laut.de-Kritik
Die Königin des Rasierklingenritts.
Review von Yannik GölzScrollt man das lange Albenregister auf Haiytis Künstlerseite durch, erinnert man sich, wie lange die Hamburgerin schon gute, respektable Musik macht. "Sui Sui"? Krasses Tape. "Montenegro Zero"? Haben damals alle gefeiert. "City Tarif"? Jesses, ist das lange her. Seit nun mehr sechs Jahren vergehen kaum zwei Wochen ohne eine neue Haiyti-Single.
Ihre Tapes kommen regelmäßig wie die Jahreszeiten, Breitseite auf Breitseite. Haiyti dippt ihre Füße zwar immer mal wieder in modernere Sounds, aber im Grunde dokumentiert ihre Musik, einem Tagebuch gleich, ein seit Jahren andauerndes High in Rapform, ihre Person wurde dabei nach und nach zur Kunstfigur. Dass sie noch nicht ausgebrannt ist und immer wieder etwas Neues zu erzählen hat, zeigt: Haiyti ist definitiv die Königin des Rasierklingenritts – und ihre Karriere wahrlich zum Totlachen.
Schon die ersten Songs haben einen galgenhumorig-bitteren Ton. Nachdem sie auf Chilly Gonzales' Beat drei Minuten Pimptalk auf einem stetigen Build-Up abgeliefert hat, explodiert die Platte in "14 Uhr Interview" und dem frustrierten "Hype Is Vorbei". Man wäre ja wohl auch frustriert, wenn man jahrelang als visionäre Szenenhoffnung vor den Toren des kommerziellen Durchbruchs sitzen gelassen wird. Und sich die Labels derweil mit Domiziana ein Mainstream-freundliches Haiyti-Ersatzprodukt bauen.
Dabei lässt sich einfach nicht abstreiten, was für eine einzigartige und unimitierbar kreative Macht Haiyti darstellt. Ihre Stärken bleiben unangetastet: Mit der stimmlichen Flexibilität und ihrer Ausdruckskraft ist sie in Deutschland vermutlich die Einzige, die man annähernd mit einem Young Thug vergleichen kann. Ihr Universum zwischen Hamburger Straßenrap, High Fashion und assoziativer Bildsprache, in der Blut in den Kathedralen fließt wie im ekstatischen "Dum-Dum". Darauf folgt prompt das unterschwellige "Luzifer", auf dem sie Hustle-Bars über die FL Studio-Version von einem Kirchenorgel-Trauerlied bolzt.
"Für Die Fans" reflektiert über den eigenen Karrierezustand und fragt sich, ob und inwiefern man die eigenen Fans nicht so cool finden darf. Eine der großen Stärken ihrer modernen Tapes ist, dass sie trotz unablässiger Arbeit nicht weniger intensiv, sondern stets intensiver wird: Vielleicht liegt es an den einwandfrei kuratierten Beat-Selektionen, in denen diese paranoiden, stimmungsvollen Synth-Arps gegen die Trap-Bässe laufen, dass man nachvollziehen kann, dass sie, eigener Aussage zufolge, schon seit 15 Jahren auf Lord Infamous von der Three Six Mafia hängt.
Der Hang zum Trap-Goth zeigt sich auch im spektakulären Abschluss-Run: "Shootingstar" ist ein bebender Popsong mit allem Pömp und Prunk, auf dass man gar nicht mehr weiß, wo Realität aufhört und Rockstarfantasie anfängt. Und dann endet sie in diesem verdammten Lil Peep-esken Cover von diesem Ärzte-Song. "Mach die Augen zu und küss mich. Wer weiß, ob das jetzt Ärzte-Fans sauer macht, aber diese Version schießt das Original in den Orbit. Haiyti performt mindestens ausdrucksstärker als Farin Urlaub, und wie leer, innerlich tot und komplett kaputt diese Produktion klingt, wringt sie einfach jedes letzte Bisschen Depression aus dem Original.
