laut.de-Kritik
Der einzigartige Entertainer entdeckt neue Facetten der Liebe.
Review von Eberhard Dobler"Gespräch Mit Einem Radio-Interviewer". Helge interviewt sich am Ende der Platte eine Viertelstunde lang selbst. Danach entschwindet höchstens noch ein Röcheln des Hörers Kehle - sollte ihm nicht schon vorher die Luft weggeblieben sein. Eine Monstrosität in bester Schneider'scher Hörspiel-Tradition, die mal wieder vor Augen führt, warum die Menschheit in zwei Lager zerfällt: Helge-Liebhaber und Schneider-Hasser.
In dieser Logik besitzt die Platte natürlich einen konsequenten Titel - "I Brake Together". Das darf nur Helge. Der Titeltrack präsentiert gleichwohl mehr als nur reinen Nonsens. Vielmehr offenbart er zeitkritische Anmerkungen, kulminierend in Zeilen wie: "Die Welt ist krank und der Arzt hat frei".
Doch nicht nur "I Brake Together" darf man einen tieferen Sinn unterstellen, sondern auch dem traurigen "Pinguine Können Nicht Fliegen". "Nein, nein, nein, wir brauchen keine Autobahn, nur zwei Flügel, um zu fliegen wie ein Storch" - Schneider profiliert sich hier in einer seiner Paraderollen: als Udo Lindenberg-Imitator mit sich selbst im Duett.
Ansonsten fährt er das gewohnt nasale Programm aus komisch formulierten absurden Texten, deren Inhalte zwischen subversivem Nihilismus, entblößender Ironie und Zufall zu pendeln scheinen und die der einzigartige Komiker mit den gewohnt musikalischen Fertigkeiten garniert ("Pianosolo"). So auch beim Single-Vorboten, dem super sexy "Käsebrot". Angesichts des Textinhalts und der einfach gehaltenen Liedstruktur geht die Nummer als ein legitimer Nachfolger von "Katzeklo" durch.
Hispanisch wirds bei "Meine Supermaus" und "Die Trompeten Von Mexiko", während es sich zum abgehangenen Piano-Blues von "Lady Suppenhuhn" amtlich schwofen ließe. Neu ins Line-Up aufgenommen wurden - der renommierte Jazz-Trommler Pete York ist schon länger an Bord - Bassist Rudi Olbrich und E-Gitarrist Sandro Giampietro. Letzterer dürfte live für frischen Wind sorgen.
Helge widmet sich aber auch den großen Gefühlen ("Bitte Geh Nicht Vorbei"): "Komm doch einmal nur her, und das Wunder beginnt, ich werd' dich auf Händen tragen, füreinander bestimmt, auch in den kritischen Tagen", oder singt: "Warte auf mich, ich werd' dich begleiten, wir werden gemeinsam auf schneeweißen Pferdchen durch den Himmel der Liebe reiten - auf dem schönen Pferd, halbe Stunde zehn Euro". Up to date formuliert: "Ich träume von Hawaii, nur du und ich, ganz allein auf'm Board, hoffentlich kommt kein Hai". Schneider öffnet dem Hörer die Augen für bisher vernachlässigte Facetten der Liebe.
Dazu gesellen sich lässige Neuaufnahmen älterer Songs ("Texas" und "Telefonmann") sowie ein selbst erklärter Angriff auf den US-Markt mittels Jazz-Klassikern ("Georgia On My Mind", "Fly Me To The Moon") und einer Interpretation der Presley-Nummer "Jailhouse Rock" (Achtung, Heliumstimme). Eines steht nach einer Spielzeit von 66:37:52 jedenfalls fest: Die anstehende Tour (ab Februar) wird grandios.
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