26. Mai 2011

"Die Indie-Szene langweilt uns"

Interview geführt von

Mit einem farbenfrohen Album und einer einseitig (Ed McFarlane) derben Erkältung im Gepäck laden zwei Drittel von Friendly Fires zum Interview. Zwischen zerzausten Betten und Pizza Salami geht es um Geduld, Langeweile und Besessenheit.Während sich Drummer Jack Savidge in der Hotel-Lobby um Mail-Interviews kümmert, verschanzen sich Sänger Ed McFarlane und Gitarrist Edd Gibson lieber in ihrem kleinen, aber schmucken Hotel-Zimmer, um die Herrschaften von der interessierten Journaille zu empfangen. Die Optik der beiden Protagonisten passt sich der morgendlichen Stunde an: Sie wirken noch recht unaufgeräumt und sind scheinbar noch etwas benommen vom vorabendlichen Happening.

Edd Gibson versinkt mit seiner schlaksigen Figur nahezu komplett in einem etwas überproportionalen designten Sessel, während Ed McFarlane bemüht ist, das zerzauste Bett zu richten. Dem Sänger geht es gar nicht gut. Ziemlich blass um die Nase und unübersehbar von einer Erkältung geplagt, wartet er seit einigen Minuten auf etwas Essbares, das er bestellt hat.

Kurz nachdem wir uns die Hände gereicht haben, kommt das "Frühstück" auch schon zur Tür herein: Eine Pizza Salami. Doch diese entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine ziemlich eigenartige Version des bekannten Italo-Klassikers, so dass unser Gespräch mit allgemeinem Gelächter eröffnet wird.

Bist du dir sicher, dass du das hier bestellt hast?

Ed: Naja, eigentlich wollte ich nur eine normale Pizza Salami.

Edd: Ich habe gerade gezählt: Es sind 32 Scheiben Salami drauf. Wow!

Ed: Ich frage mich nur, wo die Pizza ist?

Ich vermute den Teig unter dem ganzen Fleisch-Berg. Optisch auf jeden Fall ein Hingucker, oder?

Ed: Absolut. Entschuldige, aber ich muss zwischendurch was essen. Ich hoffe, das ist ok?

Natürlich. Lass es dir schmecken. Ich will nicht unhöflich klingen, aber du siehst auch aus, als wenn du was essen solltest!

Ed: Ja, mir ging es schon mal besser. Ich bin ziemlich erkältet. Kann sein, dass ich mich ab und zu auch auf die Toilette verabschieden muss.

Kein Problem. Nichts geht über die Gesundheit. Wie war denn euer Gig gestern?

Ed: Super. Der Laden war voll, der Sound war gut und keine Pöbeleien (lacht).

Mitte Mai kam euer neues Album "Pala" auf den Markt. Drei Jahre ist eine ungewohnt lange Zeit zwischen einem Debüt und dem Zweitwerk. Wie seht ihr das?

Edd: Es ist schon ungewöhnlich, da stimme ich dir zu. Aber wir waren ja keinesfalls untätig während dieser Zeit. Nachdem wir 2009 den Song "Kiss Of Life" aufgenommen hatten, haben wir unser Debut nochmals neu veröffentlicht mit viel Bonusmaterial. Wir wollten unseren Anfang noch etwas intensiver und breiter zur Schau stellen. Dem folgte dann eine größere Tour und so ging viel Zeit ins Land.

Ed: Natürlich hätten wir zwischendurch auch schnell eine zweite Scheibe hinterherschieben können; wir sind aber keine von diesen Bands, die Songs in ihrem Tourbus schreiben oder sogar aufnehmen. Wir brauchen dafür unsere Studio-Basis und unser gewohntes Umfeld, um uns für Neues inspirieren lassen zu können. Das dauert dann halt seine Zeit.

Das eine oder andere Highlight wäre bei einer schnelleren Produktion wohl auch gar nicht erst entstanden, richtig? Ich denke da insbesondere an den Song "Hawaiien Air".

Ed: Das ist korrekt. Das wäre auch schade, denn gerade der Song ist einer meiner Lieblings-Tracks auf dem neuen Album. Wir hatten noch eine Woche Zeit bis zum Mastering. Die Platte war eigentlich fertig, aber wir entschieden uns, noch einen weiteren Song zu schreiben. Der Song entstand ohne Druck. Ein Tag bevor das Mastering begann, hatten wir den Mix fertig und ich bin froh, dass wir uns noch die Zeit genommen haben, sonst wäre der Song wahrscheinlich gar nicht erst entstanden; und "Pala" hätte im Nachhinein etwas gefehlt.

"Mich langweilt die Indie-Electro-Szene"

Euer Debüt war eine Art "Best-Of-Collection" der kompletten Zeit seit eurer Gründung. Für "Pala" habt ihr das erste Mal fokussiert für ein bestimmtes Album geschrieben. Würdet ihr sagen, dass "Pala" demnach euer eigentliches Debüt darstellt?

