laut.de-Kritik
Die Idee der absoluten Freiheit: Party.
Review von Matthias Manthe"What labels me, negates me", zitiert Fatima Al Qadiri den Philosophen Søren Kierkegaard im Interview. Diese Schubladenverweigerung eine sie mit ihren drei Mitstreitern, sagt sie. Neben Hipsterikone Al Qadiri zählen Asma Maroof und Daniel Pineda alias das Garage House-Duo Nguzunguzu sowie der New Yorker Labelbesitzer J-Cush zu Future Brown.
Unter diesem Pseudonym streben die vier Elektronikproduzenten demnach nach einer eigenen Idee von absoluter Freiheit: Ihre Musik verstehen Future Brown als offene Plattform, die sich weder stilistisch noch weltanschaulich festen Kategorien zuordnet.
Was nach reichlich ideellem Überbau klingt, entpuppt sich auf dem Debüt der im Hype schon als Supergroup bezeichneten Formation als deutlich bodenständiger. Die Warp-Premiere von Future Brown - langjährige Kollaborateure, Act seit 2013 - klingt nur in wenigen Aspekten abstrakt.
Denn die kurzweiligen zehn Stücke, die den 16 Gastrappern und -sängern auf den Leib geschneidert wurden, funktionieren in erster Linie als Partytracks. Future Brown fokussieren dabei auf die gemeinsame Liebe zu New Hip Hop, Grime und Reggaeton. Nachgewürzt wird mit Trill, Footwork, Dancehall und ein wenig Haunted R&B.
Vor allem unbekannteren Mikrofongästen liefern sie ein sphärisch-düsteres Bass Music-Forum ähnlich The Bug. Das Quartett unterfüttert die Gastbeiträge mit den derzeit so omnipräsenten icy synths, liefert im Subbass-Bereich den nötigen Punch und hält sich ansonsten vornehm-minimalistisch aus dem inhaltlichen Geschehen heraus.
So wirkt das Album letztlich mehr wie ein Mixtape denn kohärentes Künstlerstatement. Manches Mal erinnert das an DJ Shadows Hyphy-Ausflüge zu "The Outsider"-Zeiten. Damals wie heute scheint vielerorts nihilistischer Hedonismus zu dominieren. "Don't you wanna party / Put some liquor in your body / Fuck this club, let's get drunk / Why you talking to me?", heißt es auch hier in einer frühen Single.
Der Verzicht auf jegliche Einmischung auf der lyrischen Ebene befremdet angesichts des Sendungsbewusstseins der Produzenten. Es herrscht eine seltsame Distanz zum Rapgeschehen. Wo etwa Fatima Al Qadiri auf dem letztjährigen Solowerk "Asiatisch" den stereotypen Blick des Okzidents auf den asiatischen Kulturraum klanglich sezierte, hält sie sich heute auffällig zurück.
Spanisch und Englisch, Latin-Elemente und britischer Grime mögen auf "Future Brown" Wege kreuzen. Aber so global informiert und kooperiert dieses Debüt entstanden sein mag, bleibt es doch vor allem ein letztlich typisches Partyalbum. Weil die Lyrics vollständig in der Hand der jeweiligen Textautoren lagen, stoßen nicht nur übermäßig eingesetzte Kraftausdrücke, sondern auch diverse misogyne Zeilen vor den Kopf.
"Ich halte mich für eine Hardcore-Feministin", erklärt Al Qadiri diesbezüglich. "Ich werde jedoch keinem Chicagoer Rapper eine Predigt über Frauenfeindlichkeit halten. Ich halte das nicht für den richtigen Weg. Wenn man wirklich Freiheit predigen möchte, dann muss man anderen erlauben, ihre Version von Realität zum Ausdruck zu bringen."
Noch keine Kommentare