"Ich Lach Mich Tot" dokumentiert ein weiteres Mal eine der großen Ästhetinnen der Deutschrap-Historie. Haiytis Geschichte bleibt spannend, und ihre kreative Flamme brennt nach wie vor. Ein bisschen fühlt sie sich an wie Young Thug zwischen "Slime Season 3" und "So Much Fun", nicht per se ein kommerzieller Titan, aber großartig, einflussreich und stets an den kreativen Grenzen der Kunstform.
Nur eines begrenzt die Euphorie schließlich doch wieder. Wird dieses Mixtape genauso wie "Montenegro Zeros" oder "Sui Suis" in der Diskographie verschwinden, und man erinnert sich erst in ein paar Jahren daran, wie gut man es eigentlich fand? Was müsste ein Haiyti-Tape denn liefern, um über ihren Status Quo hinauszureichen? Schwierig, darauf eine Antwort zu geben. Vor allem, wenn der Output weiterhin so ungebrochen großartig bleibt.
17 Kommentare mit 31 Antworten
Die ganze Freche-Göre-Nummer war schon mit dem Debüt ausgelutscht, und viel ist nicht dazugekommen.
"Freche-Göre-Nummer", ist gut jetzt, alter Mann. Pass lieber auf, dass das Kissen auf deinem Fensterbrett nicht von Tauben zugeschissen wird, während du am PC sitzt. Die ungezogenen Hupfdohlen machen ja heuer auch nur noch, was sie wollen.
Die laut.de-Version von "das nächste Haiyti Tape wir scheisse sein" ist: "der nächste Post von Ragsimo wird saudumm sein".
Eben darum gings ja, ihr Blitzmerker
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Ich bin ja nun total genrefremd, aber jedes mal höre ich mir nach den mit Superlativen gespickten Reviews der verschiedenen Haiyti-Alben voller Spannung die Tracks hier im YT-Player an und frage mich was ich jetzt genau toll finden muss.
Das ist eher was für Leute die sich mehr auskennen und da die Feinheiten erkennen können, die mir verborgen bleiben, oder?
Nein, das ist einfach Möchtegern-artsy-fartsy Trap-Soße mit Gekrächze drüber. Gerade zu dem Zeitpunkt, als sie bekannter wurde, war das grundsätzlich etwas, was das Musik-Feuilleton dann zeitgeistig feiern musste. Und das wird bis heute nachgeplappert.
Ja, triffts ganz gut. Halten Leute für relevant, die vom Zeitgeist keine Ahnung haben. Haiyti hatte vielleicht auch deshalb nie den großen Durchbruch, weil sie kaum jemand hört...
"Halten Leute für relevant, die vom Zeitgeist keine Ahnung haben."
In deinem obigen Post hattest du dich aber doch noch abfällig geäußert.
Drückt der Satz was anderes als was Abfälliges aus? Meine jedenfalls, daß Leute Haiyti für den heißen Scheiß halten, die zu heißem Scheiß sonst gar keinen Bezug haben. Was Dudebro schrieb.
"Haiyti hatte vielleicht auch deshalb nie den großen Durchbruch, weil sie kaum jemand hört..."
250k monatliche Hörer auf Spotify.
"Ich bin ja nun total genrefremd"
Naja, spielt an sich ja keine Rolle. Ist ja nicht so, als würde sich Schlachmichtot auf ner Diskursebene abspielen, wo Normalsterbliche, Uneingeweihte nicht mehr mitkommen.
Ich lese keine Thriller/Krimis und kann die Schreibe vom Fitzek dennoch als scheiße erachten. Als ob die Genre-Eigenheiten ne Rolle spielten, wenn besagte Autoren noch nicht mal die Muße hatten, die Großen zu lesen und von ihnen zu lernen.
Eben, Caps.
Da Spotifys Marktanteil etwa 33% ist kann mensch das gefahrlos auf eine halbe Million extrapolieren, die allein in diesem Monat Haiyti hörte, das ist halt gerade für deutsche Verhältnisse niemals "kaum jemand".
Verteidigst du hier Haiyti, lieber CAPSI?
ich prangere an, dass Ragi sich wieder Sachen ausdenkt.
Das Album habe ich noch nicht gehört, aber allgemein sind auf Haiyti-Releases meistens auch ein paar Anspielstationen, die mich abholen.
Bleibt angesichts der Flut von Releases ne ziemlich erbärmliche Zahl, wie es die Rezession da oben halt auch nahelegt.
