laut.de-Kritik

Zwischen Hood-Melancholie und Xanax-Buddha: Trap for Airports.

Review von

Das Suchen nach dem nächsten Extrem befeuert die Entwicklung der amerikanischen Trapmusik nun seit Mitte der Dekade. Was auch immer der nächste Hype sein mag, er bleibt logisch an ein neues Radikal gebunden: Young Thugs Melodien, Lil Yachtys Albernheit, Lil Uzi Verts Exzentrik, Playboi Carti und der Minimalismus, Lil Pump als ultimativer Cartoon-Charakter, XXXTentacions und 6ix9ines Aggression, Lil Peeps und Juice WRLDs emotionale Abgründigkeit.

Gunna zeigt auf "Drip Or Drown 2", wie leise und subtil man einen Superlativ erreichen kann. Der bei Young Stoner Life gesignte Thugger-Schützling veröffentlicht nach einem prominenten Lauf als Gastrapper 2018 sein Debütalbum und liefert eines der ruhigsten, unterkühltesten und psychedelischsten Projekte des Genres ab. Mit dichter Produktion von Wheezy und Turbo schafft er ein Manifest zwischen verwaschenem High und meditativer Entschleunigung.

Wenn auch nicht gerade ein Album, das den Hörer gebannt auf den nächsten Verse warten lässt, ist "Drip Or Drown 2" eher ein musikalisches Wallpaper geworden, das im Gesamteindruck besticht. Als Performer ist Gunna gleichförmig und homogen, man könnte ihm Berechenbarkeit vorwerfen, verfehlte damit aber den Reiz seiner Musik. Tracks wie "Yao Ming", "Out The Hood" oder "Outstanding" zeichnen den Mann irgendwo zwischen Hood-Melancholiker und Xanax-Buddha. Die Monotonie hat System. Mit einer anderen Herangehensweise wäre ein solches Album auch gar nicht zu produzieren.

Gunna reitet die Beats auf dem Weg des geringsten Widerstands. Es fühlt sich ein wenig an, als surfe er, so reibungs- und schwerelos gleiten seine Parts über die Instrumentals. Er besitzt zwar weder die melodische Intriganz seines Mentors Young Thug, noch den Atlanta-Preacherman-Nachdruck eines Future, aber er strahlt eine stoische Ruhe aus, die den ziellosen Highs seiner Lebensrealität angemessen erscheint. Im Verbund mit irritierend eingängigen Hooks wie auf "Speed It Up" oder "One Call" komplettiert sich die Methode, mit der dieser Rapper ohne viel Präsenz oder Aufwand zum Zentrum des Albums wird.

Natürlich ginge dieses Konzept nicht ansatzweise auf, wenn die Produktion nicht fantastisch wäre. Doch mit den hungrigen Atlanta-Beatmachern Wheezy und Turbo im Rücken entsteht hier mehr als der ein oder andere magische Moment. Allein das erste Drittel von "Drip Or Drown 2" fühlt sich an, als tauche man auf LSD in die Tiefsee. Verstrahlte, brillant arrangierte und in Soundkulissen angeordnete Synthesizer, Reverb wie Echolot und hypnotische Trapgrooves wie die Strömung erzeugen auf "Wit It", "One Call" und "Outstanding" eine beeindruckende Ästhetik.

Doch es lässt nicht nach: Die schwerelosen Vocalsamples plus Synthesizer auf "Idk Why", die etwas erhöhte Energie auf "Speed It Up", die drängende Klaustrophobie von "Big Shot", die melancholischen Gitarren auf "Out The Hood" und allen voran das inspirierte Sample traditioneller fernöstlicher Musik auf "Who You Foolin" sorgen auf dem Closer für einen der intensivsten Tracks, der in Momentum und Energie nahezu an Futures brillantes "Mask Off" heranreicht.

Was ist also das neue Extrem, der neue Superlativ, der den Hype um Gunnas "Drip Or Drown 2" rechtfertigt? Es ist die Reduziertheit. Es ist ein Album, das man fast wie ein Ambient-Album hören kann. Gunna Basinskis "Water Trap Music" oder Gunna Enos "Trap Music For Airports", quasi. Die Ästhetik ist kohärent, hypnotisch und extrem homogen. Erwartet man ein konventionelles Rapalbum, dürfte man sich schnell langweilen. Lässt man sich aber darauf ein, in den Wellen dieses Albums zu treiben, entfaltet sich eine Magie, die Trapmusik als Genre bisher nur angedeutet, aber nie so deutlich formuliert hat.

Trackliste

  1. 1. Wit It
  2. 2. Outstanding
  3. 3. One Call
  4. 4. Cash War
  5. 5. Richard Millie Plain
  6. 6. Yao Ming
  7. 7. Idk Why
  8. 8. Derek Fisher (feat. Lil Baby)
  9. 9. Baby Birkin
  10. 10. Speed It Up
  11. 11. 3 Headed Snake (feat. Young Thug)
  12. 12. Big Shot
  13. 13. On A Mountain
  14. 14. Out The Hood
  15. 15. Same Young Nigga (feat. Playboi Carti)
  16. 16. Who You Foolin

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Gunna

Wer Trap Mitte der 2010er verfolgte, kam an Sergio Giovanni Kitchens kaum vorbei. Unter dem Künstlernamen Gunna machte der 1993 in einem Vorort von Atlanta …

8 Kommentare mit 13 Antworten