laut.de-Kritik

Der Haudegen kann es auch alleine.

Review von

2013 schon brachte Hagen Stoll eine Biografie raus. Dass Hagen Stolls Leben nicht einfach war, kann man dort nachlesen; dass es das nach wie vor nicht ist, zeigt die Zusammenarbeit mit dem Labeldienstleister recordJet, Produzent Madatracker, bei dem man online einzelne Rock-Spuren kaufen kann, und Master-Meister Michael Garbsch von deine.cd. Das ist alles nicht ehrenrührig, aber Hagen Stoll ist zwei Jahre nach dem Ende der kommerziell zuletzt sehr erfolgreichen Haudegen offenkundig an einem Punkt, an dem eine Beschäftigung in seinem Lehrberuf als Stuckateur mehr Einkommen produzieren würde als seine Musik. Ein Paraguayer namens Legna Zeg, dessen beeindruckende Youtube-Klickzahlen von EDM-Remixes anderer Songs herrühren, ist als Co-Autor der Lieder auf "Plus Minus Null" aufgeführt.

"Plus Minus Null" setzt mit "Wer Ich Bin Und War" allerdings schon zu Beginn souverän eine saubere Grundstimmung, die sich durch das Album zieht: Erdiger, simpler und basslastiger Rock, der den Boden bereitet für des Haudegens Stimme. Und diese kann nach wie vor beeindrucken, wenn sie nicht für Dinge benutzt werden soll, die sie nicht kann. Low-Tempo-Rock-Reibeisen gehört klar in ihr Fähigkeitsspektrum, und das, ohne zur Karikatur zu verkommen. Man nimmt Stoll das überbordende Pathos ab, der Mann ist halt nah am Wasser gebaut.

Leider "onkelt" es dadurch an schwächeren Stellen wie "Tragik Im Gesicht" etwas, aber für einen so authentischen Song wie "Knast" hätte der Mann mit dem W eineinhalb Nieren verkauft. Auch "Knast" fällt einfach aus, aber nicht stupide. Stolls Gitarrenspiel hat über die Pandemie andere Ebenen erreicht, ohne die eigenen Limitierungen zu vergessen. Schaufelt man sich durch die meterdicken Schichten Kitsch, findet man auf "Plus Minus Null" durchgehend einen altersweisen Rilla, der selten ("Zeit Meines Lebens") in Posen und Selbstmitleid verfällt. Die Simplizität der Texte liegt im mangelnden Sprachvermögen Stolls begründet, nicht in einer fehlenden emotionalen Tiefe; im Deutschrock steht er damit zurzeit ganz einsam auf weiter Flur.

Stoll nennt den eigenen Stil "Heart-Rock", und ganz falsch liegt er damit nicht, so direkt, wie er die Emotionen an den Mann bringt. Es fällt schwer, einen Song auf "Plus Minus Null" herauszustellen, zu homogen und gleichförmig sind die elf Nummern. Das verstärkt aber den positiven Eindruck, wie wenig hier konstruiert ist, man kauft Stoll einfach alles ab und sucht als Hörer positiv gestimmt nach den wenigen Ecken und Kanten im soliden instrumentalen Gefüge des Albums. So bleibt der lakonische Refrain von "Wahrheit" tatsächlich tagelang hängen, ebenso die guten Strophen von "Geister Und Geier" und das Riff der Single "Nie Wieder". Mit welchen Mitteln Stoll dieses Lied in eine Melange aus Deutschrock und Metal zu verwandeln und dabei nur im Gitarrensolo peinlich zu wirken, davor muss man einfach den Hut ziehen.

Auf Albumlänge sind die Stollschen Kalendersprüche zwar deutlich zu viel, nicht zuletzt dank Durchhänger wie "Aus Und Vorbei" und dem Billo-Punk "Phoenix". Ärgerlich, dass kurz vorm Schluss mit "Zwei Adler", dessen Backing Vocals unfreiwillig komisch geraten sind, ein weiteres Loch folgt. Das Outro "Ewigkeit" macht es wieder gut, hier textet Stoll wieder emotional unmittelbar und verabschiedet den Hörer baff ob seiner Fähigkeiten als Deutschrock-Songwriter, die seine Rapskills weit übersteigen. Lass den Rilla stecken, Hagen!

Trackliste

  1. 1. Wer Ich Bin Und War
  2. 2. Tragik Im Gesicht
  3. 3. Knast
  4. 4. Wahrheit
  5. 5. Nie Wieder
  6. 6. Aus Und Vorbei
  7. 7. Zeit Meines Lebens
  8. 8. Geister Und Geier
  9. 9. Phoenix
  10. 10. Ewigkeit
  11. 11. Zwei Adler

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1 Kommentar

  • Vor 2 Jahren

    Das hier nahezu jedes überflüssige „Deutschrock“ Album auf Laut nicht ohne das Schlagwort „Onkelz“ auskommt ist ja bereits traurig genug, aber….

    … Die Simplizität der Texte liegt im mangelnden Sprachvermögen Stolls begründet…

    …nur um dann auch noch Herrn Weidner Solo einen mitzugeben?
    Das hat weder der Haudegen noch der Weidner verdient.