Ich lese doch keine Haiyti-Rezession. 250000 monatliche Hörer bei Spotify ist schon relativ viel. Definitiv nicht "kaum jemand". Weit über dem Durchschnitt und im Profimusikerbereich.
Ich gehe vor allem nach der Rezession, die offenbar ein Fan geschrieben hat. Und wenn er schreibt, sie habe noch immer nicht den durchschlagenden Erfolg, dann gehe ich bei den 250,000 Hörern tatsächlich von Playlists aus. Wenn jemand z.B. fünfzig Tracks pro Jahr in einem Genre raushaut, wird ein guter Teil auf Random Plays zurückführbar sein. Abgesehen von WDR Cosmo ist mir ihr unverkennbares Organ in der Öffentlichkeit auch noch nicht untergekommen.
"dann gehe ich bei den 250,000 Hörern tatsächlich von Playlists aus."
bist du wirklich so dumm oder wieder einfach nur sehr sturrköpfig?
Ragismo ALLAH!
killa tape wieder. mag sehr "14 Uhr interview" und "Für die Fans". Und dieser hämmernde beatdrop beim crackaveli feature. singles mocht ich die meisten nicht, ausser der 2014-like banger "Doublecup" hart.
4/5
Gutes Album. Zwei Skips, sonst tlw miese banger und sehr einzigartige Musik.
Yannik-Musik.
Die einen gehen die gölzsche Argumentation mit, andere, wie ich, versuchen zu verstehen, wie die Begeisterung zustande kommt und scheitern daran.
Wems gefällt.. ich bin da eher auf MeTOOLicas Seite.
Bei allem Verständnis für die persönlichen Geschmäcker lässt sich kaum abstreiten, dass Haiytis Musik besonders ist. Allein schon, weil es schwierig ist zu sagen: Klingt wie... Zudem macht sie schon recht lange ihr Ding, so dass man kaum behaupten kann, dass das ein Hype ist oder sich bald keiner mehr dran erinnern wird.
Bei allem Verständnis für die persönlichen Geschmäcker lässt sich kaum abstreiten, dass Hitlers Politik besonders ist. Allein schon, weil es schwierig ist zu sagen: Wirkt wie... Zudem macht er schon recht lange sein Ding, so dass man kaum behaupten kann, dass das ein Hype ist oder sich bald keiner mehr dran erinnern wird.
Welcher Idiot vergleicht denn Haiyti Robbery mit Hitler⁇
lies doch einfach mal beide beiträge hintereinander hialeah, vielleicht schnallst du dann toolis punkt.
Hialeah's Kommentar ist latürnich Ironie 2. Ordnung. Wingo, du bist raus. Lösch dich!
Glaube nicht, dass das ironisch gemeint war. Andererseits bist du der (v)ermittler, auch wenn deine Ermittlungsleistungen zuletzt doch ziemlich zu wünschen übrig ließen.
Der Vergleich hinkt wie Goebbels. Wirkt wie.. beispielsweise irgendwelche absolutistischen Herrscher. Auch sorgt Haiyti nicht mit Waffen- oder sonstiger Gewalt für eine Mindestzahl von Streams, um relevant zu bleiben. Wenn schon Blödsinn schreiben, dann doch wenigstens witzigen oder treffenden.
@Schwingster Welchen Punkt macht er denn?
Ich wollte damit pinpointen, wie beliebig, austauschbar und nichtssagend deine ihr zugesprochenen Qualitäten ("macht ihr Ding") sind.
@cdx, den, den tooli just eben erläutert hat. Sollte klar sein, dass sein quasi copy-paste bestens herausstellt, wie nichtssagend derartige Phrasen sind.
Und mit Phrasen kennen ma uns hier aus, ma sagen. Seit Ionen, sollte klar sein.
Die meisten anderen Argumente streifen dann aber den persönlichen Geschmack. Dass das Gekrächze nicht jedem gefällt ist klar. Dass es mehr als hingeschluderter Rotz ist, könnte man trotzdem (an)erkennen, sofern man Rap nicht ohnehin scheiße findet oder sich auf "früher war noch richtiger Rap" beruft.