlich angefühlt bei den Hansa Rostock Ultras mit Nazis Seite an Seite zu stehen?

M: Nicht komisch. Ich meine, es gibt so viele Nazis, die finden die Ostsee geil oder Bifi-Rollen oder essen gerne Hamburger oder so. Da jetzt zu sagen, weil die das geil finden, finde ich das nicht mehr geil, wäre irgendwie der völlig falsche Weg, das lass ich mir ja nicht nehmen.

Gab es Begegnungen bei Spielen oder ähnlichen Events, wo du mit dir bekannten oder bewussten Nazis auf einer Seite standest?

M: Ja kar. Man steht ja im Block.

Hast du dich währenddessen als eine Art Fußballgemeinschaft mit den Nazis solidarisiert?

M: Ich kann das nicht pauschal sagen, es gab einfach viele Phasen. Manchmal gab's den Punkt, da dachte ich, ich hab kein Bock mehr, es gab Phasen, in denen es mir scheißegal war oder wo ich das nicht so geil gefunden hab.

Weißt du, im Film ist alles so einfach runtergebrochen, dabei war das ein langer Prozess. Und wenn ich heute ins Ostseestadion gehe, ist mir auch klar, dass da auch Nazis mit mir im Block sitzen. Ich meine, bei uns haben 21 Prozent die AfD gewählt, dreieinhalb Prozent die NPD. Ich setz mich da hin und mir ist klar, dass viele Leute dort mich scheiße finden.

Was mir aufgestoßen ist, ist der Heimatbegriff, mit dem du gerade öfter konfrontiert wirst. Viele wühlen ja gerade zu nach deinem Heimatbezug oder wollen dich in eine Ecke drängen. Würdest du mir zustimmen, dass Solidarität ein etwas passenderes Thema wäre?

M: Puh, ich glaube, dieses an Worten aufhängen ist gar nicht mein Ding. Das ist wirklich das Ding von sehr gebildeten Leuten. Ich merk selber natürlich, dass die dann was mit Heimat wollen, und ich denk mir: 'das ist mir eigentlich scheißegal'. Also wir machen einfach zu sechst unser Ding, ich wohn da gerne und kann das problemlos sagen. Auch nicht in einer Überhöhung, sondern es gibt auch Idioten, aber es gibt überall Arschlöcher. Und mir ist es wirklich ernsthaft egal, wie die Leute das benennen.

Einmal wurdest du sogar als Heimatpunk bezeichnet - glaubst du, dass beispielsweise Rio Reiser als Vertreter von Ton Steine Scherben und auch des Deutschpunks, negativ darauf reagieren würde?

M: Ich kenne Rio Reiser nur vom Namen und von seinen Liedern, keine Ahnung. Das erste was mir aufstößt, ist 'Punk', ich bin gar kein Punk, null, ich bin ich. Ich glaube, das ist das selbe wie mit der 'Heimat', die Leute brauchen dauernd Schubladen und kommen damit sehr sehr schwer klar, wenn man sagt, man steht für sich selber. Und wir stehen für uns sechs, das ist das, womit uns Leute beschreiben könnten. Wie gesagt ich hab nie einen Iro getragen, ich hör von Punk Rock über Hip-Hop und Techno bis Schlager alles. Wirklich, Punkrock ist mir scheißegal! Man merkt einfach, dass Leute andauernd solche Wörter brauchen, um jemanden einzuordnen, aber man merkt irgendwann auch, dass es gar nicht das eigene Problem ist, sondern das Problem von Journalisten. Das meine ich jetzt gar nicht böse oder so, aber das ist einfach nichts, woran ich mich hochziehen muss.

Also fühlst du dich auch nicht in die Punk-Ecke gedrängt?

M: Meinetwegen können uns Leute in jede Ecke drängen. Die einen sagen, wir sind zu politisch, die anderen zu unpolitisch. Komm ich heute Abend nachhause, hab ich hundert Nachrichten: die einen sagen, wir sind saugeil, und die anderen sagen, wir sind Schweine. Eine Gruppe sagt, wir verraten Punkrock, die nächste beschwert sich, daas wir zu dollen Punkrock machen. Es ist einfach egal, wir müssen uns unter uns sechs einig sein und wissen, wo wir stehen. Und das kriegen wir glaube ich ganz gut hin. Wie Leute das dann benennen, ist ihr Ding. Würde ich mich daran jedes Mal heiß machen, würde ich irgendwann durchdrehen.

"Es ist jetzt eher an der Zeit, mit den geilen Leuten was zu reißen"

Eure Kampange 'Noch nicht komplett im Arsch' fand zu Zeiten der letzten Landtagswahlen in MP statt. Glaubst du jetzt, nach den Bundestagswahlen, sind wir fast komplett im Arsch?

M: Ne, glaub ich nicht. Der Punkt ist ja, wir haben solche Sachen schon die letzten fünf Jahre gemacht. Wir haben sie bloß vor die Landtagswahlen gesetzt und der Aktion einen Namen gegeben. Wir haben schon immer mit den Leuten aus den ganzen Dörfern und Kleinstädten zusammen versucht, sowas zu stemmen. Und das machen wir ja bis heute so. Beispielsweise feiern wir unsere Release-Party dann nicht in Berlin oder so, sondern auf dem Dorf, wo unser erster Proberaum war, in Lülz.

Die Leute hängen sich immer so an Wahlen auf, aber diesen Rechtsruck gibt es schon Ewigkeiten. Die Leute sind jetzt geschockt, weil sie realisieren, dass alles näher an sie heran rückt. Aber wir kommen aus Meck-Pomm, da ist die NPD schon seit zwei Legislatur-Perioden im Landtag. 70.000 Leute haben die Nazis gewählt. Diese Geschocktheit, die schockiert eher. Das finde ich wirklich erschreckend, weil es nur davon zeugt, dass es die Leute erst dann bewegt, wenn es näher an ihre kleinen Gärten heran rückt.

