laut.de-Kritik

Freiheit, Gleichheit, Verantwortlichkeit!

Review von

Aus Thüringen drangen in den letzten Wochen nicht die besten Nachrichten nach außen. Doch wer meinte, das Höckepack habe die Deutungshoheit, sieht sich getäuscht: Fünf Freunde aus Saalfeld bolzen seit 20 Jahren linke Ideen in der Schnittmenge aus Freiheit, Gleichheit und Verantwortlichkeit ins biedere Volk. Natürlich pflegt das Quintett weiterhin die harte Kante, geht aber auf dem ersten Doppeldecker in der Karriere von Heaven Shall Burn weit darüber hinaus.

Warme Wogen aus Dark Wave und Streichern ebnen den Weg, auf dem die brachialen Feuerwerke umso intensiver tönen. Großes Kino wie die letztens in ausgewählten Lichtspielhäusern gezeigte Banddoku "Mein grünes Herz in dunklen Zeiten" bewiesen hat. Die liegt der Limited Edition dieses Monstrums bei. Der Film beleuchtet die Entstehungsgeschichte von "Of Truth And Sacrifice". Die fünf Mitglieder arbeiteten dabei autark an ihrem Werk. Alle gehen nebenbei auch noch "normalen" Berufen nach. Die Metalcore-Pioniere nutzten die Möglichkeiten des hauseigenen Studios von Gitarrist Alexander Dietz.

"Of Truth And Sacrifice" besticht mit einer Detaildichte, die mehr als eine Ansammlung von Stilen darstellt. Konsequent und konzeptuell verzahnen Dietz und Visionär Maik Weichert die unterschiedlichen Einflüsse zu einem stimmigen Ganzen. Dabei arbeitet die Band von Beginn an zusammen.

Brüllwürfel Marcus Bischoff, im echten Leben Krankenpfleger auf einer Intensivstation, nutzt die Chance, am Entstehungsprozess vom ersten Tag an mitzuwirken. Er füllt die Songs mit Leben. Die harschen Vocals klingen extrem und facettenreich. Ein besonderes Plus hierbei bietet die Verständlichkeit der Texte. "Expatriate" ist ein schwelgerischer Brocken Epik mit Spoken Word-Passagen in deutscher Sprache. The Hirsch Effekt klingen in den Silben am Ende durch.

"What War Means" walzt mit tonnenschweren Death Metal-Riffs die Sinneshärchen im Hörapparat platt und steigert sich bis hin zur Raserei im Oldschool-Black Metal-Stil. Die eingängigen Melodien, die sowohl im zarten wie harten Kontext zur Geltung kommen, nötigen Respekt ab, nachzuhören am Eröffnungsdoppel "March Of Retribution" und "Thoughts And Prayers".

Weichert und Co. toben sich mit kurzen Watschn aus, etwa bei "Eradicate", zu dem Regisseur Isaac Nbwana, auch genannt der ugandische Tarantino, ein kultiges Video abgedreht hat. Auch "Stateless" prescht zünftig und zügig durch die Bay Area. Daneben weht im überlangen "The Sorrows Of Victory" eine leichte Brise Gothic und Folk Metal durchs thüringische Morgengrauen.

Ein wenig Rammstein und Lindemann scheinen in den süffig-bekömmlichen Tracks "Übermacht" und "La Resistance" durch, Lehrstücke in Sachen Eingängigkeit: kompatibel für die Rock-Disco, aber deswegen auch nicht frei von Kritik. Wobei, und das sollte nach Genuss dieses wuchtig-wütenden Werkes klar sein, auch die simplen Momente von Heaven Shall Burn meilenweit von Kirmes-Kapellen wie Sabaton entfernt bleiben.

Konzeptuell fechten Heaven Shall Burn den Kampf um die sogenannte Wahrheit nicht plakativ aus, sondern machen ihn an konkreten Beispielen fest. "Tirpitz" beleuchtet die Gigantomanie der Nazizeit. Geächtete Journalisten besingen Bischoff und Co. ebenso wie das Engagement für Flüchtlinge. Mit DIY-Mentalität und viel Herzblut legen HSB im Vergleich zu Vorgängern "Veto" und "Wanderer" noch einmal eine Schippe Abwechslung drauf.

Trackliste

CD 1

  1. 1. March Of Retribution
  2. 2. Thoughts And Prayers
  3. 3. Eradicate
  4. 4. Protector
  5. 5. Übermacht
  6. 6. My Heart And The Ocean
  7. 7. Expatriate
  8. 8. What War Means
  9. 9. Terminate The Unconcern
  10. 10. The Ashes Of My Enemies

CD 2

  1. 1. Children Of A Lesser God
  2. 2. La Resistance
  3. 3. The Sorrows Of Victory
  4. 4. Stateless
  5. 5. Tirpitz
  6. 6. Truther
  7. 7. Critical Mass
  8. 8. Eagles Among Vultures
  9. 9. Weakness Leaving My Heart

DVD

  1. 1. Mein Grünes Herz In Dunklen Zeiten

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Heaven Shall Burn

Unter dem Banner Consense raufen sich im Herbst 1996 ein paar Freunde aus der Saalfelder Umgebung in Thüringen zusammen und lassen die Gitarren schreddern.

3 Kommentare mit einer Antwort