laut.de-Biographie
Front 242
Sie zählen zu den Vorreitern der aggressiven, elektronischen Tanzmusik und prägten den inzwischen gefestigten Spartenbegriff "Electronic Body Music" (EBM) gleich 1981 auf ihrer ersten Maxi: Front 242. Vom belgischen Brüssel aus erobern Bandgründer Daniel Bressanutti (Samples & Programming), Jean-Luc De Meyer (Gesang), Patrick Codenys (Keyboards) und Richard Jonckheere aka Richard 23 (Gesang, Percussions) zunächst Europa und fassen Ende der 80er auch in Amerika Fuß. Im Gegenzug müssen sie sich von der dortigen Journaille häufig fragen lassen, in welchem Teil Deutschlands Belgien eigentlich liege.
Doch der Reihe nach: Auf "Geography", dem Debütalbum von 1981, bekommt die Öffentlichkeit erstmal Seltsames zu hören: harte Elektronikbeats verknüpft mit eingespielten Sprachfetzen vom Tonband in Kombination mit klinisch-steifem Synthie-Sound à la Kraftwerk und Cabaret Voltaire. Die rückwärtslaufende Bandmaschine im Song "GVDT" hat heute längst nostalgischen Charakter.
Mit dem Einstieg von Shouter Richard 23 nimmt das Projekt Form an, die Band präsentiert sich fortan in militantem Kampfoutfit inklusive Schweißerbrillen und bei Auftritten der Band versinkt die Bühne in Tarnnetzen. "No Comment", ein programmatischer Albumtitel, zeichnet 1985 ein dunkel-starres wie hypnotisches Kompositionsgefüge, in dem nun vermehrt politische Samples Platz fanden. Unberührt von aufkommenden Faschismus-Vorwürfen verfolgen Front 242 ihr Konzept weiter, ohne sich den Medien gegenüber zu erklären. Auf der parallel zu "No Comment" erscheinenden EP "Politics Of Pressure" bindet man in einem Song sogar Parolen des libyschen Diktators Gaddafi ein.
Doch erst 1987 werden die Belgier zu einer auffälligen Kraft. Das Album "Official Version" fängt alle Stärken der Band ein, gerät deutlich eingängiger und verkauft sich weltweit beachtlich. Der Kultstatus ist gefestigt. Als das Quartett 1987/88 abwechselnd mit Nitzer Ebb das Teeniepublikum von Depeche Mode erschrecken dürfen, ist man endgültig in aller Munde. "Front By Front" (1988) gerät staubig-rhythmisch und scheint bei aller Melodie nicht einen Akkord zu enthalten. Mit "Im Rhythmus bleiben" gibts nach "Kampfbereit" (1982) wieder einen deutschen Track und mit "Headhunter" den wichtigen Underground-Hit. Den Videoclip dreht Star-Regisseur Anton Corbijn.
Mit dem '91er Werk "Tyranny For You" sowie der Single "Tragedy For You" untermauert man den Status der elektronischen Alternative-Band Nummer Eins. Die Albumtournee durch Europa, Amerika und Kanada ist so gut wie ausverkauft. Dennoch belegt "Tyranny For You", das sogar in der Bravo besprochen wird, dass die Band eine stilistische Weiterentwicklung innerhalb des selbst erschaffenen Genres nur noch mühsam bewerkstelligen kann.
1993 antworten die Belgier auf die weltweite Electro-/Techno-Begeisterung mit einem radikalen Schritt hin zur Gitarre. Das Resultat sind zwei sehr verschiedene Konzeptalben, von denen das rockige "06:21:03:11 Up Evil" noch am ehesten an die bekannten 242 erinnert. Auf "05:22:09:12 Off" finden sich dagegen fast nur ambiente Tracks ein, die gleichzeitig veranschaulichen, warum Richard 23 im Jahr 1993 kurzzeitig im Streit aus der Band aussteigt. Kommerziell geben die Songskizzen der Band allerdings nichts mehr her und so müssen Front 242 zusehen, wie die Ziehsöhne The Prodigy, Underworld und The Orb den großen Reibach machen. Immerhin kann man die neuen Electro-Stars noch für Remixaufträge gewinnen.
Nach vierjähriger Auszeit kehren die EBM-Urväter 1997 mit einer Tournee in Originalbesetzung zurück und überraschen mit zeitgemäßen Remixversionen ihrer Kultsongs, die auf dem Livealbum "Re:Boot" für die Nachwelt festgehalten werden. Mit "Happiness" hat man sogar wieder sowas wie einen kleinen Hit. In den folgenden Jahren wird es aber erneut ruhig um die Band, während sich die Mitglieder verstärkt in anderen Projekten künstlerisch austoben. So arbeitet De Meyer, der bereits 1990 seine Stimme dem Bigod 20-Song "The Bog" auslieh, mit Cubanate-Mann Marc Heal am Projekt Cyber-Tec bzw. C-Tec und besucht auch Birmingham 6 im Studio. Richard 23 sieht man im Line-Up der Holy Gang und bei LeTschak.
Im Herbst 2002 veröffentlichen Keyboarder Codenys und der geheime 242-Chef Daniel B. unter dem Projektnamen Male Or Female gleich zwei Debütalben: "...Recalled Moments" und "And Failed Destruction". Doch Front 242 ist nicht auf Eis gelegt: Im April 2003 erscheint mit "Pulse" das lange ersehnte neue Album auf dem französischen Label XIII Bis. Darauf binden die Belgier ihre neuen Songs in zahlreiche Instrumentals ein und kommen so zu einer enormen Tracklist von zwanzig Songs.
Die seit den frühen 90ern begonnenen Soloaktivitäten der Bandmitglieder gehen derweil munter weiter: Daniel Bressanutti arbeitet mit der Band Troissoeur zusammen, Patrick Codenys geht einerseits Red Sniper zur Hand, tüftelt mit 242-Kollege Richard 23 aber gleichzeitig im DJ-ähnlichen Projekt Coder23, das 2005 im Vorprogramm von VNV Nation gesichtet wird. Sänger De Meyer besucht im selben Jahr die Band Glis im Studio.
Im März 2006, pünktlich zu den 25-jährigen Feierlichkeiten, lädt man Freunde und Fans zu einem Party-Wochenende ins Brüssler Ancienne Belgique ein. An beiden Abenden geben Front 242 ein 90-Minuten-Konzert, flankiert von DJ-Sets zahlreicher Musikerkollegen, u.a. The Hacker, Terence Fixmer und Tom Barman.
Live-Shows finden nur vereinzelt statt, u.a. tritt die Band am 4. August 2004 beim belgischen Lokerse Festival auf. Die Show vor insgesamt 17.000 Menschen dient als Grundlage für 242s erste offizielle Live-DVD. Auch in den Folgejahren halten sich die Belgier an den Grundsatz "Wenn man uns anruft, treten wir auf".
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