laut.de-Kritik

Die Liebe ist ein seltsames Spiel.

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Dinge, die die Liebe laut Konstantin Gropper ist: Ein zärtlicher Irrgarten, eine Luftbrücke, ein Schlamassel, ein Nebel. Zumindest heißen so einige der Stücke des neuen Get-Well-Soon-Albums, das sich exklusiv um dieses verrückte kleine Ding mit dem L im Namen dreht: "It's A Tender Maze", "It's An Airlift", "It's A Mess" und "It's A Fog" liest es sich da unter anderem auf der Tracklist.

Gropper hat sich für seinen vierten Longplayer wahrlich kein einfaches Thema ausgesucht. Nichts wird in der Pop-Musik und der Kunst generell inflationärer besungen - oder wahlweise mehr verklärt, verkitscht, übermythologisiert, vereinfacht. Betitelt hat das vermeintliche Wunderkind des deutschen Indie-Pops das Ganze dann konsequenter auch gleich "Love": Elf Songs über die Liebe in all ihren Widersprüchen, Schönheiten und Grausamkeiten. Das Thema aller Themen, aber als Tiefenanalyse und als Erlebnispop in HD und Panorama.

"They're bringing flowers and chocolates / These fools are trying to bribe": Sitar-ähnliche Gitarrensounds ertönen, die Atmosphäre verdichtet sich, an allen Ecken und Enden passieren Klänge, manchmal überraschende, versteckte, auf den ersten Blick nicht ersichtliche. "It's A Tender Maze" kommt als Dream-Pop daher, zärtlich und melancholisch. Keiner von denen weiß, wie das mit der Liebe wirklich funktioniert, singt Gropper, und wir selbst wissen es ja ebenso wenig. Kein Anspruch auf tiefgreifende Erkenntnisse also - den Versuch einer Beschreibung ist's aber allemal wert.

Er gibt den Crooner, ehe er bei "It's A Catalogue" ins Falsett wechselt. Die Bässe pulsieren, der Drumgroove treibt, die 80er flackern auf. Melancholie und Optimismus reichen sich die Hand, bei "It's a Tender Maze" fordern sie geradewegs zum Tanzen auf. Immer wieder serviert uns Get Well Soon auf "Love" üppige, überraschende Refrains, bis ins Detail durchdacht und opulent arrangiert. Gropper schafft auf "Love" Stücke, die mit voller Aufmerksamkeit mehrfach gehört werden wollen. Es gibt viel zu entdecken.

Vom Falsett wieder runter in die Bruststimme geht es bei "Eulogy" – einem eher geradlinigen Gitarrenstück, bei dem die Klangwolken ein wenig in den Hintergrund und das Gitarre/Bass/Schlagzeug-Gerüst ins Zentrum tritt. Mollkadenzen – darin ist der Multiinstrumentalist ganz stark im Komponieren – tragen "It's An Airlift". Das Klavier ist verhallt, die Zeichen stehen auf Ballade, reduzierter als an anderen Stellen des Albums. Ein wenig später erweitern effektierte Gitarren das gesteckte Klangspektrum des Songs.

"It's Love" kennt man bereits als Singleauskoppelung – auch anhand des Musikvideos mit einem wie immer famosen Udo Kier. Erneut gibt's Indie-Pop in Moll, alles beginnt als scheinbar straighte 4/4-Rocknummer, ehe sich dann doch Stakkato-Mollakkorde über das Gerüst legen und von Wachstumsschmerzen vergangener Tage erzählen. "It's love", singt der Chor im Refrain – und was für ein Refrain es wieder einmal ist. "And I can't get rid of it", fügt Gropper lapidar bei, und später: "And I Can't Make Sense Of It". Trotzdem und genau deshalb: "I can't shut up about it".

So sehr man das Thema dreht und wendet, das Fazit bleibt immer ein ernüchternd simples: "All we have is love" heißt es im luftigen Gitarrenpop von "Marienbad", auch hier spielt die kleine Terz wieder eine Hauptrolle, irgendwann gibt's ein kurzes gitarristisches Wall-Of-Sound-Intermezzo mit Fuß am Volume- und Gaspedal, ehe es am Ende so versöhnlich wie resignativ beim erwähnten Fazit bleibt. Und wenn wir darin ersaufen, in der Liebe: was haben wir denn sonst?

Ein Highlight der Platte ist das reduzierteste Stück: "33" lebt von Akustikgitarre, nur im Hintergrund verstärken Streicher, Gropper geht stimmlich tonal weit runter. "On the way home you cried in the taxi / Love is an awful enemy, my dear": eigentlich haben wir uns das mit der Liebe früher ganz anders vorgestellt, resistenter sind wir keineswegs geworden. "This year you are 33, but when you cry, you still look 16" – großartig.

"Young Count Falls For Nurse" schlägt in eine ähnliche Kerbe wie "It's A Catalogue", auch hier sind die 1980er Jahre spürbar, auch hier gehen Bass und Drums nach vorne. Die Synthesizer wechseln zwischen Euphorie und Dissonanz, Bläser kommen dazu, es klingt nach geänderten Sommern und bösen Wintern. Tanzen wollen wir trotzdem.

Fieberhaftes Vibrato trägt "I'm Painting Money": große Geste, große Gefühl, großer Pathos geben den Takt an. Die Nacht will nicht enden, und es ist keine wirklich glückliche Nacht. Ebenso orchestral, aber ein wenig leichtfüßiger in seiner Resignation klingt "It's A Mess". "It seems we found a different route to hell for us" heißt es da, und weiter: "We made a pact to stay true to ourselves / But we panicked". Den Epilog macht "It's A Fog", ein symphonischer Abgesang.

Für den Versuch eines Umrisses der Liebe setzt Gropper auf Pop-Cineasmus, viel Süßlichkeiten, Melancholie und gelegentliche sardonische Spitzen. Auf üppige Arrangements und üppige Refrains, die von den ewigen großen Versprechungen und deren Fallen erzählen. Klar braucht das alles Dialektik. Weil die Liebe eben sowohl bunte Lichter als auch das Anstarren von weißen Wänden bedeutet, alles retten und gleichzeitig alles bis ins Knochenmark kaputtmachen kann. Weil sie, so präsent sie auch ist, ungreifbar bleibt. Und jeder Versuch sie zu beschreiben, sie in Wahrheit trivialisiert.

"Love" ist viel weniger der Rückzug ins Biedermeier, den das Gemälde auf dem Frontcover und die Themengebung vielleicht andeuten könnten. Viel mehr ist es ein Sisyphos-Versuch einer 360-Grad-Beschreibung der Liebe mit Anspruch auf Unvollständigkeit, den Gropper mit dem vierten Get-Well-Soon-Longplayer eingegangen ist. Ist ihm hervorragend geglückt.

Trackliste

  1. 1. It's A Tender Maze
  2. 2. It's A Catalogue
  3. 3. Eulogy
  4. 4. It's An Airlift
  5. 5. It's Love
  6. 6. Marienbad
  7. 7. 33
  8. 8. Young Count Falls For Nurse
  9. 9. I'm Painting Money
  10. 10. It's A Mess
  11. 11. It's A Fog

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LAUT.DE-PORTRÄT Get Well Soon

Konstantin Gropper ist auf der Flucht vor seiner Vergangenheit. Insbesondere sein Herkunftsort Biberach scheint dem 82er-Jahrgang ungenehm bis peinlich.

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