laut.de-Kritik

Die Musik hält mit Grohls Mega-Kampagnen nicht mehr mit.

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"Wow, I've never seen so many people in my life", stammelt Ozzy Osbourne bei gleißendem Tageslicht vor 300.000, vielleicht auch 400.000 Zuschauern. "California Jam" nannte sich das kalifornische Rock-Festival des Jahres 1974, die YouTube-Videos dazu sind Legende, im Line-Up standen neben Black Sabbath noch Deep Purple, es war das Festival mit der bis dato größten zahlenden Zuschauermenge in den USA, mit der dicksten Soundanlage. Rekorde, Sabbath, Purple, Watt-Wahnsinn: Dinge, zu denen Dave Grohl eine enge Verbindung pflegt.

Warum nicht mal den Ozzy machen? Ein neuer Superlativ war geboren, passend zum neuen Foo Fighters-Album "Concrete And Gold", das ja ursprünglich auch vor Publikum aufgenommen werden sollte, in einem extra dafür gebauten Studiokomplex. Ein Plan, den Grohl angeblich aufgrund der ähnlichen Idee von PJ Harvey änderte.

Der neue klang eh viel besser: eine Neuauflage des California Jam, nur wenige Meilen vom damaligen Ort entfernt, mit den Foo Fighters als Hauptact und befreundeten Bands (QOTSA, Liam Gallagher, The Kills). Eine "Hinterhofparty für 50.000 Fans", wie Grohl es in unerschütterlichem Punkrock-Duktus formuliert. Auch wenn es im Vergleich zu 1974 nach wenig klingt: In den Staaten haben die Foo Fighters nie vor größerem Publikum gespielt.

Das neunte Foo Fighters-Studioalbum "Concrete And Gold" offenbart nun in seltener Schonungslosigkeit das Problem, dass die Attraktion des eigenen Sounds mit den hochgejazzten Mega-Kampagnen im Dave-Grohl-Format nicht mehr mithalten kann. Selbst wenn kein HBO-Filmteam nebendran steht oder acht Studios zur Aufnahme von acht Songs gebucht werden, besitzt am Ende doch "jeder Foo-Fighters-Song 700 Gitarrenspuren" (Chris Shiflett im laut.de-Interview). Völlig unabhängig davon, ob Grohl wie 2011 eine Garage Rock-Platte ankündigt ("Wasting Light").

Doch nie traf diese von Shiflett als Witz gedachte Formulierung den Kern des Problems besser. "Concrete And Gold" bietet nichts, das man nicht schon früher schon besser von den Foo Fighters oder zehn anderen Rockbands gehört hätte. Die Melodien schleppen sich mitunter noch träger dahin als bei der Vorabsingle, der Foo Fighters-Songkarikatur "Run", die schlimmste Erinnerungen an das Fillertrack-Spektakel "Sonic Highways" wachrief.

Vorbei die Zeiten, in denen man sich angesichts von Grohls melodiösem Einfallsreichtum wie in "Arlandria" besoffen in hässlichste Mehrzweckhallen wünschte oder dank der Brutalo-Riffs von "White Limo" (beide auf "Wasting Light") auch mal großzügig schwache Momente abnickte ("Congregation", "Walk"). "Concrete And Gold" ist die Hinterhofparty einer Hollywood-Hills-Immobilie mit einem Outdoor-Bereich so groß wie das nächste örtliche Schwimmbad.

Grohl, Smear, Shiflett, Mendel und Taylor haben elf generische Songs als perfekten Soundtrack für Open Airs mit Fahrgeschäften, Wasserrutschen und Bungeejumping komponiert. Bei ihrem California Jam-Auftritt im Oktober trifft man all diese Installationen an, und weil man heute im Gegensatz zu 1974 am ganz großen Entertainment-Rad dreht, legte Grohl noch ein Foo Fighters-Museum (!) drauf.

