laut.de-Kritik
Herbert auf deiner Haut.
Review von Eberhard DoblerSchon die zweite Gröne-Live-DVD in diesem Jahr, muss das sein? Nach dem Ö-Tour-Rerelease von 1988 folgt der Blick zurück auf die aktuelle "Schiffsverkehr"-Tournee. Antworten wir allgemein: Man kann froh sein, einen Mann von solcher Textgewalt und unbestritten künstlerischer Potenz im Land zu haben. Selbst, wenn man seine Musik nicht schätzt.
Ein Beweis? Der Video- und Filmregisseurs Anton Corbijn arbeitet nur mit ernst zu nehmenden Protagonisten. Corbijn zeichnet hier fürs elegant, eher minimal avantgardistisch gehaltene Bühnendesign verantwortlich. Die Bühnenvisuals lassen sich dazu auf der Bonus-DVD auch isoliert anwählen.
Corbijns Leinwandarbeit mag live wirken - durch den fest vorgegebenen Rahmen kommen sie auf dem heimischen Bildschirm allein aber zu statisch, zu langweilig rüber. Schon mehr Spaß macht das halbstündige Interview, wenn ein entspannter Grönemeyer etwa darüber sinniert, welche seiner Songs nun wirklich peinlich sind.
Ansonsten werden Experten-Knowhow und persönliche Befindlichkeiten rund um Planung und Vorbereitung einer Mammuttour abgefragt: Wie macht man die Bühne wetterfest? Gibt es Unterschiede bei Fans im Osten und Westen? Was macht man eigentlich nach einer solchen Tour?
Besonders interessant: Fürs Überziehen der Spielzeit in Stadien oder auf Open-Airs, und das macht der spielfreudige Gröne oft und gerne, müssen Bands immens hohe Konventionalstrafen zahlen. Popfans leben offenbar in einer ungerechteren Welt als Thomas Gottschalk und seine Gebührenzahler.
Gleichwohl hatte das Publikum in der Leipziger Red Bull Arena am 16. Juni an ihrem Herbert und seinen Mitsing-Hymnen "Halt mich", "Bochum", "Männer", Alkohol", "Mensch", "Bleibt alles anders", "Land unter", "Flugzeuge im Bauch", "Glück" und wie sie alle heißen eine riesen Freude. Das Konzert, eingeläutet mit beeindruckender Overview-Kamerafahrt über den Stadiongrund sowie dem rhythmusorientierten Titeltrack, ist größtenteils so gefilmt, dass man Grönemeyer fast über die Schulter oder seinen Gitarristen aufs Griffbrett guckt.
Auf der Bühne bleibt Herbert natürlich der Master of Ceremony, dennoch taucht er selten ganz alleine vorne auf: Er nimmt seine Musiker in die Pflicht und tritt auf den Bookletfotos folgerichtig in die Reihe der Grönemeyer-Band zurück, die seit 30 Jahren zusammenspielt. Ein Mann mit Gespür eben. Da liegt auch die Stärke dieses Intellektuellen: Er weiß, dass auf der einen Seite der Medaille des Lebens zwar der Kopf, auf der anderen aber groß das Wort Emotion eingeprägt ist.
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