laut.de-Kritik
Bekloppt charmanter Textwahnsinn im Elektroklangkleid.
Review von Martin TenschertHeinz Strunk, subtil sublimer König des Dada, Seelenstripper aus Leidenschaft und Rocko Schamoni der Herzen. Mit ebenjenem entfesselte er einst das Studio Braun und revolutionierte das Genre Telefonstreich. Mit Stermann & Grissemann war er "Immer Nie Am Meer", und sein Bestseller "Fleisch ist mein Gemüse" machte ihn auch im kommerziellen Segment bekannt.
Jetzt auf zu neuen, anderen Ufern: Das Minenfeld "Elektronische Musik" hatte der gute Strunk bis dato nämlich noch nicht betreten, höchste Zeit also! Mit den Herren von Audiolith aus Hamburg hätte man kaum bessere Mitsreiter für ein solches Projekt finden können, verhalfen die doch schon Acts wie Egotronic, Rampue oder Feine Sahne Fischfilet zu Ruhm und Ehren.
"Sie Nannten Ihn Dreirad", der Titel ist Programm, bekloppt charmanter Textwahnsinn, nur eben im Elektroklangkleid diesmal.
"Rien Ne Va Plus" leitet mit sphärischen Beats und Falco-esquem Sprechgesang ein, nur dass dieser nicht den schwarzen Fakir Günther Günther Voss besungen hätte, wahrscheinlich.
Wirre, wie zufällig wirkende Lyrik, diese Stärke spielt Strunk auch bei "Scheisshaus Alien" erneut aus, hier aber mit fetteren Skills und Rhymes ("deine Witze zünden wie Windpocken, hau'n nur Dich selbst von den Socken..."). Das Begleit-Instrumental mit den 90er Kreischvocals ist allerdings etwas beliebig und auch nervig. Generell mutet die Kombination aus Tracks und "Gesang" trotzdem nicht wie eine Zwangsheirat an, also keine Angst. "Fernsehkoch" ist ein bitterböser Disstrack gegen den Narzissmus und den Selbstdarstellungsdrang moderner Kochlöffelartisten. Der reduzierte "Billo" Drumcomupter-Beat macht dazu wiederum Sinn, weil er nicht zu sehr vom hasserfüllten Text ablenkt.
Eine Liebeserklärung besonderer Art hingegen macht Heinz dem Großvater der Liebe, dem "Opa Lamour". Erotik im Alter, der ehemalige Fleischmann TV Macher ist also durchaus in der Lage, den Finger in die, äh, Wunde zu legen. Einzig die Beats und Instrumentals sind hier erneut Grund zur Sorge, weil etwas mau und lieblos ausgefallen. Das fällt nämlich, wenn die Texte derart unterhaltsam und intelligent sind, gerade besonders auf.
Alles in allem aber ein spaßiger Exkurs des Multitalents in die Räuberhöhle Audiolith.
2 Kommentare
Literarisch hat mir der Strunker immer sehr gut gefallen! Musikalisch werde ich es mal versuchen....
Feiner Netzfund zu diesem Trash-Album!
http://luserlounge.blogspot.de/2015/01/hei…