3. November 1999

"Wenn man uns anruft, dann treten wir auf!"

Interview geführt von

Nach einem kurz- und schmerzlosen 60-Minuten-Auftritt, der besonders die Menge direkt vor der Bühne zum Ausrasten brachte, erwischen wir nach langen Verhandlungen mit Dorian Grey-Crewmitgliedern 242-Mastermind Daniel B. und Sänger Richard 23, mit denen wir zum Interview verabredet sind. Im clubeigenen Chill Out-Café sprechen wir mit ihnen über Remixes, Auftritte bei Techno Ryves und Videos von Anton Corbijn.

Wie hat Euch der heutige Auftritt gefallen?

Richard: Es war ziemlich gut und das Publikum war sehr hart drauf, vor allem die Leute direkt an der Bühne.

Daniel: Ja, das stimmt. Aber es war heute kein normales Front 242-Konzert, da wir nur eine knappe Stunde spielen durften und deshalb auch einige Lieder, wie zum Beispiel "Quite Unusual" und "Happiness", weglassen mussten, die eigentlich einen festen Platz im Liveprogramm haben.

Richard: Dafür haben wir eine neue Version von "Welcome To Paradise" gespielt.

Wer hatte die Idee eure alten Songs, die zum Großteil aus den 80er Jahren stammen, zu überarbeiten?

Daniel: Ja, ja, ja. Das war meine Idee.

Richard: Nein, meine natürlich. (beide lachen)

Daniel: Wir haben nach unserer fünfjährigen Pause viele Anfragen für Liveauftritte erhalten. Aber wir hatten kein neues Studiomaterial und wollten nicht einfach ein "Greatest Hits"-Programm runterspielen, wie es viele andere Bands machen. So einigten wir uns darauf, sämtliche Songs ins Technogewand zu kleiden ohne sie zu entstellen. Es war eigentlich die Entscheidung der gesamten Band.

War es nicht schwierig für Euch, nach einer so langen künstlerischen Pause wieder zusammen zu arbeiten?

Richard: Es lief so gut wie noch nie bei uns. Wir waren alle ziemlich gespannt darauf, wie die neuen Versionen vom Publikum angenommen werden.

Wird es denn je wieder eure Originalversionen live zu hören geben?

Daniel: Das muss man abwarten. Wir werden sehen was die Zukunft bringt.

Eure Show in Chicago letztes Jahr wurde im Internet übertragen. Glaubt ihr, dass das Medium in dieser Hinsicht eine Zukunft hat?

Daniel: Es war mehr oder weniger ein Versuch, aber es ist alles noch sehr langsam im Internet. Die Technik muss sich noch sehr stark weiterentwickeln, um Konzerte im Internet zu übertragen. Gerade bei der Bildqualität gibt es noch erhebliche Mängel. Die meisten Rechner sind für solche Sachen viel zu langsam. Außerdem ist das Internet eine zu exklusive Sache. Erst wenn in jedem Haushalt ein PC steht, kann das Internet zum Medium des nächsten Jahrhunderts werden.

Eure Homepage hat ein sehr schönes Layout. Kümmert ihr Euch selbst um eure Website?

Daniel: Oh, nein. Wir machen nur die Musik. Wir haben Freunde, die sich damit gut auskennen und die uns dann einige Entwürfe zeigen. Aber in vier bis sechs Wochen wird unsere Homepage sowieso ganz neu gestaltet.

Ihr habt auf euren Platten nie die Songtexte mitveröffentlicht. Jetzt sind sie für alle auf der Homepage zugänglich. Hat das einen speziellen Grund?

Richard: Nein, die Texte waren schon immer über unseren Fanclub erhältlich.

Warum fehlen die Texte des "Official Version"-Albums?

Richard: Sie fehlen doch nicht. Es sind die Texte von allen Platten auf der Homepage.

Ich habe gestern noch einmal nachgeschaut und sie nicht gefunden.

Richard: Oh, stimmt das Daniel?

Daniel: Ich habe auch keine Ahnung. Ich dachte eigentlich, dass die Lyrics von allen Songs dort zu finden seien. Wir müssen das mal nachschauen.

Verbringt ihr viel Zeit im Internet?

Daniel: Ich benutze das Internet als reine Informationsquelle. Es ist in dieser Hinsicht sehr praktisch, da man fast immer irgend etwas findet. Aber ich bin kein Internetsüchtiger, der den ganzen Tag im Netz verbringt.

Richard: Es ist auch so, wenn man den
ganzen Tag mit Computern arbeitet, wie wir, dann möchte man in seiner Freizeit viel lieber ein Buch lesen oder Musik hören. Ich versuche privat so wenig Zeit wie möglich vor dem Bildschirm zu verbringen.

Auf ihrer Homepage bieten Leftfield ihren Fans an, deren neue Single "Phat Planet" zu remixen. Was haltet ihr von so einer Idee?

Daniel: Hm, ja, Moby hat das auch schon gemacht. Aber ich bin da ziemlich skeptisch. Ich sehe das eher als eine Möglichkeit für die Fans, näher an ihrer Lieblingsband dran zu sein. Es ist eine Art Serviceleistung für die Fans, um sich auszutoben. Für die Band selbst ist das nicht ganz so interessant, weil die musikalische Qualität meist nicht überzeugt. Normalerweise machen wir die Remixe von unseren Stücken selbst, so wie bei "Reboot: live". Da liegt die Kontrolle über das Endprodukt bei uns.

Ihr habt im vergangenen Jahr auf einigen Techno-Festivals, wie dem Goliath oder der Nature One gespielt. Wie sind Eure Songs bei den Ravern angekommen?

Richard: Es hat sehr viel Spaß gemacht vor einem anderen Publikum zu spielen. Es gab wohl einige, die uns schon kannten aber die meisten waren doch junge Leute, die noch nie etwas von uns gehört hatten. Anfangs waren die Reaktionen dann auch etwas zurückhaltend, weil wir keine "Techno-Band" sind. Da standen richtige Sänger auf der Bühne, das hat sie irritiert. Als sie unsere Musik dann gehört haben, war die Stimmung immer sehr gut. Schließlich ist unsere Musik extrem tanzbar und das wollen die Leute auf einem Rave. In Spanien und Frankreich hatten wir fast ein Heimspiel. Und in Deutschland haben wir schon lange eine starke Fanbase.

Bei den Videoclips zu "Headhunter" und "Tragedy For You" habt ihr mit dem Regisseur Anton Corbijn zusammengearbeitet, der auch einige Videos für Depeche Mode gemacht hat. Seid ihr durch die DM-Videos auf ihn aufmerksam geworden?

Daniel: Nein, eigentlich nicht. Wir kannten ihn schon länger, da er zu Beginn der 80er Jahre eine Menge guter Fotos von Musikern gemacht hat. Außerdem ist er Holländer und wir haben ihn ein paar mal getroffen und sind dann so ins Gespräch gekommen. Aber ein bisschen stimmt das schon, wenn man vor dem Fernseher sitzt und sich einen Clip von Depeche Mode anschaut, da habe ich mir auch öfters gedacht: Mann, das ist gar nicht schlecht.

Wie sieht die Zukunft von Front 242 aus? Wird es ein neues Studioalbum geben?

Daniel: Hmm, das kann man nie genau sagen.

Richard: Im Moment macht es uns Spaß, live zu spielen. Wir sitzen in Belgien und wenn man uns anruft, dann treten wir auf.

Auch in Deutschland?

Richard: Ja, wahrscheinlich beim Woodstage-Festival im nächsten Jahr. Aber der Vertrag ist noch nicht unterschrieben.

Vielen Dank für das Gespräch.

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