laut.de-Kritik

2-D übernimmt endgültig das Ruder.

Review von

In all seinen Bands und Solo-Projekten hadert Damon Albarn mit sich selbst und den Mitmenschen, sucht das Glück, aber kommt einfach nirgendwo an. Da passt es doch eigentlich, wenn man in sein virtuelles Alter Ego schlüpfen kann. Doch auch im Band-Narrativ der Gorillaz ist seine Figur 2-D ein Slacker, der einen Antreiber wie Murdoc braucht. Der grüngefärbte Miesepeter sitzt allerdings derzeit in Haft und gibt die Verantwortung komplett an den lethargischen Trauerkloß mit den blauen Stachelhaaren ab.

So suggeriert es zumindest das Album-Cover, auf dem das dürre Männchen kauert und an das Artwork von Damon Albarns "Everyday Robots" erinnert. Die Depression des Sinnsuchenden wirkte sich schon auf Albarns Hauptband Blur und deren Comeback von 2015 "The Magic Whip" aus. Das Abrutschen auf die dunkle Seite droht nun also auch beim sechsten Album der Gorillaz.

Um so mehr überrascht "Humility": der Einstieg in "The Now Now" ist eine fluffig leichte Pop-Nummer, die wie ein Antidepressivum den Kummer betäubt. "I don't want this Isolation" heißt es dort, was so hoffnungsvoll wie trotzig klingt. In dem dazugehörigen Video tanzt 2-D an der Strandpromenade und leitet damit assoziativ zu "Plastic Beach" über. Ein guter alter Bekannter aus den vergleichsweise unbeschwerten Tagen ist Snoop Dogg.

Der Westcoast-Rapper, der selber zwischen Pimp-Image und Privatperson Calvin Broadus switcht, nuschelt smooth mit der ihm eigenen Lässigkeit über den Dark Funk von "Hollywood". Jamie Principle, eine Chigagoer House-Legende, klatscht dazu in die Hände, startet den pumpenden Electro-Beat und feuert die Bewohner der (Alb)-Traumstadt an: "Beautiful People! Clap your hands!", nur damit Albarn wieder den Party-Downer gibt und enttäuscht "Jealousy and dark times/Sinking on the web/There's more to love than that" seufzt. Anders als beim letzten Album "Humanz", bei dem sich vor allem Gaststars aus dem Hip Hop-Genre die Klinke gaben, sind die beiden Amerikaner tatsächlich die einzigen Feature-Gäste auf "The Now Now".

House der alten 80er und 90er-Schule und Dub sind dafür die großen Einflüsse auf "The Now Now", hinzu kommt die Liebe zur afrikanischen Musik, zu der Damon Albarn schon immer eine große Affinität hatte. "Lake Zurich" bringt alle diese Genres in einem Track unter und entstand unter Mithilfe von Dance-Produzent James Ford (Simian Mobile Disco) und dem nigerianischen Drummer Remi Kabaka. Beide wirkten bereits an "Humanz" mit und machen klar, dass keine komplette Neuausrichtung stattfindet. Es geht nicht mehr um das Erforschen neuer Sound-Klänge oder darum, den neuen Maßstab für Pop-Musik zu setzen, sondern einfach darum, eine Atmosphäre aufzubauen, in dessen Psychedelica-Soundwolke man sich einlullen kann, um dem Hass-Inferno zu entkommen.

Das gelingt, weil Damon Albarn wunderbare Analogien entwirft wie das vom Glühwürmchen, das man nur nachts sieht. "Sometimes I follow a firefly / It takes me into the night / Baby, I Just survive / I'm love drunk, I'm sorry. Am I losing you?". Das ist einfach traurig und doch schön zur gleichen Zeit. So nahezu ohne Feature-Gast und größtenteils ohne die Hilfe seiner Band-Kollegen gräbt sich hier jemand wirklich tief ein. "Anyway is so complicated for me, twilight / Waiting on the planet to turn to me, dark side" säuselt Albarn in "Souk Eye" und schließt mit "I will always think about you / That's why I'm calling you back / On my way through". Es gibt also doch einen Grund, der uns alle weiter antreibt, und er nennt sich Liebe.

Trackliste

  1. 1. Humility
  2. 2. Tranz
  3. 3. Hollywood (feat. Snoop Dogg and Jamie Principle)
  4. 4. Kansas
  5. 5. Sorcererz
  6. 6. Idaho
  7. 7. Lake Zurich
  8. 8. Magic City
  9. 9. Fire Flies
  10. 10. One Percent
  11. 11. Souk Eye

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