Für uns ist eine ganz andere Stimmung, wir haben diese komplett ausverkaufte Tour gespielt, nachdem wir unser Album rausgebracht haben. Wir haben vor zigtausend Leuten gespielt, die vielleicht nicht alle zeckig sind, aber alles tolle unterschiedliche Leute, definitiv keine Nazis. Und auch jetzt war ich die letzten zweieinhalb Wochen mit Charlie und Sebastian unterwegs, und wir standen vor irgendwelchen Sälen, wo hammerviele coole Leute sind. Was also soll es bringen, den Weltuntergang herbeizureden? Es ist jetzt eher an der Zeit, mit den geilen Leuten was zu reißen, davon bin ich überzeugt.

In der Gesprächsrunde vorhin wäre fast eine sehr interessante Diskussion entstanden, bei der es darum ging, ob die Nazis bei euch schlimmer sind als die hier im Süden. Ich glaub der wesentliche Unterschied ist, dass sie sich hier hinter Gremien und ähnlichem verstecken.

M: Ey, vielleicht ist es hier viel räudiger, weil es bei uns offensichtlicher ist. Aber hier verziehen die sich hin, und hier hat die NSU ihre Waffen gebunkert. Und da will ich nicht ansatzweise beurteilen, was schlechter ist, aber ich wage zu bezweifeln, dass es hier langfristig viel geiler ist. Die Diskussion, dass wir es schlimmer haben, ist total absurd. Das wollte ich vorhin auch vermitteln: Ich finde es total cool, wenn die Leute hier versuchen, gegen den Rechtsruck zu arbeiten. Es geht nicht darum, damit zu prahlen, dass wir die Harten sind oder so, sondern darum, sich auszutauschen wie es ist.

Habt ihr schon Ablehnung von Kontakten aus der Musikindustrie erfahren, weil ihr euch so stark positioniert?

M: Ja klar.

Wie stehst du diesbezüglich zu dieser Echo-Diskussion, ändert sich nun vielleicht etwas?

M: Ich fands sehr cool, wie Campino sich da positioniert hat, finds aber auch komisch, dass er der einzige ist. Wir waren ja auch nominiert, sind aber nicht hingegangen, weil wir es allgemein als Lappenveranstaltung wahrnehmen. Wir haben auch nichts gegen Preise und Frei-Suff, ist auch mal geil, aber dann hatten wir zusätzlich noch die Kinoreise, also drauf geschissen. Wenn wir im Voraus gewusst hätten, dass wir gewinnen, hätte ich die Möglichkeit auch genutzt etwas zu sagen. Bestimmt auf eine andere Art und Weise als Campino, aber dass er sich überhaupt hinstellt, find ich sehr geil. Allgemein hab ich keine Ahnung von Hip Hop, aber schockieren tut es mich auch nicht. Ich häng mich auch nicht an dieser Zeile auf, sondern daran, was da generell transportiert wird. Ich hab eigentlich kein Bock, den Moralapostel zu spielen, aber wenn sich das Tausende Kids reinziehen, dann entsteht da auch was draus. Irgendwas bleibt bei denen hängen, da kann man sich nicht die ganze Zeit auf künstlerische Freiheit einen runter holen.

Siehst du das als reine Provokation, oder glaubst du, Kollegah und Farid Bang sind Antisemiten?

M: Boah, das kann ich nicht sagen, einfach weil ich mich damit zu wenig befasst habe. Das ist halt ne Idiotenzeile, und alleine wie die sich bei der Preisverleihung gegeben haben, spricht für sich. Ich kenne die bis heute nicht richtig und kenne auch keine Lieder von denen. Aber die geilsten Leute können es schon mal nicht sein, weil ich denke, dass man Musik schon sehr bewusst macht. Und mir kommt auch mal sexistische und rassistische Kacke aus dem Mund, aber als Künstler diskutierst du doch darüber: was machst du, was willst du, was findest du gut. Und vielleicht hat man auch mal ne düsige Zeile, und dann guckst du aber noch hundert mal drauf und überlegst es dir nochmal. Aber ich mach mich daran nicht zu heiß, das ist das Jahr 2018 und ich hab ganz andere Probleme als solche Hip Hop Dullis. Reicht dir das als Antwort, oder was denkst du dazu?

Doch, ich teil deine Meinung, dass man dieser Diskussion zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Zurück zum Film: "Wildes Herz" endet mit der Frage, wie wir leben wollen. Wie willst du leben?

M: Entspannt. Also ich lebe einfach sehr sehr gerne. Und das, was wir gerade zu sechst erleben können, ist genial. Ich sitze hier in irgendeinem Ort, habe den Ortsnamen davor noch nie gehört, war heute im Bodensee baden, wir spielen aber auch auf Riesen-Festivals - das ist genial! Ich möchte so leben, wie ich gerade lebe. Das kommt immer auf den Moment an: Mal mag ich es laut, mal ruhig. Mal will ich auf die Kacke hauen und mal einfach nur an der Ostsee liegen.

Zum Schluss, ganz persönlich, wie fühlt es sich an, ein Bullenauto anzuzünden?

M: Wie ein Rausch, Drogenrausch.

Danke dir Monchi, für das Interview, aber auch für eure Musik und eure Kampagne. Ich finde es schön, wenn der eine Arsch von Deutschland sich mit dem anderen solidarisiert.

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