laut.de-Kritik

Hier fliegen Jutebeutel und geballte Jugend-Fäuste um die Wette.

Review von

Heisskalt gehen auf ihrem Debütalbum nur selten den Weg des geringsten Widerstands. Zwar schicken die Stuttgarter hin und wieder ("Nicht Anders Gewollt", "Sonne Über Wien") massenkompatible Melodie-Strukturen ins Rennen, doch das sind nur kurzweilige Watteweich-Zuckungen in einem ansonsten hochkomplexen und detailverliebt arrangierten Wust aus Noiserock, Alternative und Post-Progressive-Punk.

Der erste Rock-Act auf dem Hip Hop-Label Chimperator Department (Cro, Die Orsons) lässt sich nur ungern in die Karten schauen. Beste Beispiel: Der Song "Identitätsstiftend" – ein Track, der das komplette Album-Gerüst in fünfeinhalb Minuten auf den Punkt bringt. Mal laut, mal leise stochern wahlweise cleane oder noisig angecrunchte Gitarren auf brüchigem Terrain. Entsteht ein Loch, bricht die Hölle los. Plötzlich wird geschrien, statt geredet, während sich scheppernd produziertes Lo-Fi-Chaos ausbreitet, das jedem Freund harmonischer Klänge den Angstschweiß auf die Stirn treibt.

Wen es interessiert, was wohl dabei herauskäme wenn sich die Mitglieder von Frau Potz und The Hirsch Effekt zu einer gemeinsamen Jam-Session verabreden würden, der wird hier auf Antworten stoßen, denn Heisskalt machen ihrem Bandnamen alle Ehre. Hier gibt es kaum Grauzonen. Entweder es brennt lichterloh oder es zwängt sich eine Schicht aus Eis durch die Boxen.

Wer sich gerne mit Lauwarmem vergnügt, der ist hier definitiv fehl am Platz. Mit Hilfe atmosphärischer Elektro-Luftblasen ("So Leicht"), in Hall getränkter Arena-Handclaps ("Kaputt") und aufwühlender Hinterhof-Romantik ("Nicht Gewinnen"), schnüren die vier Schwaben ein impulsives Noiserock-Paket mit reichlich Ecken und Kanten, das alles auffährt, was es braucht, um einen siffigen Kellergewölbe-Club voller umherfliegender Jutebeutel, schwitzender Leiber und geballter Jugend-Fäuste so richtig in Wallung zu bringen.

Trackliste

  1. 1. Das Bleibt Hier
  2. 2. Nicht Anders Gewollt
  3. 3. Sonne Über Wien
  4. 4. Identitätsstiftend
  5. 5. So Leicht
  6. 6. Kaputt
  7. 7. Alles Gut
  8. 8. Nicht Gewinnen
  9. 9. Gipfelkreuz
  10. 10. Bestehen
  11. 11. Zweifel

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LAUT.DE-PORTRÄT Heisskalt

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4 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Auf der Ep haben sie zum Beispiel mit „Dezemberluft“ schon angedeutet, zu was sie fähig sind aber dieses Album hatte ich so ehrlich gesagt nicht erwartet. Anfangs war ich etwas unschlüssig aber nach vielen Hördurchläufen bin ich beeindruckt.
    Und zum Glück ist bis auf „Alles Gut“ kein Lied mehr dabei, wo mich einfallslose Sauf/Weed Lyrics abschrecken. Ganz im Gegenteil, das sind einige der ergreifendsten deutschsprachigen Texte, die ich kenne und dazu diese einzigartige Stimme.
    Insgesamt bis auf wenige Ausnahmen ein klasse Album mit vielen großen Momenten, wie dem schlichtweg atemberaubenden Finale von „So leicht“ oder dem lyrischen Hommage-Feuerwerk im Opener.

  • Vor 10 Jahren

    Bin auch positiv überrascht nach dieser eher durchwachsenen E.P. 4/5 geht völlig in Ordnung.

  • Vor 10 Jahren

    Yeah, ich bin von einigen Sachen auch recht angetan. Anderes geht schon stark Richtung Emorock.
    Die Lyrics sind nicht Fremdscham erregend. Aber sooo ergreifend find ich sie nicht, und auch die Stimme ist nicht so einzigartig - zumindest nicht wenn man die anderen (jungen) Bands kennt, wo die Stuttgarter offensichtlich schon mal Zaungäste waren: Messer, Bilderbuch, Garish, Die Nerven...

  • Vor 10 Jahren

    Starker Debüt-Longplayer mit überragenden Texten und starker musikalischer Umsetzung zwischen Post-Hardcore, Emo, Indie und Punk. Nach der noch nicht ganz ausgereiften EP präsentieren Heisskalt hier eines der besten deutschsprachigen Alben der letzten Jahre.