9. Juli 2009

Die Angst vor Werwölfen und Geistern

Interview geführt von

Florence And The Machine darf man bereits heute als die britischen Durchstarter des Jahres bezeichnen. Die Band spielte mit Blur und MGMT, rockte das Glastonbury-Festival und begeistert die Musikpresse. All das vor dem Erscheinen des ersten Albums.Das Gespräch zwischen Frontfrau und Mastermind Florence Welch und laut.de beginnt mit einer Überraschung. Denn die Stimme, die aus London in meinen Telefonhörer weht, klingt keineswegs so energisch und selbstsicher wie ihr digitaler Abzug auf CD.

Florence Welch spricht leise und mit großer Vorsicht. Immer wieder nimmt sie sich lange Pausen, um ihre knappen Antworten genau zu überdenken. Ein solch schüchternes Auftreten hätte die 22-jährige Songwriterin eigentlich gar nicht nötig. Feiert sie doch die Pop-Journaille einig als britische Newcomerin des Jahres 2009. Erst vor kurzem rockte sie das weltbekannte Glastonbury-Festival, spielte im Vorprogramm von Blur und ging mit Glasvegas und den White Lies auf NME Awards Tour.

Auch über diese Erfolge äußert sich die aufstrebende Künstlerin nur sehr zurückhaltend. "Manchmal ist das alles etwas viel und beängstigend", meint sie. "Aber meistens schaffe ich es, meinen Kopf über Wasser zu halten".

'Was ist das?' - 'Das ist eine Harfe!'

Was ihre Karriere überhaupt ins Rollen brachte, kann sich Florence Welch selbst nicht recht erklären. "So etwas ist schwer zu sagen", bemerkt sie zögernd. "Ich weiß nur, dass ich seit zwei Jahren Live-Shows spiele. Die wurden immer größer".

Der massive Zuspruch englischer Medien trug sicherlich seinen Teil bei. So genießt die Songschreiberin seit 2008 die Unterstützung der BBC. Außerdem gewann sie im Februar dieses Jahres den Critics Award der Brit Awards. All dies noch vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums. Trotz der vielen Vorschusslorbeeren sei ihre Debüt-Scheibe "Lungs", die am zehnten Juli 2009 erscheint, ohne großen Druck entstanden, beteuert Florence Welch.

"Zu der Zeit als ich den Award bekam, hatte ich eine klare Vorstellung was für ein Album ich machen wollte. Es wäre komisch gewesen, wenn ich nicht gewusst hätte, welchen Sound ich kreieren möchte. Aber das wusste ich. So konnte ich einfach weiter arbeiten", erzählt sie.

Das Ergebnis ihrer Arbeit beinhaltet zwölf Songs, die Welch zwischen ihrem siebzehnten und zweiundzwanzigsten Lebensjahr komponiert hat. Sie bezeichnet die Platte als eine "musikalische Reise", auf der sämtliche Einflüsse dieser Zeit vertreten sind. Neben Green Day, Nirvana oder den White Stripes prägten auch Etta James und Dusty Springfield das Schaffen der Jungmusikerin.

Trotz einiger Anklänge kultiviert Florence Welch einen ganz individuellen Sound. Dafür sorgt nicht zu letzt auch ihre Begleitband (The Machine). Die Musiker der Truppe schickte ihr der Zufall.

"Es ist wirklich wie ein Mischmasch", berichtet die Newcomerin. "Wir haben die Harfe in der Band, weil der Typ, der sie spielt, an unserem Studio vorbei lief. Er trug dieses große Instrument, von dem wir nicht wussten, was es war. Ich fragte ihn: 'Was ist das?' Und dann sagte er: 'Oh, das ist eine Harfe.' Ich sagte: 'Wow, cool. Komm und spiel auf meinem Album.' Der Rest der Gruppe besteht aus Freunden von Freunden und all sowas. Leute, die ich auf Partys getroffen habe und mit denen ich aufgewachsen bin".

Neben dem Klang haben auch die Texte ihre ganz eigene Note. Bildreich und abgründig singt Welch von Beziehungen und Gefühls- oder Gedankenchaos. Inspirationsquellen sieht sie überall. "Die Art wie das Licht auf das Gebäude trifft, ein Spaziergang, andere Leute beim Spielen beobachten - solche Dinge".

"Das ist es, was ich tun muss!"

In ihren Lyrics dominieren jedoch Tod, Streit, und Trennung. "Meine Vorstellungskraft führt mich immer zu den depressivsten Dingen. Ich war ein sehr ängstliches Kind. Ich hatte Angst vor Werwölfen und Geistern. Außerdem schlafe ich sehr schlecht und habe viele Albträume", sagt sie. "Ich lese sehr viel. Die meisten Sachen, die ich lese, sind sehr depressiv. Ich habe zum Beispiel 'The Road' von Cormac McCarthy gelesen. Gerade lese ich 'Less Than Zero' von Bret Easton Ellis. Das ist wirklich sehr deprimierend", konstatiert die Songwriterin lachend.

Dennoch wirkt der titelgebende Track "Between Two Lungs" äußerst positiv. "In dem Song geht es um einen Kuss, es geht darum, Luft mit jemandem zu teilen", erklärt Welch. "Als ich 'Between Two Lungs' schrieb, erkannte ich, welchen Sound ich machen wollte. Es war eine Art von Erleichterung. Ich dachte mir: Oh mein Gott, das ist es, was ich tun muss! Deshalb habe ich das Album "Lungs" genannt. Der Titeltrack taucht überall auf".

Erleichterung empfindet die Künstlerin auch angesichts der baldigen Veröffentlichung ihres Erstlings. "Es fühlt sich jetzt ein bisschen so an, als liege die Platte nicht mehr in meinen Händen. Was mir sehr gefällt, ist die Songs nun live zu spielen. Das ist momentan sehr aufregend. Man läuft damit herum und sieht die Reaktionen anderer Leute".

Auf deutschen Bühnen gastierten Florence And The Machine bislang noch nicht. Dafür kennt der ein oder andere ihre erste Single "Kiss With A Fist" aus der Fernsehwerbung eines Mobilfunkanbieters. Welch ließ das Stück in den Spot einbauen, um sich dem hiesigen Publikum vorzustellen. "Ich denke, es ist schön, wenn ein Kid aus Deutschland Fernsehen schaut, meinen Song hört und ihn mag. Es ist einfach nur eine Möglichkeit, Leute zu erreichen. Sonst würden sie den Song wahrscheinlich nie hören".

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