laut.de-Kritik

Der alte Barde will es noch mal wissen.

Review von

Es gab Zeiten, in denen Frank Zander aus der deutschen Medienlandschaft kaum wegzudenken war. "Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein" und "Nick-Nack-Man" trank auf Maries Wohl und bayerische Rundfunksendern sperrten seine Susi. Mit einem gewissen anarchischen Charme stolperte die "Plattenküche" oder "Vorsicht, Musik" durch eines der wenigen TV-Programme. Noch heute pflege ich eine innige Beziehung zu Herrn Feldmann aka Hugo Egon Balder. Fred Sonnenschein und seine Freunde sangen "Ja, Wenn Wir Alle Englein Wären", ihre eigene Version vom Ententanz.

Doch nach einem letzten großen Hit mit "Hier kommt Kurt" wurde es in der öffentlichen Wahrnehmung still um den Zander. Er spezialisierte sich darauf, persönliche Geburtstagsständchen für Omi einzusingen. Ansonsten findet er sich noch einmal im Jahr mit seinem Weihnachtsessen für Obdachlose in Berlin in den Schlagzeilen wieder. Nun will es der Barde mit der vernarbten Stimme auf seine alten Tage noch einmal wissen.

Überraschender Weise gelingt ihm dies in der ersten Hälfte von "Typisch Wassermann" herrlich unverkrampft. Zwar braucht spätestens nach "All Summer Long" von Kid Rock wirklich niemand mehr eine neue Version von "Sweet Home Alabama", trotzdem meistert Zander diese Hürde in "Komm Raus In Die Sonne", ohne großen Schaden zu nehmen. Ein typischer Zander-Ohrwurm mit doppeltem Boden, laut Dr. Pachulke auch 'Audio-Penetrantus-Schleimum' genannt, verbirgt sich hinter den Steel Drums von "Manuela".

Für die wirkliche Überraschung sorgen "Steilküsten Steffan" und noch mehr "Irgendwie Ist Immer Irgendwas", denen man die räumliche Nähe zu Seeed deutlich anmerkt. Die Dancehall-und Reggae-Elemente funktionieren und wirken nicht einmal aufgesetzt. Respekt. Da Harald Juhnke bereits von uns gegangen ist, dürfte Frank Zander wohl auch der letzte lebende Mensch sein, der ungestraft "Ich Hab So Heimweh Nach Dem Kurfürstendamm" von der Knef singen darf.

Doch der anfänglich gute Eindruck von "Typisch Wassermann" verwässert sich leider durch eine Flut von mittelprächtigem Füllmaterial. Als wäre dies nicht genug, öffnet der Berliner mit "Sei Kein Hans (Komm Und Tanz Mit Mir Den Disko-Fox)" die Pforten zur Brandenburger Diskofox-Vorhölle. Das Tanzlokal 'Zum goldenen Löwen' in Hohenleipisch und manch eine Tanzschule zwischen Finsterwalde und Falkensee dürften sich aber sicherlich über neues Material für das schwofende Publikum freuen. "Nimm Dir Essen mit, wir fahr'n nach Brandenburg."

"Caracciola Lola" spielt mit dem Motiv aus dem angegrauten Laid Back-Hit "Bakerman" und klingt mindestens genauso alt und angestaubt. Witzchen in Pseudo-Spanisch-Akzent wie in "Chuleta De Cordero" stoßen übel auf und müssen 2012 wirklich nicht mehr sein.

Leider reicht "Typisch Wassermann" nicht zur erhofften Frischzellenkur, auch wenn das Album viele gute Ansätze liefert. Aber vielleicht liegt es auch an einem simplen Fakt, über den bereits die junge France Gall stolperte: "Er ist Wassermann und ich bin Fisch, darum soll ich für ihn gar nicht mehr entflammen."

Trackliste

  1. 1. Komm Raus In Die Sonne (Sweet Home Alabama)
  2. 2. Manuela
  3. 3. Irgendwie Ist Immer Irgendwas
  4. 4. Steilküsten Steffan
  5. 5. Harry Mit Der Großen Hand
  6. 6. Eine Nacht Mit Alten Freunden
  7. 7. Sei Kein Hans (Komm Und Tanz Mit Mir Den Disko-Fox)
  8. 8. Caracciola Lola
  9. 9. Chuleta De Cordero
  10. 10. Ich Hab So Heimweh Nach Dem Kurfürstendamm
  11. 11. Komm Raus In Die Sonne (JN Vs. MB Remix)

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9 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Hallo Morpho, hör zu!
    Hier kommt die ganz große Überraschung!
    Falls ein Stuhl in Deiner Nähe sein sollte greif ihn Dir
    Und sezt Dich erstmal hin.
    Denn jetzt kommt der absolute Knaller!
    Dieses Lied ist nur für Dich
    Irre was?
    http://youtu.be/2YBPBBRG4IQ

  • Vor 11 Jahren

    @aleister:
    Komiker ist er sicher, aber auch als Musiker sollte man ihn nicht unterschätzen. Klar ist ein Großteil seines Materials auf Klamauk ausgerichtet, aber im Gegensatz zu anderen Blödelbarden aus der einschlägigen Zeit hat er gerade in seinen Anfangsjahren dafür gesorgt, daß es musikalisch ebenfalls in sich stimmig war und der Schwerpunkt nicht zu sehr auf den Texten lag. Und ein paar wirklich abstruse Ideen hatte er ebenfalls zu bieten ... ich meine, hey, wer kommt schon auf die Idee, ein Disco-Stück über ein Raumschiff-Unglück mit Auszügen aus Haydns "Lerchenquartett" beginnen und enden zu lassen? ;)
    Gruß
    Skywise