Ed: Ja, ich denke schon. Mit den letzten Songs aus dieser Zeit wie "Jump In The Pool" oder auch "Kiss Of Life" haben wir gemerkt, in welche Richtung wir gehen wollen. Versteh mich nicht falsch, ich mag unser erstes Album, aber ich glaube, dass "Pala" genau das widerspiegelt, wofür die Band steht.

Was mir bei euch besonders auffällt, ist der Hang zu vertrackten Rhythmen. Das ist recht ungewöhnlich für einen Indie-Dance-Act, findet ihr nicht auch?

Ed: Da gebe ich dir Recht, aber mich langweilt diese standardmäßige Rhythmik-Eintönigkeit innerhalb der Indie-Dance-Szene. Der Groove, diese ganze Skelett im Hintergrund ist uns immens wichtig. Wir arbeiten viel mit Drums und Rhythmik, da dieser Aspekt in unserer Musik die Basis darstellt.

Wie würdet ihr euren Sound beschreiben?

Ed: Farbenfroh vibrierender Epic-Pop. Ich denke, das trifft es am ehesten.

Ihr seid stark verwurzelt mit der Live-Club-Szene. Mittlerweile habt ihr euch auch einen Namen auf großen Festivals gemacht. War es schwierig euren Club-Sound auf die große Bühne zu transportieren?

Edd: Das war schon eine Herausforderung. Zunächst ging es erst einmal darum zu verarbeiten und zu verstehen, was mit uns und der Band passiert. Es ist schon etwas anderes, in einem verschwitzten Club vor 200 Leuten zu spielen, als auf einem Festival mit 60.000 Leuten. Grundsätzlich denke ich aber, dass wir genügend Material haben, das auf solchen Events nicht Gefahr läuft, sich zu verlieren. Die Resonanz war bisher durchweg positiv. Ich persönlich liebe beide Dynamiken. Dieses verschwitzte Club-Szenario ist auf eine bestimmte Art und Weise genauso inspirierend, wie ein Auftritt beim Reading-Festival.

Wo ihr 2009 den "Samba" ausgepackt habt!

Ed: Oh ja, das war cool. Wir hatten eine "Samba-Truppe" zum Song "Jump In The Pool" mit auf der Bühne. So etwas kommt auf Festivals gut an. Ich meine, du hast diese riesige Bühne und diese Massen vor dir. Wer sich da etwas einfallen lässt, der weckt neben der eigentlichen Musik zusätzlich Aufmerksamkeit. Außerdem hat es perfekt zum Song gepasst. Es war aber keine reine Gimmick-Aktion. Es passte einfach wunderbar zur Performance.

"Das ist schon alles ziemlich bizarr"

Ihr seid keine Band, die gleich zu Beginn mit Lorbeeren seitens der Presse bedacht wurde. Ihr habt lange warten müssen, ehe sich die ersten Türen geöffnet haben? Würdet ihr sagen, dass dieser Zustand der Entwicklung der Band eher geholfen hat?

Edd: Ja, definitiv. Wir waren keine dieser Hype-Bands, die über Nacht im Rampenlicht stand. Ich denke, dass wir heute nicht da wären, wo wir sind, wenn wir nicht diese Zeit gehabt hätten, uns und unsere Musik zu entwickeln. Vor allem auch live war es wichtig für uns, uns zu positionieren und zu finden. Wir sind auf jeden Fall glücklich und dankbar über die Zeit, die man uns gegeben hat (lacht).

Wie wichtig ist euch eure Live-Präsenz? Viele Electro-Acts fühlen sich im Studio wohler als auf der Bühne. Geht es euch da ähnlich?

Edd: Es sind zwei völlig verschiedene Welten.

Ed: Es ist halt so: Im Studio arbeitest du sehr besessen und fokussiert auf das vermeintlich beste Ergebnis hin. Du möchtest an einen bestimmten Punkt gelangen. Ziel ist es, Songs zu kreieren, die die Leute immer und immer wieder gerne hören wollen. Eine Art zeitlose kreative Schöpfung, die einen Hang zum Perfektionismus voraussetzt. Live ist es ganz anders. Du kannst nicht zurückspulen und von vorne anfangen. Du musst den Moment leben und versuchen, dich von dieser Studio-Obsession zu befreien, um den Songs und deiner Performance Authentizität zu verleihen. Manchmal entstehen live völlig neue Seiten an einem Song, die dich im Studio wahrscheinlich nicht weiterbringen würden, aber auf der Bühne perfekt funktionieren.

Wenn ihr kurz zurückblickt zu den Anfängen eures Schaffens: Welche Gefühle überwiegen heute?

Edd: Das ist schon alles ziemlich bizarr. Ich glaube, Dankbarkeit trifft es am ehesten.

Ed: Wenn ich mir vorstelle, dass ich als 14-Jähriger die Deftonesauf einem Festival hab spielen sehen, auf dem ich mittlerweile selber spiele, ist das schon unglaublich.

Die Zeit ist um, die Pizza fast alle und draußen warten schon die nächsten neugierigen Pressevertreter. Wir verabschieden uns.
Vielen Dank fürs Gespräch, weiterhin guten Hunger und vor allem: Gute Besserung, Ed!

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