Da sollte es niemanden wundern, dass Adele-Produzent Greg Kurstin für die Band keine neuen Soundwelten erschuf, sondern sie scheinbar zur Ausweitung ihres satten Stadionrock-Prinzips ermunterte: mehr Spuren, mehr Gitarren, mehr Harmonien, mehr Shalala. Bluesrock-Ungetüme wie "Make It Right" wienerte Kurstin blank, bis sie radiokompatibel blitzen. Wobei die Grundaustattung mit den kernigen Strophenriffs und dem Powerpop-Refrain auch nicht die Songwriting-Offenbarung darstellt.

"The Sky Is A Neighborhood" erreicht das von Grohl auferlegte Ziel, Motörhead und die Beatles zu vereinen, noch am ehesten, ermattet aber in einem weiteren völlig aufgeplusterten Refrain. In "La Dee Da" paaren sie ein Zeppelin-Riff mit einer dem Titel ähnlichen, platten Gesangsline und fahren im Refrain den Adrenalinspiegel mit einem brüllenden Grohl noch mal hoch. Hat doch bei "White Limo" auch schon geklappt.

Wenn bei den Foo Fighters in der Vergangenheit einmal was nicht funktionierte, sah die Band wenigstens immer saugut aus dabei. Vor allem natürlich Dave, der auch noch rüberkam wie der Typ Sozialarbeiter mit dem coolsten Musikwissen, den coolsten Freunden, der coolsten Familie und der coolsten Ex-Band. Heute nehme ich dem Bühnenthron-Abonnenten eine Zeile wie "I don't wanna be the king" nicht mehr ab, die er im Opener "T-Shirt" säuselt, einer vorgeblichen Ballade, die dann ohne Vorwarnung explodiert, leider aber in einen Toto-Refrain übelster Art. Die One-Man-Show Foo Fighters ist dem Wahlkampfkonzept der FDP leider nicht mehr unähnlich: Vorne steht ein Sunnyboy mit visueller Strahlkraft, und der Rest, naja, wird sich irgendwie ergeben.

Zu Grohls Politik der größtmöglichen Effekte zählte auch das leidige Versteckspiel mit dem größten lebenden Popstar, als den er Justin Timberlake bezeichnete. Der ist nun gar nicht auf der Platte heraus zu hören, weil er irgendwo hier im Background trällert. Paul McCartney trommelt irgendwo dort. Who cares? "Concrete And Gold" klingt frappierend nach einem Outtake-Album der bisher größten Beatles-Huldigung "Echoes, Silence, Patience & Grace" (2007). Im akustischen "Happy Ever After (Zero Hour)" könnte man die Harmonien von "She Came In Through The Bathroom Window" heraushören, oder einfach irgendeine Oasis-Ballade. "Arrows" ragt als dynamisch vielschichtige Midtempo-Nummer mit schönem Spannungsbogen heraus und erinnert uns daran, dass Foo-Hymnen auch Spaß machen können.

Das von Drummer Taylor Hawkins gesungene "Sunday Rain", ein abgehangenes Stück 70s-Pop, erinnert zu Beginn leicht an John Lennon. Siehe da, welch Zufall: Hier trommelt ja tatsächlich McCartney. "Er kam rein, setzte sich ans Kit und spielte das Ding in zwei Takes", lobte Hawkins die Szene. Mit Timberlake trank Grohl der Legende nach Whiskys auf dem Studio-Parkplatz. So kam eins zum anderen, rein ins Studio, shalalalalala, fertig. Nate Mendel und Chris Shiflett bekamen den Sänger gar nicht erst zu Gesicht. Wegen dieser Storys würden Millionen Menschen auch heute noch gerne mit Dave Grohl einen trinken gehen. Allerdings mittlerweile nicht wegen, sondern trotz der Musik seiner Foo Fighters.

Trackliste

  1. 1. T-Shirt
  2. 2. Run
  3. 3. Make It Right
  4. 4. The Sky Is A Neighborhood
  5. 5. La Dee Da
  6. 6. Dirty Water
  7. 7. Arrows
  8. 8. Happy Ever After (Zero Hour)
  9. 9. Sunday Rain
  10. 10. The Line
  11. 11. Concrete And Gold

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LAUT.DE-PORTRÄT Foo Fighters

Am 5. April 1994 endet mit dem tragischen Selbstmord von Kurt Cobain das Kapitel Nirvana und somit auch Dave Grohls Karriere als Schlagzeuger der Band.

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