laut.de-Kritik

Dunkelbunter Stoner-Pop.

Review von

Der mit und an der Hardcore-Punk Kapelle Gallows gewachsene Frank Carter versuchte sich nach seiner Emanzipation an eher bodenständigem Rock, bis er 2015 mit dem Hassbrocken "Blossoms" wieder an seine Wurzeln zurückkehrte. Mit Gitarrist Dean Richardson und den restlichen Rattlesnakes erweiterte er sein stilistisches Portfolio um Einflüsse aus einigen anderen artverwandten Genres und feierte beachtliche Charterfolge. Lyrisch werden seit jeher recht finstere Themenkomplexe behandelt, vor allem aber tiefe Traurigkeit, Depressionen und Carters Kampf gegen seine inneren Dämonen.

Dem Bandchef zufolge wurde das fünfte Werk "Dark Rainbow" aus Selbstreflexion, Erinnerung und Dankbarkeit geboren, und nach mehrmaligem Genuss des Albums ist man deutlich geneigt dies zu unterschreiben. Blinde Wut oder offensichtlich tiefe Emotionen sucht man hier weitestgehend vergebens, da sich tatsächlich eine gewisse und anfangs absolut befremdlich wirkende Leichtigkeit einstellt. Wir befinden uns natürlich immer noch im Großraum Rock, doch anstatt mit brettigen Bulldozergitarren durch die Lande zu walzen, rückt der Überdrück deutlich zugunsten von poppigen und elektronischen Teilen in den Hintergrund.

Der Opener "Honey" gibt gleich zu Beginn die deutlichsten Hinweise, wohin die Reise geht. Leicht schräge Verneigungen vor 90er-Jahre Stoner-Rock, verfeinert mit Synthesizer- und Orgeltönen sowie proggig-poppiger Note. Es bedarf einer gewissen Gewöhnungszeit, bis man im Song angekommen ist, was hier aber ein Qualitätsmerkmal darstellt. Bereits mit "Man Of The Hour" strahlt das erste Highlight durch den leicht glitzernden Klangnebel und wartet mit einem hymnischen Chorus auf, der jedes Stadion in Wallung bringen kann. Die zahlreichen aufeinander aufbauenden Melodien, der wirklich angenehme Gesang von Frank Carter und der überraschende Klavierpart verleihen dem guten Stück eine wahnsinnige Ausstrahlung.

Abgesehen vom etwas müde wirkenden, ambivalenten Lo-Fi Kratzer "Brambles" gibt es de facto kein einziges auch nur mittelmäßiges Stück auf "Dark Rainbow". Jeder Song sprudelt vor ekstatischer Coolness, anrüchigem Dance-Appeal und wirklich gut durchdachter Komposition. Häufig bauen die Briten mit lauten und leisen Parts im Wechsel Spannung auf oder erzeugen mit dazwischen gestreuten Intermezzi eine andere, meist sogar besinnliche Stimmung.

Neben lupenreinen Evergreens wie der walzenden Doompop-Orgie "Superstar", deren catchy Melodien von stark vitalisierenden, fetten Bass- und Drumpatterns getragen wird, finden sich auch schöne, melancholische Balladen ("Queen Of Hearts" oder "Sun Bright Golden Happening"). Stimmungsvolle Klavier- und Akustikgitarren zeigen eine eher sanfte Seite, durch einige elektronische Effekte und Sounds bleibt das Album aber auch hier perfekt in seiner Rolle. Apropos Rolle: Der Bandchef erscheint auf "Dark Rainbow" zum ersten Mal als erhabener Pop-Entertainer und macht dabei eine ganz hervorragende Figur. Songs wie das orgelschwangere "Can I Take You Home" oder das unbeschwerte "Self Love" zeigen ihn besonders gut von seiner neuen Seite.

Insgesamt herrscht eine deutlich positivere Atmosphäre vor, als man es eigentlich von Frank Carter und den Rattlesnakes gewohnt ist. Einzig das abschließende "A Dark Rainbow" besticht durch freudlose und zum Ende hin verzweifelt wirkende Ausbrüche. Allein der entrückte, meist geschriene und von tonnenschweren Gitarren getragene Gesang erzeugt gleichermaßen Gänsehaut wie einen Klos im Hals. Ist diese ernste Stimmung am Ende ein Hinweis darauf, dass es zukünftig wieder in gewohntere Gefilde gehen wird? Wir sind gespannt.

Trackliste

  1. 1. Honey
  2. 2. Man Of The Hour
  3. 3. Can I Take You Home
  4. 4. American Spirit
  5. 5. Happier Days
  6. 6. Brambles
  7. 7. Queen Of Hearts
  8. 8. Sun Bright Golden Happening
  9. 9. Superstar
  10. 10. Self Love
  11. 11. A Dark Rainbow

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