laut.de-Kritik
Gewagt wie der Ritt auf einem Nashorn.
Review von Deborah KatonaHildegard Knef-Songs zu remixen ist wie Pony-Reiten auf Nashörnern. Ponyreiten kann eigentlich jeder. Sogar Kinder sehen ganz leicht ganz locker auf den Tierchen aus. Nashörner hingegen sind 1.000 mal gefährlicher, dafür aber auch 1.000 mal so cool. Ein Foto von dir auf einem Rhinozeros bringt dich also um einige Stufen höher auf dem Coolness-Treppchen.
Nur ist das Nashorn ein wildes Ding und ziemlich unberechenbar: verkrampfst du auf seinem Rücken, siehst du nicht nur aus wie ein Idiot. Das Nashorn wird deine Unsicherheit bemerken, dich abwerfen und dir übers Gesicht trampeln. "So oder so ist das Leben", würde Hildegard Knef vielleicht sagen. Aber es ist dann eben vorbei mit dem hippen Dasein – Fotos deines Matschgesichts will wirklich keiner sehen.
Hans Nieswandt bewegt sich also auf dünnem Eis. Denn mit Hildegard Knef hat er eine Künstlerin ausgewählt, deren Stimme einzigartig ist. Sie ist eine Grand Dame des Chansons, eine Frau zum in die Knie gehen, sie hat Charakter und Ausdruck und Anmut in der Stimme. "Meine Lieder sind anders, so wie ich bin." Ihr Werk wird vergöttert. Sich hier also ran zu trauen: riskant wie der Ritt auf dem Nashorn. Doch Nieswandt sitzt ganz lässig im Sattel.
Schon 2002 wagte der gebürtige Mannheimer sich an den Track "Bei dir war es immer so schön". Er schwor hinterher, es sei einer der besten Remixe seiner Karriere geworden. Auf "Remixes" nun also gibt es zwölf Tracks der Knef. Multitalent Nieswandt benutzt fast ausschließlich Originalparts aus den 70er Jahren, damals unter bestmöglichen Bedingungen aufgenommen.
Die Texte, Melodien und Themen aus der Zeit sind noch immer aktuell - man denke hier beispielsweise an "Anderthalb Millionen" mit seinen Lyrics rund um den Trott und die Einsamkeit vieler Städter. Auch "Das Jahr 2000" ist thematisch 2012 noch am richtigen Platz: "Das Jahr Zweitausend mit Schnellstraßen und Pisten, Computerlisten und Röntgenaugen und Abwasserlaugen. Mit Banken und Banken von Frisco bis Ural – und die Krähe der Zeit, sie schreit: Es ist soweit!"
Anders als damals der Stand der Technik: Moderne Geräte und viel Fleißarbeit, die man von Tausendsassa Hans ja gewöhnt ist, ergeben nun trotz bekannter Lieder neue Klangwelten. Vorsichtig und respektvoll ist er ans Werk gegangen. Und so bleiben die Tracks immer dran am Original und klingen trotzdem frisch.
Vielleicht/ hoffentlich öffnet Nieswandt mit seinen "Remixes" die Tür für eine jüngere Generation, die die Knef bisher nicht kennenlernen konnte, das aber schleunigst tun sollte, wenn sie nicht vom Nashorn getreten werden will. Sorry Hildegard – die Metapher ist wahrlich nicht sehr schmeichelhaft.
1 Kommentar
schönes teil