laut.de-Kritik

Eine rappende Lana Del Rey im Niemandsland.

Review von

"Maybe it's time to find out where I wanna be." Rat-, Ziel- und Orientierungslosigkeit, die Ghostpoet aus "ThymeThymeThyme" sprechen lässt, befallen den Zuhörer auch angesichts von "Sone Say I So I Say Light". Weder freundlich noch bösartig, weder gestrig noch futuristisch, wandelt das Werk in jeder Hinsicht in Niemandslanden.

Auf seinem Weg reißt Ghostpoet Fragen auf, ohne sich um deren Beantwortung zu kümmern. Seine Produktionen erscheinen mit ihren wellenartig wiederkehrenden Wiederholungen auf den ersten Blick einlullend, sorgen aber zugleich für unterschwelliges, subtiles Unbehagen. Doch was soll er machen? "It's my heart, this time I got to follow it."

Ambient-Klänge und homöopathische Dosen Grime treffen auf mechanische, metallische Sounds. Es rauscht und knistert, fiept und piept. Zwischendurch pumpt ein Bass wie ein träger Herzschlag dazwischen, irgendwo entweicht keuchend Luft, bis man glaubt, einer Herz-Lungen-Maschine dabei zuzusehen, wie sie einen Langzeit-Komapatienten am Leben erhält.

Andere Stellen fühlen sich an, als stehe man vor einer über und über mit Graffiti bekritzelten Wand - und zugleich vor der Aufgabe, aus den vielen ineinander verschlungenen, einander überlagernden Botschaften die Worte der Propheten heraus zu destillieren, die ja - fragt Simon & Garfunkel! - genau dort zu finden sein sollen.

Ghostpoet macht seinem Künstlernamen alle Ehre: Viel näher an Dichtung, an Spoken Wort-Poetry als an Rap, bewegt sich sein Vortrag. Schwer zu fassen bleiben seine Zeilen, seltsam konturlos, als gestatte er den Blick darauf nur durch einen Schleier hindurch. "An oldschool fellow in a new age time."

Mit seiner monotonen, melancholisch gefärbten Darbietung hat Ghostpoet wenig von einem MC im klassischen Sinne. Er wirkt in seinen Sepia-getönten Kulissen eher wie eine rappende Ausgabe von Lana Del Rey. Seine reglose Eintönigkeit, der stete Eindruck von betäubtem Schmerz, entwickelt stellenweise hypnotischen Sog und, insbesondere wenn zarte Frauenstimmen sich mit seiner dunklen zum Duett vereinen ("Dial Tones", "Meltdown"), einen besonderen Zauber.

Dauert die Monotonie allerdings fünf Minuten und länger, schrappt man ab und an schon hart an Morpheus' Armen vorbei. Stürzt man irgendwann doch noch hinein, erwarten einen dort seltsame Träume von miteinander ringenden Nahrungsmitteln: "Dimsun and noodles make me feel alright. But not tonight 'cause they fight." Äh, pardon?

Ein wenig aus dem Rahmen fallen das schmissigere "Plastic Bag Brain" und "Meltdown" mit spannenden Rhythmusspielereien. Hüllte Ghostpoet nicht alles und jeden, auch die allem zugrunde liegende Unruhe, behutsam in einen weichen Mantel aus Trägheit: Der Impuls, ihn anzuschieben, ihm Schwung und Nachdruck mitzugeben, wüchse ins Unermessliche.

"Maybe it's time to find out where I wanna be." Das könnte sich jedoch schwierig gestalten, so lange man sich zu keinem Aufbruch aufraffen kann. Dabei hilft "Some Say I So I Say Light" kein Stück. Ach, ich bleib' einfach noch ein bisschen liegen. Behutsam beschallt, aber nicht beruhigt. Nachhaltig verstört, aber nicht verschreckt. Eine seltsame Platte.

Trackliste

  1. 1. Cold Win
  2. 2. Them Waters
  3. 3. Dial Tones
  4. 4. Plastic Bag Brain
  5. 5. ThymeThymeThyme
  6. 6. Meltdown
  7. 7. Sloth Trot
  8. 8. Dorsal Morsel
  9. 9. MSI MUSMID
  10. 10. 12 Deaf
  11. 11. Comatose

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